09.01.2018; Vortrag
Ringvorlesung: Machtvolle Sprache(n). Perspektiven auf sprachliche Bildung in Schule und AusbildungBroken Promises? - Deutschkurse als Teil der Kräfteverhältnisse in den Migrationsgesellschaften Deutschland und Österreich
01069 Dresden
ABSTRACT
Migrant.innen – und damit sind nicht die angeworbenen internationalen Fachkräfte großer Unternehmen und Universitäten gemeint - die es schaffen, die umfangreichen gesetzlichen Hürden zu überwinden, nach Österreich oder Deutschland einzuwandern und hier eine Zeit lang bleiben zu dürfen, werden durch die sie umgebende Gesellschaft wie auch durch strikte staatliche Maßnahmen dazu aufgefordert, die deutsche Sprache zu erlernen. Beide Nationalstaaten definieren sich als monolingual deutschsprachig– auch wenn Millionen von Menschen in diesen Ländern weit mehr als nur eine Sprache sprechen und Deutsch für viele eher die Zweit-, Dritt- oder gar keine relevante Sprache im Alltag ist. Die Forderung nach dem Erlernen der deutschen Sprache geht dabei einher mit dem oft uneingelösten Versprechen, dass diese die Eintrittskarte zum Arbeitsmarkt sowie die Voraussetzung für Respekt und Anerkennung durch die Mehrheitsgesellschaft sei. Welches Segment des Arbeitsmarktes sich öffnet und welches verschlossen bleibt, wie unerreichbar das Deutschniveau, welches wirklich auf volle Akzeptanz stößt, für erwachsene Migrant.innen eigentlich ist – das bleibt unerwähnt….
Die wichtigsten Forschungsfragen der vorzustellenden qualitativen Studie, die sich mit Deutschkursen für Migrant.innen und Geflüchtete in Deutschland und Österreich befasst, lauten: Welches normative ‚Wissen‘ wird den Lernenden vermittelt und auf welche Weise geschieht das? Wie reagieren Lernende auf das hidden curriculum der Kurse und wie ist es sowohl Lehrenden als auch Lernenden möglich, in den Widerstand dazu zu gehen? Im Rahmen von Teilnehmenden Beobachtungen, Interviews mit Kursleitungen und einer Diskursanalyse von staatlich lizensierten Lernmaterialien, kann gezeigt werden, wie und welche europäischen Normen reproduziert und stabilisiert werden, aber auch wo Widerstandsräume sind um nicht ausschließlich den hegemonialen Zugriff zu reproduzieren. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, es können daher im Rahmen des Vortrags nur erste Zwischenergebnisse vorgestellt werden. Diese machen deutlich, dass unter anderem drei verschiedene miteinander verwobene Subjekttypen im Kursgeschehen hergestellt werden – a) Das ökonomische Subjekt, dass sich an die Bedürfnisse des nationalen neoliberalen Arbeitsmarktes anpasst, b) das unterwürfige Subjekt, dass sich den Normen und Regeln unterordnet, ohne über einen Handlungsspielraum zu verfügen, der eine volle Partizipation ermöglichen würde und c) das geanderte Subjekt, das dem nationalen WIR, als Spiegelfläche dient, in dem sich das Wir moralisch gut, zivilisiert und überlegen fühlen kann, während das im Außen verortete Subjekt, das zum Nicht-Wir gehört, als ‚zu entwickelnd‘ konstruiert wird.
Moderation: Dr. Hannes Schweiger (Universität Wien)