18.03.2022
“Nation-Building and the Creation of a 'New Community' in Contemporary Sri Lankan Art”
Noch immer ist Sri Lanka von den Ängsten und der Gewalt des Bürgerkrieges geprägt, der mehr als zweieinhalb Jahrzehnte dauerte. Aufgrund seiner geopolitischen Geschichte kann das Land vor allem aus postkolonialer Perspektive als Modellfall für den Umgang mit Diversität betrachtet werden. Insbesondere die zeitgenössische Kunst thematisiert dabei die zentralen Konflikte der vergangenen Jahrzehnte und verdeutlicht das Bedürfnis nach gesellschaftlicher, politischer und individueller Aufarbeitung – sowohl innerhalb des Landes als auch über seine Grenzen hinaus. Zu dieser aktuellen Thematik fand vom 9. bis 11. März 2022 unter dem Titel “The Art of New Alternatives” eine von der Professur für Englische Literaturwissenschaft organisierte und von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaft geförderte internationale Konferenz statt.
Nach der Eröffnung durch Prof. Roswitha Böhm (Vizerektorin für Universitätskultur) und Holger Seubert (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Sri Lanka) stand die Frage im Mittelpunkt, wie eine künstlerische Herangehensweise dazu beitragen kann, den konzeptuellen Raum möglicher Erfahrungen zu öffnen, die von Resilienz bis Leid reichen. Kunst ist dabei nicht nur ein Ventil, sondern auch ein Medium, welches es ermöglicht, das Unaussprechliche einzufangen und Gefühle zu transportieren, deren Wirkkraft Worte nicht gerecht werden können, oder Missstände anzusprechen, deren offene Artikulation schlichtweg zu gefährlich wäre – alles, ohne dabei sofort der Zensur zum Opfer zu fallen. Hierbei wurde interdisziplinär ein Blick auf Community- und Nation-Building, Identitätspolitik, Erinnerungskultur sowie Trauma-Arbeit geworfen. Dies war nicht zuletzt durch das hybride Veranstaltungsformat realisierbar, welches sowohl eine breite internationale Partizipation als auch eine Vielzahl an kulturellen Betrachtungsweisen ermöglichte. So erläuterte Prof. Benedikt Korf (Universität Zürich) die Nachwirkungen noch immer bestehender territorialer Ängste; Künstler und Kunsthistoriker Dr. Priyantha Udagedara (University of the Visual and Performing Arts, Colombo) legte dar, wie sri-lankische Nachkriegskunst traumatische Reminiszenz verkörpert, und Prof. Lars T. Waldorf (Essex Law School) sprach über “The Arts and Transitional/Transformative Justice in Post-War Sri Lanka”. Neben Geopolitik, bildender Kunst, Film und Performance wurden in insgesamt 20 Beiträgen auch im Literatur- und Filmbereich Schwerpunkte gesetzt. Prof. Neluka Silva (University of Colombo) untersuchte das sri-lankische Kino der Nachkriegszeit, Prof. Neloufer del Mel (University of Colombo) ging näher auf die „Ontologies of Morality in Anuk Arudpragasam’s A Passage North“ ein, während Prof. Stefan Horlacher und Thilini Meegaswatta (TU Dresden) ihren Fokus auf Ritual und Abjekt in The Story of a Brief Marriage richteten und Ruvani Ranasinha (King’s College London) die Darstellung von Gemeinschaft und Solidarität analysierte.
Ergänzt wurde die fachwissenschaftliche Diskussion durch einen Literatur- und Filmabend in der SLUB Dresden, der in Kooperation mit dem Erich Kästner Haus für Literatur stattfand. Die Lesungen der preisgekrönten Autorin Minoli Salgado und des indischen Journalisten Samanth Subramanian sowie die Vorführung eines Filmausschnittes des Human Rights-Anwalts und Filmemachers Visakesa Chandrasekaram wurden zu einem der Highlights der Konferenz und ermöglichten gleichzeitig einen Einblick in die direkte künstlerische Verarbeitung der Bürgerkriegsthematik Sri Lankas.
Autorinnen: Michelle Eperjesi u. Josephine Eckert