26.11.2021
Die Preisträger:innen Internationalisierung stellen sich vor: CouReg – interkulturell, demokratisch, couragiert
Im September 2021 hat die TUD zum 5. Mal den Preis Internationalisierung vergeben. Mit dabei waren in diesem Jahr auch drei Projekte und Initiativen aus dem Bereich GSW: CouReg, die Refugee Law Clinic Dresden und IDA – In Dresden ankommen. Wir möchten die Preisträger:innen und nun noch einmal detaillierter vorstellen und gleichzeitig ihr Engagement würdigen. In Interviews erzählen sie von ihren Projekten und darüber, was sie mit dem Preisgeld von 1000 Euro tun werden.
Den Anfang macht Dr. Cathleen Bochmann, Initiatorin und Leiterin des Projekts CouReg, das im März 2021 gestartet ist. Sie ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemvergleich.
Wofür steht CouReg und um was geht es in dem Projekt?
Cathleen Bochmann: CouReg steht kurz für „Mít kuráž a utvářet náš region“ auf Tschechisch oder „Courage haben und unsere Region gestalten“ auf Deutsch. Der Name sagt bereits, worum es geht: wir arbeiten im Grenzgebiet zum Thema Demokratieförderung und Zivilcourage. Wir kooperieren dabei mit der Univerzita J.E. Purkyné Ústí nad Labem (UJEP) sowie zwei Praxispartnern, der Euroregion Elbe/Labe und der Aktion Zivilcourage e.V. aus Pirna. In CouReg organisieren wir gemeinsame Seminare und Exkursionen für Studierende der Politikwissenschaft, in denen wir uns mit der politischen Kultur beider Länder beschäftigen und fragen, welche politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen für die Demokratie bewältigt werden müssen. Da geht es vor allem um Themen wie Rechtspopulismus und Extremismus, Minderheitenrechte z.B. von Sinti und Roma, postsozialistische Transformation, aber auch Klimaschutz und damit zusammenhängender Strukturwandel z.B. beim Thema Braunkohle.
In einem zweiten Schritt überlegen wir dann ganz praktisch, was wir alle konkret zur Verbesserung beitragen können. Die Studierenden durchlaufen Theorie- und Praxiseinheiten und entwickeln dann Zivilcourage-Workshops für Schülerinnen und Schüler auf beiden Seiten der Grenze. Gerade die praktischen Anwendungen sind immer sehr witzig. In der ersten Uniwoche diesen Herbst haben wir unsere Studierenden beispielsweise zu kleinen Mutproben losgeschickt. Im November waren wir außerdem in Tisá und Ústí nad Labem. Dort haben wir uns intensiver mit den deutsch-tschechischen Beziehungen sowie den Wahlergebnissen in beiden Ländern beschäftigt.
Wann und wie bzw. warum ist das Projekt entstanden?
Das Projekt entstand zum Jahreswechsel 2019/20 durch bestehende Kontakte zu meinem Kollegen Lukáš Novotný von der UJEP. Wir hatten damals bereits einen Dozentenaustausch über Lehraufträge laufen und wollten gern intensiver die Themen anpacken, die in beiden Ländern große politische Herausforderungen darstellen. Zudem war es aber auch unser Wunsch, die Grenzregion nicht immer nur zu pathologisieren, als Region die abgehängt, trostlos und rechts ist, sondern die großen demokratischen Potentiale sichtbarer zu machen. Und da Demokratieförderung auf Augenhöhe am besten funktioniert, folgten wir dem Peer-Ansatz, dass Studierende für Schülerinnen und Schüler Projekte entwickeln.
Was bedeutet Ihnen der Preis Internationalisierung?
Das ist ehrlich gesagt eine ziemlich ambivalente Geschichte. Als ich das am 15.9. erfahren habe, habe ich mich riesig gefreut, nicht nur über das Preisgeld, sondern vor allem über die Anerkennung für das ganze Team, die dahintersteht. Es ist ja immer schön zu merken, dass auch andere den eigenen Forschungsbereich spannend und relevant finden. Die Sichtbarkeit für das Projekt, die sich daraus ergibt, ist ebenfalls eine tolle Sache. Leider wurde das Ganze ziemlich getrübt, als die TU Dresden mir wenige Stunden später mitteilte, dass meine geplante Beschäftigung, eine Kombination aus Zukunftsvertragsstelle und Projektarbeit, vertragstechnisch nicht umsetzbar ist. Meines Wissens gibt es da Ängste vor Entfristungsklage und Auswirkungen des WissZeitVG. Insofern verlasse ich leider in Kürze die Universität und das Projekt wird damit sein Ende finden. Das ist natürlich super schade und mir stellt sich die Frage, was eine solch wunderbare Anerkennung bringt, wenn gleichzeitig die strukturellen Rahmenbedingungen im Wissenschaftsbetrieb eine Nachhaltigkeit solcher Projekte torpedieren.
Für was werden Sie das Preisgeld verwenden?
Wir wollten von dem Geld eigentlich noch vor Weihnachten eine kleine Winter School abhalten. Dort sollte es darum gehen, welche Auswirkungen die Transformationserfahrungen in Ostdeutschland und Tschechien seit 1989 auf die heutige Identifikation mit der Demokratie und dem politischen Gemeinwesen, insbesondere im Verhältnis lokaler, nationaler und europäischer Identität, haben. Ich finde es spannend, dass meine Studierenden oft in kürzester Zeit beim Ost-West-Thema sind, auch wenn sie überwiegend lange nach der Wende geboren wurden. So diskutierten wir in unserem ersten Uniworkshop darüber, ob in Ostdeutschland nun mehr oder weniger gesellschaftlicher Zusammenhalt herrscht und wie dieser Zusammenhalt mit zivilcouragiertem Handeln im Alltag zusammenhängt. Die Meinungen gingen auseinander. Das wollen wir weiter vertiefen. Coronabedingt werden wir nun aber im Dezember auf eine Zoom-Sitzung ausweichen und hoffen, die Veranstaltung im März wiederholen zu können. Das Preisgeld wird dann z.B. für die Verpflegung während dieses kleinen Workshops mit der UJEP ausgegeben werden.
Gibt es weitere Pläne für die Zukunft?
Im Juni haben wir einen ergänzenden Antrag zum projektbezogenen Personenaustausch über den DAAD eingereicht, der uns längere Forschungsaufenthalte an der jeweiligen Partneruniversität ermöglichen sollte. Das Projekt sollte inhaltlich an CouReg anschließen, indem wir untersuchen, wie „Grievances“ den Erfolg populistischer Parteien erklären können. Hierbei geht es um in der Bevölkerung wahrgenommene (vermeintliche) Ungerechtigkeiten und Leid, welche zum Kristallisationspunkt politischer Mobilisierung populistischer Parteien werden. Aber ich werde ja, wie gesagt, gar nicht mehr an der TU Dresden sein, deshalb weiß ich gerade gar nicht, was passiert, wenn der Antrag bewilligt würde.
Zusätzlich wäre es natürlich schön, wenn wir in der nächsten Förderphase das Projekt CouReg weiterführen könnten, wenn der Austausch der Lehrenden und der Studierenden zwischen unseren beiden Unis erhalten bleibt oder sich sogar intensiviert. Ich sehe da nur Vorteile, denn Seminare über die politischen Systeme Osteuropas sind bei unseren Studierenden stets der Hit; andersherum spielt das politische System Deutschlands für die tschechischen Kommilitonen eine große Rolle. Da Ústí nad Labem nur eine halbe Stunde von Dresden entfernt ist, wäre es eigentlich ziemlich schade, diese grenzüberschreitende Partnerschaft nicht zu pflegen.
Möchten Sie sonst noch etwas sagen?
Eine Stärke des Projektes ist das hohe Engagement der Studierenden. Ohne sie liefe da gar nichts. Nicht nur lassen sie allerhand Schabernack über sich ergehen, wenn wir die Methoden des Zivilcourage-Trainings an ihnen austesten, sie sind auch bereit ungewöhnliche und fordernde Prüfungsleistungen zu erstellen. Wir hatten z.B. Studierende, die Umfragen konzipiert und durchgeführt haben, andere haben aufwändige und qualitativ spitzenmäßige Podcasts erstellt, die wir wiederum mit der Öffentlichkeit teilen dürfen. Und andere führen eine Unterrichtsstunde durch und erstellen dafür alle Materialien, stimmen sich in Gruppen ab und leiten dann den Unterricht ganz eigenständig. All das geht weit über das normale Pensum eines Uniseminares hinaus und ich bin wirklich dankbar.