21.11.2017; Vortrag
Ringvorlesung: Machtvolle Sprache(n). Perspektiven auf sprachliche Bildung in Schule und AusbildungMacht, Sprache, Wissen in der Mathematik: Betrachtungen zu den Besonderheiten mathematischer Sprache und Konsequenzen für den Mathematikunterricht
01069 Dresden
ABSTRACT
Mathematik wird manchmal als Königin und gleichzeitig als Dienerin der Wissenschaften bezeichnet. Als Königin ist sie machtvoll per se; als Dienerin stellt sie vielen Wissenschaften das Instrumentarium für die Konstruktion und die Repräsentation von Wissen zur Verfügung. Sie bedient sich dabei einer stark klassifizierten, das heißt deutlich von anderen Sprachen abgegrenzten Sprache, in der sich Symbole und graphische Darstellungen mit gesprochenem und geschriebenem Deutsch verbinden. Diese Sprache in ihren Besonderheiten genauer zu beschreiben und aus der Beschreibung Konsequenzen für den Mathematikunterricht abzuleiten, ist das Ziel des Vortrags. Dazu wird entlang dreier Schritte verfahren. Zunächst gehe ich kurz auf das gesellschaftliche Gewicht von Mathematik ein, das sich, neben der enormen Bedeutung von Mathematik für die fortschreitende technologische Entwicklung, grob in den Kategorien der Beschreibung, der Vorhersage und der Vorschrift fassen lässt. Im Hauptteil des Vortrags betrachte ich dann einige interne Funktionsmechanismen mathematischer Begriffsbildung und die hierbei zu beobachtenden sprachlichen Konstruktionsprozesse. Zu diesem Zweck bediene ich mich sowohl funktionallinguistischer als auch mathematikdidaktischer Analysen und Konstrukte. Als zentral erweist es sich hierbei, einen Prozess der Reifikation (oder: Verdinglichung) abstrakter mathematischer Objekte zu fokussieren, der sich in dem besonderen technischen Wortschatz und in den speziellen grammatischen Eigenschaften mathematischer Sprache, in der mathematisches Wissen repräsentiert ist, niederschlägt. Dieser Prozess wird im Vortrag an mehreren schulmathematisch relevanten Beispielen erläutert. Der letzte Teil des Vortrags stützt sich auf die Videographie einer Lehrerin in ihrem Unterricht einer sechsten Klasse bei dem geplanten Versuch, den Schülerinnen und Schülern den Erwerb schulmathematischer Fachsprache zum Thema der proportionalen Zuordnungen, auch über die Ebene einzelner schulmathematischer Termini hinaus, zu erleichtern. Abschließend möchte ich diskutieren, welche Schlüsse über das Verhältnis von sprachlicher und mathematischer Bildung sowie über entsprechend zu gestaltende Bildungsprozesse aus dem Berichteten gezogen werden können.
Moderation: Dr. Torsten Andreas (Deutsch als Fremdsprache, TU Dresden)