Apr 25, 2023
"Krise und Kritik im Zeitalter der Katastrophen"
Wenn heutige Zeitdiagnosen von den „multiplen Krisen der Gegenwart“ sprechen, stellt sich die Frage, ob der Krisenbegriff tatsächlich noch so gebraucht werden kann, wie ihn die Sozialwissenschaft lange Zeit konturiert hat: als periodisch wiederkehrendes Störungsmoment sozialer Ordnungen und gesellschaftlicher Funktionsbereiche, an die sich nach durchgestandenen pathologischen Zuspitzungen Normalisierungsphasen anschließen, die kaum etwas anderes sind als Inkubationszeiten für nächste Krisen, die nicht lange auf sich warten lassen. In diesem Sinne werden Krisen in der Soziologie auch als die eigentlichen Normalzustände moderner Gesellschaften verstanden. Was aber, wenn sich Krisen unaufhörlich akkumulieren, untereinander verkoppeln, durch ganze Systemzusammenbrüche und disruptive Ereignisse mit irreversiblen Konsequenzen verbunden sind, wie sich dies vor allem in der ökologischen Krise vollzieht? Was bedeutet dies für „Krisen“ der Sache nach und für den Krisenbegriff?