17.05.2018
Dr. Solvejg Nitzke – Open Topic Postdoc am Institut für Germanistik
Name: Dr. Solvejg Nitzke
Position: Open Topic Postdoc Position an der an der Professur für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literaturwissenschaft
Institut: Institut für Germanistik
Fakultät: Fakultät Sprach-, Literatur-, und Kulturwissenschaften
Ich habe Germanistik und Komparatistik (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) an der Ruhr-Universität Bochum und der Växjö Universitet in Schweden studiert. Danach war ich für ein Jahr als Teaching Assistant an der University of Virginia in Charlottesville (USA). Promoviert wurde ich Anfang 2015 an der Ruhr-Uni. Anschließend habe ich eine Postdoc-Stelle an der Universität Wien angetreten und dort im DFG-Projekt „Zeit des Klimas“ mitgearbeitet. Seit November 2017 arbeite ich als OTPP an der Professur für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der TU Dresden.
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte und Forschungsinteressen?
Ich interessiere mich ganz grundsätzlich für kulturbildende Funktionen des Erzählens. Warum, wann, wo und von wem wird was erzählt? Ich schaue mir dabei Bereiche in der Geschichte der Moderne an, in denen Erzählungen als solche hervortreten. Zum Beispiel erzeugen Katastrophen, ungelöste Rätsel und Verschwörungstheorien Situationen, in denen die herkömmlichen Formen Wissen herzustellen und Sicherheitsgefühle zu erzeugen, nicht mehr funktionieren. Narrative können dann je nach Kontext stabilisieren oder weiter verunsichern. Krisensituationen – egal welcher Größenordnungen – erzwingen eine Befragung dessen, was als „normal“, „natürlich“ oder „selbstverständlich“ gilt. Wie also können unter diesen Umständen noch (sicheres) Wissen, Vertrauen in Institutionen und Personen und in die Wirklichkeit entstehen? Die Rolle von Erzählungen in solchen prekären Konstellationen sichtbar zu machen und diese Fragen produktiv zu verwenden, verstehe ich als meine Aufgabe. Bisher habe ich das an Katastrophen, Repräsentationen von Klima und Klimawandel, Verschwörungstheorien, Kriminalliteratur, dem Verhältnis von Science und Fiction sowie dem Verhältnis von Literatur und Ökologie untersucht.
Was war Ihr interessantestes bzw. spannendstes Forschungsprojekt?
Abgesehen vom aktuellen Projekt, war das meine Dissertation zum Tunguska-Ereignis. Am 30. Juni 1908 gab es mitten in Sibirien eine riesige Explosion, die eine Waldfläche der Größe des Saarlandes zerstörte. Allerdings ist bis heute nicht geklärt, was die Ursache war – es gibt keinen Krater, keine fremden Gesteine oder sonstige Spuren, die als Beweise eine der dutzenden Theorien belegen könnten. Das Tunguska-Ereignis ist also eine Katastrophe im Potentialis: es geht nicht darum, was passiert ist, sondern darum, was wäre, wenn es sich wiederholt und die Erde sozusagen unvorbereitet trifft. Meine Arbeit geht der Frage nach, wie unter solchen Umständen Wissen zustande kommen kann, welche Rolle Erzählen und Fiktion dabei spielen und inwiefern ein solches Ereignis die Programme der Moderne unterläuft.
An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?
Das Projekt, das ich hier im Rahmen der Open Topic Postdoc Position entwickle, beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wie dieses in populären Diskursen repräsentiert wird. Der Arbeitstitel lautet „Prekäre Natur. Schauplätze ökologischen Erzählens 1840-1915“. Es geht dabei vor allem um die Frage, in welcher Form (proto-)ökologisches Wissen sich in den vermeintlich trivialen Populärtexten der Zeit (z.B. in Dorfgeschichten) niederschlägt und inwiefern ökologisches Erzählen prägt, was als (natürliche) Umwelt wahrgenommen wird. Das Projekt steht somit im Kontext aktueller Debatten über globale ökologische Krisen und liefert eine Perspektive, die bisher zu kurz kommt: Die Reflexion und Kritik ökologischer Beziehungen ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Damit stellt es auch die Frage, wie es sein kann, dass „grüne“ Kritik so lange nicht gehört wurde. Ist sie ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung?
Was darf auf Ihrem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Viele, viele Zettel.
Haben Sie ein Lieblingszitat? Wenn ja, welches und von wem ist es?
„Die Natur wird nie die Zuverlässigkeit eines Telephons annehmen, mag man sich auch über dessen Tücken ärgern – Natur ist gerade nicht von dieser Art, daß man sich, wenn sie aufbegehrt, nur über sie zu ärgern hätte.“ (Hans Blumenberg)
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen?
"American Tabloid" von James Ellroy
Weitere Infos über Sie gibt es auf:
https://tu-dresden.de/gsw/slk/germanistik/mwndl/die-professur/beschaeftigte/dr-solveig-nitzke
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3657-4/Die-Produktion-der-Katastrophe
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3956-8/Imagining-Earth