01.07.2015
Von Handschriften und den Paulus-Briefen fasziniert
Prof. Dr. David Trobisch war von März bis Mai 2015 an der TU Dresden als Dresden Senior Fellows zu Gast. Trobisch wurde in Kamerun als Sohn von Missionaren geboren. Er legte sein Abitur in Österreich ab und nahm ein Studium der evangelischen Theologie in Heidelberg und Tübingen auf. Nach seiner Promotion und Habilitation unterrichtete er an verschiedenen Universitäten in den USA. Der 56-jährige Neutestamentler ist einer der führenden Experten für christliche Paläographie und für Textkritik des Neuen Testaments und seit 2014 Direktor der Green Collection in Oklahoma (USA). Wir sprachen mit Prof. Trobisch über seine Forschungen, seine Erlebnisse in Dresden und darüber, wie ein Professor dazu kommt, ein Kinderbuch zu schreiben.
Herr Prof. Trobisch, Sie sind ja nicht zum ersten Mal in Dresden. Gefällt Ihnen die Stadt immer noch?
Die Stadt hat mich sehr beeindruckt. Ich war in den 90er Jahre das erste Mal hier und es fasziniert mich, was sich aller hier entwickelt hat. Die Atmosphäre in der Bibliothek hat sich sehr gewandelt. Früher hatte sie eher den Charakter des Archivarischen, man wollte nicht unbedingt Zugang zu den Quellen geben. So haben wir damals drei Jahre gebraucht, um Zugang zum Codex Boernerianus zu erhalten. Heute stehen einem bei wissenschaftlichen Interessen Tür und Tor offen.
2003 was ich dann als Gastwissenschaftler an der TU Dresden tätig und dabei stieß ich auf eine bislang unbekannte Psalmenhandschrift in den Beständen der SLUB, die ich nun genauer untersuchen möchte.
Wie ist Ihr Kontakt zur TU Dresden entstanden?
Ich kenne die TU Dresden durch Prof. Matthias Klinghardt. Wir kennen uns schon sehr lange, da wir gemeinsam in Heidelberg promoviert haben. Wir haben von Anfang an gleiche Interessen verfolgt und mit der Zeit ist eine tiefe Freundschaft entstanden, die auch mit einem kollegialen Gedankenaustausch verbunden ist.
Ihr Leben spielt sich ja auf verschiedenen Kontinenten ab.
Ja, ich bin in Afrika geboren, dann nach Österreich gezogen und habe in Deutschland studiert. Vor zwanzig Jahren sollte ich eine Professur in den Vereinigten Staaten für drei Monate vertreten, daraus wurden dann zwanzig Jahre. Dann war ich sechs Jahre als Handschriftenexperte selbstständig und seit einem Jahr bin ich wieder in Anstellung als Direktor des Museums in Oklahoma. Meine Frau und ich haben eine Wohnung in Deutschland, eine in Missouri, in Oklahoma und der Arbeitsplatz ist eigentlich in Washington. Wir sind also sehr viel unterwegs, aber nach Deutschland kommen wir regelmäßig, da unser Sohn und die Enkel in Heidelberg leben.
Ich habe gelesen, dass Sie ein Kinderbuch geschrieben haben über das Erwachsenwerden (Aufwachsen) in Afrika. Wie kommt man dazu ein Kinderbuch zu schreiben?
Das ist eher zufällig entstanden. Meine Mutter bekam damals das Angebot eines Verlages, ein Kinderbuch zu schreiben. Da ihr das sehr schwer gefallen ist, habe ich ihr versprochen, dieses Buch zu schreiben. Als ich dann vier Wochen lang durch eine Blinddarmentzündung nicht in die Schule gehen konnte, habe ich dann das Buch geschrieben. Ich war damals zehn Jahre alt, als es in Druck ging. Es wird heute immer noch verlegt und ich lese sehr gern daraus vor. Entweder im Kindergarten oder im Altersheim (lacht).
Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Briefe des Paulus, die Entstehung der Bibel und Bibelhandschriften. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Diese Faszination war weniger eine bewusste Wahl als vielmehr ein Entwicklungsprozess. Bereits in meiner Magisterarbeit habe ich mich den Paulus-Briefen befasst und dieses später auch in meiner Promotion bearbeitet. Die Paulus-Briefe sind die einzigen Texte des Neuen Testaments, die man einer einzigen Person zuschreiben kann und die einen Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen dahinter zeigen. Paulus war ein sehr gläubiger Jude, der sich streng an die mosaischen Gesetze hielt und sich im Laufe seines Lebens aber immer mehr dahin entwickelte, dass er an den Messias glaubte, ohne jedoch davon zu sprechen, dass er Christ sei. Diese Themen und die Biografie von Paulus faszinieren mich immer noch.
Gab es gemeinsame Forschungsprojekte mit der TU Dresden?
Ja. In meiner Forschung habe ich versucht Aussagen über die ältesten Fassungen des Neuen Testaments zu finden. Als Handschriftenexperte bin ich der Frage nachgegangen, wie weit man das Neue Testament zurückverfolgen kann. Vor 20 Jahren habe ich konnte herausgefunden, dass es bis ins Jahr 150 zurückgeht. Diese Entdeckung war damals ziemlich sensationell, weil man davon ausging, dass das ein Prozess war, der erst im 4. Jahrhundert abgeschlossen war. Diese Entdeckung faszinierte Prof. Klinghardt, sodass er Gedanken aufnahm, die in der Forschung bis dahin noch nicht verfolgt wurden. Er konzentrierte sich auf die Frage, ob es denn Ausgaben des Neuen Testaments gibt, die noch älter sind und so spezialisierte er sich auf das Evangelium des Marcion aus dem 1. Jahrhundert. Über diese Forschungsarbeit hat Matthias Klinghardt eben ein Buch veröffentlicht. Sensationell ist diese 1000-seitige Publikation deshalb, weil sie belegt, dass die uns bekannte Bibel eine Ausgabe aus etwa dem 2. Jahrhundert ist, die bearbeitet und somit zu einer bestimmten Zeit für bestimmte Leute geschrieben wurde. Und wenn man dann ein Evangelium hat, das älter ist als diese Ausgabe und den damaligen Bearbeitern bekannt war, dann kann man viel besser verstehen was die Menschen bewegt hat.
Für die Theologie ist diese Entdeckung etwas sehr Wichtiges, da sie belegt, dass die Bibel nichts Statisches ist, sondern sich immer wieder verändert und der Pfarrer in seiner Predigt dazu aufgerufen ist, biblische Aussage auf heutige Probleme anzuwenden. Natürlich gibt es dabei auch einige, die solche neuen Entdeckungen gar nicht wollen, da sie sich mit dem Alten arrangiert haben.
Was haben Sie während Ihres Aufenthalts in Dresden vor und wie finden Sie das DRESDEN Fellowship-Programm?
Mein Aufenthalt hier ist ausschließlich der Forschung vorbehalten. Außerdem will ich neue Kontakte knüpfen und vorhandene intensivieren, so zur SLUB und zu Dr. Juan Garces, den ich schon von einem Projekt aus London kenne. Mit ihnen zusammen könnte ich mir vorstellen, eine Ausstellung zu realisieren, entweder zu Handschriften oder zu Paulus-Briefen. Für solche Kontakte sind die Voraussetzungen in Dresden sehr gut. Ich suche aber auch sehr intensiv das Gespräch mit Mitarbeitern und Doktoranden der evangelischen Theologie. Wir lesen zusammen außerbiblische Evangelien und versuchen gemeinsam, neue Perspektiven zu entwickeln. Das ist nächste Generation von Wissenschaftlern und bin sehr froh mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Wenn es Fellowships an Universitäten gibt, entstehen daraus meist nachhaltige Beziehungen für alle Beteiligten. Daher finde ich das Programm es sehr gut. Ich hatte ja schon persönlich Kontakt durch Matthias Klinghardt an die TU Dresden und ich bin sehr gern nach hierhergekommen.
Werden Sie nach Dresden zurückkommen?
Ja, auf jeden Fall, Ich mag die Handschriftenabteilung in der Bibliothek sehr. Mich interessieren als Handschriftenexperte auch mittelalterliche Musikhandschriften, die in Dresden vorbildlich archiviert sind. Es gibt hier so genannte Chorhandschriften zu Themen der Bibel, beispielsweise der Passion. Ich könnte mir vorstellen, hier eine Ausstellung zu konzipieren, die Weltklasseformat hat, denn die Sammlung hier ist einzigartig. Außerdem kann ich mir vorstellen, für unser Museum Praktikantenplätze für Studierende und Promovenden zur Verfügung zu stellen.
Was würden Sie Studenten der Theologie oder Geschichte mit auf den Weg geben?
Es wird einem immer erzählt, es gibt keine Stellen, wenn man Geisteswissenschaften studiert. Ich habe in meinem Leben das Glück gehabt, das zu tun, was ich wollte und nicht nur darauf zu achten, Geld zu verdienen. Aber natürlich gab es einige Zeiten, in denen es finanziell schwierig war. Dafür benötigt man den Rückhalt der Familie. Was ich immer als große Hilfe empfand, waren Sprachkenntnisse. Es empfiehlt sich immer, neben Deutsch und Englisch eine weiter, eventuell alte, Sprache zu beherrschen.
Herr Dr. Trobisch, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jana Höhnisch im April 2015.