05.12.2017; Vortrag
Ringvorlesung: Machtvolle Sprache(n). Perspektiven auf sprachliche Bildung in Schule und AusbildungSprache und Macht im Fach Deutsch als Fremdsprache - postkoloniale Perspektiven
01069 Dresden
ABSTRACT
Das Fach Deutsch als Fremdsprache versteht sich von je her als „Kind der Praxis“ und sieht den engen Bezug zur Praxis als konstitutiv für sein wissenschaftliches Selbstverständnis an. Dabei gilt die ‚Praxis‘ des Lehrens und Lernens des Deutschen in vielen Ländern der Welt als selbstverständliche Gegebenheit, die selten auf ihre politischen, ökonomischen und kulturellen Hintergründe und Rahmenbedingungen hin befragt wird.
Der Vortrag wird von diesem Selbstverständnis von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ausgehen und zunächst zeigen, dass dabei ein verkürztes und eher technisch aufgefasstes Verständnis der Beziehung von ‚Praxis‘ und ‚Wissenschaft‘ vorherrscht, wonach ‚Praxis‘ ausschließlich als konkrete Praxis des Lehrens und Lernens des Deutschen und ‚Wissenschaft‘ als Erarbeitung von nicht weiter hinterfragbarem Orientierungswissen für diese Praxis aufgefasst, ein umfassenderes Verständnis von Wissenschaft als kritische Reflexion einer immer auch politischen Praxis aber völlig ausgeblendet werden.
Von hier aus wird dann – ausgehend von einer Diskussion der einschlägigen machtkritischen Begrifflichkeit (‚Postkolonialismus‘, ‚Rassismus‘, ‚Linguizismus‘) – zu zeigen sein, dass und inwiefern der für das Fach als maßgeblich aufgefasste kultur- und bildungspolitische Diskurs über Sinn und Notwendigkeit des Lehrens und Lernens des Deutschen in aller Welt in der Tat blinde Flecken im Hinblick auf die realen politischen, ökonomischen und kulturellen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse aufweist und sich – aller Rhetorik des Dialogs und der Partnerschaft auf Augenhöhe ungeachtet – mehr oder weniger unverblümt am Interesse an deren Aufrechterhaltung orientiert. Von hier aus wird dann abschließend die Frage zu stellen sein, ob und inwiefern diese spätkolonialen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, die einerseits das weltweite Interesse am Deutschen befördern und die andererseits von der Verbreitung deutscher Sprachkenntnisse wiederum gestützt werden, im Diskurs zum wissenschaftlichen Selbstverständnis des praxisbezogenen Faches Deutsch als Fremdsprache reflektiert werden. Dabei kann und soll es natürlich nicht darum gehen, die Maßnahmen zur Verbreitung des Deutschen und damit letztlich auch das eigene Tun grundsätzlich in Frage zu stellen, vielmehr richtet sich der kritische Blick primär auf das wissenschaftliche und zugleich praxisbezogene Selbstverständnis des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und dessen bislang weitgehend fehlende Bereitschaft, die eigene Verstrickung in spätkoloniale Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse offen und (selbst-)kritisch zu reflektieren.
Moderation: Dr. Michael Dobstadt (TU Dresden