05.02.2019
Jobeinstieg für Historiker – eine schwierige Geschichte?
Erster Themenabend: »Geschichte studieren und dann Taxi fahren – von wegen!«
Beate Diederichs
Beim ersten Themenabend zu den Berufsperspektiven für Historiker stellten drei Vertreter von Berufen aus dem Öffentlichen Dienst ihre Tätigkeiten vor und beantworteten danach die Fragen des Publikums dazu. »Wir wollten den Anwesenden bekannte und weniger bekannte Berufsfelder zeigen, die für sie als Geschichtswissenschaftler infrage kommen«, sagt Organisator und Moderator Christian Ranacher vom Institut für Geschichte.
Was sagt ein arbeitsloser Geisteswissenschaftler zu einem Fachkollegen, der Arbeit hat? »Eine Currywurst bitte, Herr Professor!« Pessimisten erzählen diesen ewig jungen Witz über Philosophen, Sinologen und, ja, auch über Historiker. Doch Pessimismus ist fehl am Platz, was die Berufsperspektiven für Geschichtswissenschaftler angeht, betont Martin Jehne, Professor für Alte Geschichte am Institut für Geschichte der TU Dresden: »Historiker kommen durchaus unter, auch wenn sie nicht immer schnell etwas finden und das, was sie finden, nicht immer fachgetreu ist. Sie wissen, dass sie einen Studiengang ohne festes Berufsbild absolvieren und daher schon während des Studiums Kontakte knüpfen und ihr Profil schärfen müssen.« Die Veranstaltung mit dem kämpferischen Namen »Geschichte studieren und dann Taxi fahren – von wegen!« möchte genau dazu anregen: Das Publikum soll drei Berufsbilder aus dem Öffentlichen Dienst kennen lernen, die teils bekannt, teils weniger bekannt sind, den drei Vertretern dieser Berufsrichtungen Fragen stellen und Tipps von ihnen bekommen. »Der Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät und der Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften haben die Veranstaltung unterstützt«, sagt Organisator und Moderator Christian Ranacher, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Studienfachberater am Institut für Geschichte. Rund siebzig junge Männer und Frauen lauschten nun am Abend des 28. November 2018 gespannt im Vortragssaal der SLUB, was die drei Vertreter der Berufsfelder über sich berichten: Sylvia Wölfel hat Technikgeschichte, Neuere Geschichte und Politikwissenschaft studiert, promoviert und wissenschaftlich gearbeitet. Heute ist sie beim Landesamt für Verfassungsschutz tätig. Robert Mund hat einen Abschluss in Mittelalterlicher Geschichte, Philosophie und Slavistik und arbeitet beim Stadtmuseum Dresden und als Stadtführer. Martin Munke studierte Europäische Geschichte mit den Nebenfächern Germanistik und Evangelische Theologie und ist Abteilungsleiter bei der SLUB. Alle haben gemeinsam, dass sie den ersten Schritt ihrer akademischen Karriere an einer sächsischen Universität gegangen sind und sich fest in ihren Berufen etabliert haben, dabei aber manchen Umweg in Kauf nehmen mussten. »Für diesen ersten Themenabend haben wir Vertreter von Berufen aus dem Öffentlichen Dienst ausgewählt. Wir planen mittelfristig weitere Veranstaltungen, zu denen wir dann beispielsweise Kollegen einladen, die in der freien Wirtschaft arbeiten und vorher Geschichte studiert haben. Denn die Berufsperspektiven sind vielfältig«, kommentiert Christian Ranacher.
Dass mehr als 60 Interessenten zu dem Themenabend gekommen sind, freut den Organisator sehr. Die Anwesenden haben so viele Fragen an Sylvia Wölfel, Robert Mund und Martin Munke, dass die Diskussionszeit von einer Dreiviertelstunde fast nicht reicht: Braucht man einen Master oder reicht ein Bachelor? Welche geschichtliche Epoche macht als Spezialisierung den Berufseinstieg leicht? Ist es überhaupt empfehlenswert, Geschichte zu studieren, wenn man doch fachfremd arbeitet? Wieviel verdient man in den jeweiligen Berufen? Welche Soft Skills und Zusatzqualifikationen sollte man mitbringen, und wo erwirbt man die …? Robert Mund rät zu Praktika und Netzwerken, Martin Munke legt nahe, die IT-Kompetenzen zu erweitern, da die Arbeit in manchen Bereichen der Bibliothek heutzutage zu fünfzig Prozent Arbeit am Rechner sei. Sylvia Wölfel bestärkt die angehenden Historiker darin, an das zu glauben, was sie können. »Sie lernen im Studium, sich schnell und gründlich in Themen einzuarbeiten. Das ist in vielen Berufsfeldern gefragt. « Alle drei Experten betonen, dass sich der Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler und so auch für Historiker leicht verbessert habe, unter anderem, weil in vielen Jobs ein Generationenwechsel anstehe.
»Wir sind für die Veranstaltung sehr dankbar«, sagt Sophie Döring, Masterstudentin Geschichte im ersten Semester. Sie hat sich als erste aus dem Publikum zu Wort gemeldet und gleich mehrere Fragen gestellt. »Die meisten meiner Kommilitonen, mich eingeschlossen, haben schon etwas Angst vorm Berufseinstieg. Daher wollen wir gut darauf vorbereitet sein.« Ihr habe der Themenabend Orientierung gegeben, gezeigt, welche vielfältigen Berufsfelder es für Historiker gibt. »Außerdem war es in gewisser Weise beruhigend zu sehen, dass man mit unserem Studium auch auf Umwegen zu einer guten Position kommen kann.« Taxi oder Currywurstbude müssen es also nicht sein.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 01/2019 vom 15. Januar 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.