03.07.2015
Internationaler Workshop „Borderlands/Edgelands“ an der TU Dresden
Über Grenz- und Schwellenphänomene diskutierten die Teilnehmer des internationalen Workshops „Borderlands/Edgelands“ am 25. und 26. Juni 2015 im Festsaal des Rektorats der TU Dresden. In insgesamt 20 Vorträgen und mehreren Diskussionsrunden wurde im Lauf der zweitägigen Veranstaltung deutlich, welch unterschiedliche kulturelle Kodierung Grenzräumen zukommt. Dabei wurde dargestellt wie sich Gesellschaften in Grenzgebieten neu erfinden und aushandeln, wie sie mit Bedrohungen umgehen, aber gleichzeitig dieses Schwellenterritorium als potentiellen Raum zu Freiheit und Veränderung nutzen.
Im Mittelpunkt des Workshops standen sowohl wörtliche Grenzräume als auch metaphorische Überschreitungen symbolischer Grenzen. Deren Schlüsselstellung in aktuellen politischen Diskussionen bekräftige Stefan Horlacher, Organisator des Workshops, in seinem Eröffnungsvortrag. Die politische Brisanz des Themas wurde denn auch im Verlauf des Workshops immer wieder deutlich, etwa als Sprachwissenschaftler sprachliche Kontaktzonen und die Bedeutung von Sprachen über Ländergrenzen hinweg diskutierten. So betonte Joachim Scharloth (TU Dresden) in seiner Diskussion der Schweizer Sprachpolitik und der sprachlichen Grenzlandsituation im untersuchten Gebiet die politische Dimension der Linguistik, und warf dabei die Frage auf, ob das Schweizerhochdeutsch für die Schweizer Bevölkerung tatsächlich eine gleichberechtigte Varietät neben dem Standarddeutschen darstellt. Die Literaturwissenschaftler Wojciech Drąg und Anna Cichoń (Wrocław) hinterfragten die Stabilität vermeintlich rigider Gattungsgrenzen, etwa anhand der autobiographischen Romane des Nobelpreisträgers J.M. Coetzee, die unentscheidbar zwischen Fakt und Fiktion oszillieren.
Wie im Schwellenraum zwischen Land und Wasser Klassenschranken zeitweise ausgehebelt werden können, demonstrierte der Anglist Robert Troschitz (TU Dresden) in einem Beitrag zum englischen Tourismus des 19. Jahrhunderts. An den Stränden britischer Urlaubsmekkas wie Blackpool treten in der Badesaison nicht nur die Ängste der gehobenen Klassen zutage, der in besserer Garderobe auftretenden Unterschicht auf Augenhöhe zu begegnen. Es kommt auch innerhalb einer sozialen Klasse zur Angst vor kontrollierenden Blicken, wenn sich etwa die gesamte städtische Gemeinschaft am identischen Urlaubsziel wiedertrifft. Andere Vorträge widmeten sich räumlichen Grenzen im Westerngenre oder der marginalen Position Behinderter in Indien.
Der Workshop war von der Professur für Englische Literaturwissenschaft als Teil der Internationalisierungsstrategie der TU Dresden konzipiert und fand im Dialog des Bereichs Geistes- und Sozialwissenschaften mit Forschern der Universität Wrocław statt. Es waren auch Literatur-/Kulturwissenschaftler sowie Linguisten aus Indien, Nigeria, Großbritannien sowie den USA beteiligt. Die produktive Partnerschaft der beteiligten Universitäten soll eine Fortsetzung erfahren – vielleicht sogar schon im Herbst, und zwar in Wrocław.
Autor: Wieland Schwanebeck