14.08.2015
Was lehrt uns die antike Welt?
Prof. Michael Fronda war im Sommer 2015 zu Gast am Institut für Geschichte bei Prof. Martin Jehne. Fronda ist Historiker und spezialisiert auf die Römische Republik. Er untersucht die Beziehungen zwischen Rom und Italien, aber auch zwischen den italienischen Einzelgemeinden. Wir sprachen mit ihm über seine Forschung und seine Erlebnisse in Dresden.
Sie sind ja nicht zum ersten Mal in Dresden. Wann haben Sie die Stadt kennengelernt und wie gefällt Ihnen Dresden?
Dresden habe ich während meines Forschungsaufenthalts 2011/2012 kennengelernt. Ich war damals für 14 Monate als Alexander von Humboldt Stipendiat an der TU Dresden. Ich finde Dresden sehr schön und es ist inzwischen unsere zweite Heimat geworden. Seit meinem ersten Besuch hier suche ich immer nach Möglichkeiten, nach Dresden zurückzukommen.
Sind Sie mit Ihrer Familie hier?
Ja, ich bin mit meiner Frau und meinen drei Töchtern hier. Ich finde, die Stadt und die TU Dresden ist sehr familienfreundlich. Das war auch 2010 schon so. Eine Woche nachdem ich die Zusage für das Stipendium bekommen habe, sagte mir meine Frau, dass sie schwanger ist. Für die TU Dresden und die Alexander von Humboldt Stiftung war es überhaupt kein Problem. Ich bin einfach ein Jahr später nach Deutschland gekommen.
Wie sind Sie mit der TU Dresden verbunden?
Ich kenne die TU Dresden durch Prof. Martin Jehne. Wir haben uns das erst Mal 2006 in Montreal auf einer Konferenz getroffen. 2007 haben wir uns dann in Zaragoza auf einer Konferenz wiedergesehen. Seitdem haben sich unsere Wege ständig gekreuzt.
Als Dresden Senior Fellow sind Sie auch an der Lehre beteiligt. Haben Sie schon einen Kurs/Vorlesung/Seminar gegeben? Wie war das für Sie? Wie haben Sie die Studierenden erlebt?
Ich habe ein Seminar und einen Vortrag hier gehalten und ich finde das Publikum hier an der TU Dresden, also die Studierenden, sehr engagiert. Meinen Vortrag habe ich auf Englisch gehalten und im Anschluss fand eine wirklich interessante Diskussion statt. Die Fragen, die die Studenten gestellt haben, waren einfach super. Wir haben dann sogar beim Abendessen im Restaurant weiter diskutiert.
Sie sind ja ein Spezialist für das römische Italien. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Mich haben schon immer zwischenstaatliche Beziehungen interessiert und die diplomatische Geschichte finde ich faszinierend. Das Hauptthema meiner Forschungen ist immer gleich geblieben: die antike Welt, speziell die Römische Republik. Ich untersuche, wie die Römer sich selbst sehen, wie sie in den italienischen Städten und anderen Gemeinden wahrgenommen werden und wie die Beziehungen zwischen beiden gestaltet sind. Zu Rom und den Römern wurde bereits viel geforscht, aber die italienischen Einzelgemeinden und deren Beziehungen untereinander und zu Rom sind noch wenig erforscht. Mich interessiert was die Menschen in der damaligen Zeit gedacht haben, also die lokale Perspektive auf globale Probleme.
Außerdem finde ich Fragen interessant, die schwer zu beantworten sind. Wenn man z. B. die Beziehungen zwischen Rom und italienischen Einzelgemeinden oder zwischen diesen Gemeinden in der Antike untersuchen möchte, dann steht das nicht einfach so in den vorhandenen Quellen. Man muss zwischen den Zeilen lesen und man findet hier und da kleine versteckte Hinweise, die einem weiterhelfen. Und wenn man dann noch die Perspektive wechselt – z.B. auf die lokale Ebene geht, ergeben sich Erkenntnisse und die Frage lässt sich beantworten.
Außerdem habe ich zu Italien eine persönliche Verbindung. Ich bin italienischer Amerikaner und dass ich an italienischen Themen arbeite, ist also kein Zufall. Es ist Schicksal. Persönlich mag ich die antike Welt sehr gern. Und bei meiner Forschung hoffe ich immer, dass uns die antike Welt etwas lehren kann und dass wir von den Römern etwas lernen können.
Sie sagten, Sie forschen zu zwischenstaatlichen Beziehungen im römischen Italien. Was bedeutet das? Wie untersuchen Sie das Thema?
Eine Teilfrage aus meinem Forschungsgebiet ist die „Performance of Power“ und der zugrundeliegende Prozess. In der antiken Welt gab es in Italien viele selbstständige Städte, die oft Krieg gegeneinander geführt haben. Erst mit der Entstehung der römischen Republik entwickelte sich eine Art Nationalstaat. Ähnlich wie in Deutschland mit Bismarck haben die Römer Italien politisch und kulturell geeint. Aber wie verlief dieser Prozess im antiken Italien und können wir daraus Lehren für heute ziehen?
Viele Forscher haben dazu bereits geforscht, es ist also nichts Neues. Aber mein Ansatz ist anders. Ich habe Interesse an politischen und sozialen Ritualen und Verhalten. In den USA wird vor jedem Sportspiel die Nationalhymne gespielt und jedes Mal stehen alle auf. Es gibt keine Polizei, die das kontrolliert. Es ist ein Ritual, das alle prägt und aus dem sich ein bestimmtes Verhalten entwickelt hat. Durch bestimme Rituale und Prozesse haben die Italiener das Römische Recht mit der Zeit akzeptiert. Es wurde immer normaler, dass die Römer politische und militärische Macht hatten. Das geht auch aus der Inschrift „Sententia Minuciorum“ hervor, die ich untersucht habe. Diese Inschrift enthält das Urteil zweier römischer aristokratischer Brüder über einen Grenzstreit zwischen zwei italienischen Gemeinden. Um den Streit zu schlichten, haben die Städte in Rom angefragt. Das ist interessant, denn früher wurden diese Konflikte durch Krieg gelöst. Warum sie das getan haben, ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Es kann aus Angst vor den Römern sein oder, was wahrscheinlicher ist, weil sie es als Roms Aufgabe angesehen haben. Die Inschrift enthält den kompletten Schiedsspruch und zusätzlich noch die Anweisung, dass Vertreter der Städte nach Rom kommen sollen um das Urteil zu hören. Diese Präambel ist sehr faszinierend, denn das Urteil ist ja bereits allen bekannt. Also warum soll noch jemand nach Rom kommen um es zu hören? Die Verlesung des Schiedsspruchs in Rom war ein Ritual und ließ das Urteil rechtskräftig werden. Die Aufforderung nach Rom zu reisen, war also eine Demonstration der Macht von Rom.
Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?
Ich habe zu spät begonnen eine Fremdsprache zu lernen. Das ist für Amerikaner ja kein Problem, denn überall wird Englisch gesprochen. Und in den USA ist es nicht so wie in Deutschland, wo jeder in der Schule eine Fremdsprache lernt. Als Doktorand habe ich gelernt Deutsch und Französisch zu lesen, aber nicht zu sprechen.
Als ich 30 war, habe ich dann ein Stipendium erhalten, mit dem ich Italienisch lernen konnte. Deutsch sprechen habe ich erst bei meinem Aufenthalt in Dresden gelernt. Hier konnte ich durch die Humboldt-Stiftung an einem Deutschkurs am Goethe-Institut teilnehmen. Der Kurs ging 2 Monate und seitdem versuche ich bei jeder Gelegenheit Deutsch zu üben.
Es ist einfacher als Kind eine zweite Sprache zu lernen. Meine Töchter sind 2, 4 und 6 Jahre alt. Sie haben eine Tagesmutter, die nur Französisch mit ihnen spricht. Und mit uns sprechen sie Englisch. In der Schule müssen sie dann auch Französisch sprechen. Kanada hat ja zwei offizielle Sprachen: Englisch und Französisch. Alle drei Mädchen sprechen jetzt schon beide Sprachen perfekt.
Wird es gemeinsame Projekte mit der TU Dresden und Prof. Jehne geben?
Es gibt aktuell kein spezielles Projekt, an dem wir arbeiten, aber wir tauschen uns ständig aus. Auf jeden Fall wollen wir die Zusammenarbeit zwischen der TU Dresden und Montreal ausbauen. Wir diskutieren gerade Ideen zu einem regelmäßigen Austausch von Studierenden, Doktoranden und Postdocs.
Werden Sie wieder nach Dresden kommen?
Ich hoffe sehr, dass ich wiederkommen kann. Im Moment gibt es noch keine konkreten Pläne. Es besteht aber die Möglichkeit mit der Alexander Humboldt Stiftung nochmal für eine Nachrecherche hierher zu kommen. An meiner Universität kann man alle 7 Jahre ein Sabbatical machen. Ich kann das in 3 Jahren machen und dann würde ich gern einen Teil dieser Zeit in Dresden verbringen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jana Höhnisch am 5. August 2015