Arbeitsbereiche des Forschungsprojekts
Das Forschungsvorhaben gliedert sich in die drei Arbeitsbereiche „Wissensnetzwerke“, „Wissensanwendungen“ und „Wissensorte“.
Wissensnetzwerke
Der erste Bereich „Wissensnetzwerke“ fokussiert die Genese, die konkreten Verwendungszusammenhänge und Verbindungen von Wissenspraktiken aus prosopografischer Perspektive und nutzt hierfür auch Instrumente der Digital Humanities und des Data Mining, die in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden projektspezifisch weiter präzisiert und entwickelt werden. Grundlage und gleichzeitig Produkt dieses Zugangs wird eine Datenbank sein, die Wissensbestände personell, thematisch, fachlich und auch örtlich clustert und ihre Verwendung und Zitation verfolgt. Damit ist es möglich, die Verbreitung und auch den Abbruch von Wissenstransfers nachzuvollziehen sowie personelle und generationelle Clusterbildungen und Netzwerke zu identifizieren die Grundlage und Ausgangspunkt weiterer Analyse werden.
Ziel des Bereiches „Wissensnetzwerke“ ist es, Verbreitungs- und Verteilungswege des an der TH Dresden produzierten Wissens zu rekonstruieren, um dessen Beitrag zur dynamischen Entwicklung von Machtkonstellationen und Herrschaftspraktiken in der Universität selbst wie in der Gesellschaft insgesamt zu verstehen. Auf dieser Grundlage, so die Ausgangsüberlegung, lassen sich Aussagen über die Rolle der Hochschule vor allem im Nationalsozialismus und darüber hinaus während politischer Systemwechsel präzisieren und substanziieren.
Wissensanwendungen
Der zweite Bereich „Wissensanwendungen“ untersucht für die TH Dresden in einzelnen Fallstudien die konkreten, in der jeweiligen Zeit politisierten Anwendungszusammenhänge von Wissenspraktiken. Hierbei stehen insbesondere die genuinen Verwendungszusammenhänge im Kontext des Nationalsozialismus im Fokus. Gleichzeitig ermöglicht der Blick auf die Transformationsphasen die Identifikation von Persistenzen, Pfadabhängigkeiten und Brüchen. Die Entwicklung Technischer Hochschulen in Deutschland ist unmittelbar mit der Nachfrage nach und Förderung von im engeren Sinne rüstungs- und kriegsrelevantem Wissen durch Staat, Gesellschaft und Militär verknüpft. Aber auch solche Anwendungszusammenhänge, die mittelbar für die mit der NS-Diktatur einsetzenden Kriegsvorbereitung von Bedeutung waren, indem sie für deren Wirtschafts-, Versorgungs- und Bildungspolitik verwertbares Wissen bereitstellten, gilt es in den Blick zu nehmen und in ihren personellen und politischen Dimensionen zu verstehen.
Die These einer „Selbstmobilisierung“ der Wissenschaften im Nationalsozialismuswurde in der zeithistorischen Forschung vielfach bestätigt sowie durch das Konzept von Politik und Wissenschaft als „Ressourcen für einander“ erweitert. Hier stellt sich die Frage, ob die TH Dresden als „Normalbetrieb“ oder als dem Nationalsozialismus paradigmatisch dienstbare Hochschule einzuschätzen ist. An dieser Stelle verschränkt sich der Bereich „Wissensanwendungen“ produktiv mit dem Arbeitsbereich „Wissensnetzwerke“, um ausgehen von einer vielschichtigen und komplexen Wissensbasis der zentrale Frage, welchen Beitrag die TH Dresden und ihr Personal zur nationalsozialistischen Ausgrenzung- und Vernichtungspolitik zu verantworten hat, nachzugehen.
Wissensorte
Der dritte Arbeitsbereich „Wissensorte“ untersucht die räumliche Gebundenheit von Wissenspraktiken und die Diffusion von Wissen. Dabei werden Praktiken und Rituale der Wissensgewinnung und -vermittlung anhand spezifischer Orte und Medien analysiert. Dieser Zugriff geht davon aus, dass Wissensordnungen über die materielle Verfasstheit von Wissensgewinnung und Wissensvermittlung strukturiert werden. Als solche Orte lassen sich die wissenschaftlichen Sammlungen sowie die Bibliothek der TH Dresden beschreiben. Beide fungierten als zentrale Infrastruktureinrichtungen für die Forschung und Lehre und spielten damit eine wichtige Rolle im internen Machtgefüge an der TH Dresden, wirkten aber gleichzeitig in der Stadtöffentlichkeit hinein.