23.01.2018; Vortrag
Ringvorlesung: Machtvolle Sprache(n). Perspektiven auf sprachliche Bildung in Schule und AusbildungSprechen über fremd gemachte Andere. Migration und Geschlecht als Schauplätze kulturrassistischer Artikulationen und Gegenstimmen
01069 Dresden
ABSTRACT
Geschlechterverhältnisse sind zum Schauplatz für migrationsfeindliche Artikulationen geworden, die nationalkulturalistisch und kulturrassistisch gerahmt sind. Auf der globalen politischen Bühne und im nationalen Kontext werden Geschlechteridentifizierungen, nationale und kulturelle Zuordnungen für Identitätsmarkierungen in Stellung gebracht, um gegen die von einigen als Zumutungen empfundene Wirklichkeit der globalisierten pluralen Gesellschaften anzugehen. Auf geschlechterbezogenen Feldern entfalten sich aktuell insbesondere antimuslimische und islamfeindliche Ressentiments. In ihnen kommt eine verbreitete Sehnsucht nach national-kultureller Identität zum Ausdruck. Der Vortrag bezieht sich auf die Impulse kritischer Genderforschung, die Uneindeutigkeit von Geschlecht anzunehmen und sich jeder Vereindeutigung zu widersetzen. Die darin zum Ausdruck kommende Abkehr von Identitätsordnungen bietet eine theoretische Grundlage für die Kritik an rechtspopulistischen und kulturrassistischen Artikulationen in der Gegenwart.
Im Zusammenhang des Aufstiegs und der Etablierung neonationalistischer Denkmuster werden die Stimmen in der Öffentlichkeit lauter, die Vorbehalte gegen Einwanderung und Globalisierung äußern. Sie werden besonders ernst genommen, wenn sie mit Ängsten ausgestattet sind. Angst ist zu einer Legitimation für Migrationsfeindlichkeit geworden, und diese behauptete Angst wird geschlechtlich codiert als eine Angst vor dem „fremden“ Mann und um die „eigene“ Frau. Der Feminismus erweist sich in dieser Lage als ausgesprochen flexibel zu beanspruchen, für reaktionäre wie für progressive Positionen. Er dient der Behauptung zivilisatorischer Überlegenheit, wenn seine antirassistischen Traditionen und sein globaler emanzipatorischer Anspruch ausgeschlossen werden.
Der Vortrag reflektiert auf der Grundlage rassismuskritischer Migrationspädagogik und eines differenzreflexiven Feminismus aktuelle kulturrassistische Praktiken, die sich gegen als fremd markierte Frauen und Männer richten und skizziert die Zusammenhänge von Sexismus und Kulturrassismus im Kontext aktueller migrationsfeindlicher Proklamationen. Ansatzpunkte für eine rassismuskritische Reflexivität im Umgang mit migrationsbezogenen Bezeichnungen und Ausdrucksformen werden vorgestellt. Sprache, Sprechen und Bezeichnen sind machtvolle Instrumente, die die Wirklichkeit rahmen und den Raum der Wahrnehmung strukturieren. Anhand der öffentlichen Thematisierungen von Verschleierung problematisiert der Vortrag das Sprechen über Andere, die zu Fremden gemacht werden und skizziert Konturen für eine geschlechterbewusste Kritik des Kulturrassismus.
Moderation: Dr. Michael Dobstadt (TU Dresden)