Sonderforschungsbereiche
Inhaltsverzeichnis
SFB 1285: Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung
Phänomene der Schmähung und Herabwürdigung, der Beschämung und Bloßstellung lassen sich epochen- und kulturübergreifend als Fundamentaloperationen gesellschaftlicher Kommunikation verstehen. Als Störungs-, Stabilisierungs- und Dynamisierungsmomente sozialer Ordnungen haben sie das Potential, Gemeinschaften zu bilden und Gesellschaften zu prägen; dabei wirken sie zugleich destruktiv wie produktiv. Der Forschungsverbund fasst solche Phänomene unter dem Terminus "Invektivität". Erscheinungsformen und Funktionen des Invektiven – verstanden als sich realisierender Modus von Invektivität – unterliegen dabei keinem starren Muster, sondern treten in medialer, politischer, sozialer und ästhetischer Hinsicht in komplexen, historisch variablen Konstellationen auf. Über ein breites Spektrum von Untersuchungen, die von der Antike bis zur Gegenwart reichen, sollen die empirischen Grundlagen für eine Analyse der komplexen Konstellationen von Invektivität bereitgestellt werden. Mit dem Konzept der Invektivität unternimmt es der Forschungsverbund, eine neue Perspektive kulturwissenschaftlicher Forschung zu entwickeln, um Voraussetzungen und Effekte herabsetzend-destruktiver Kommunikation kontextübergreifend beschreibbar zu machen und damit die zentrale Rolle, die die mit polemogenem Potential operierende Kommunikation für Gesellschaften einnimmt, erstmals umfassend in den Fokus der Forschung zu stellen.
SFB 804: Transzendenz und Gemeinsinn (2009-2014)
Die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften haben sich wieder verstärkt der Religionsthematik zugewandt und deren Rolle als gesellschaftliche Ordnungsmacht intensiv diskutiert. Zugleich hat eine Auseinandersetzung über die soziomoralischen Grundlagen moderner Gesellschaften stattgefunden. Der Sonderforschungsbereich nimmt beide Diskussionsstränge auf, wendet sie aber in der konzeptuellen Verknüpfung von „Transzendenz“ und „Gemeinsinn“ als den diskursiven und praktischen Konstitutionsressourcen sozialer und politischer Ordnungen zu einer systematischen Fragestellung.
Unter „Transzendenz“ werden dabei solche Diskurse und Praktiken gefasst, die soziale und politische Ordnungen im Rekurs auf die Konstruktion von Unverfügbarkeiten begründen. Der Begriff des Transzendenten lässt sich also nicht auf die christliche Religion, den Monotheismus bzw. das Religiöse überhaupt verkürzen. In den Blick genommen werden auch und gerade solche Formen der „Transzendenz“, die nicht dem Feld des Religiösen zugeordnet werden (z.B. „Zivilreligion“, Ursprungs- und Herkunftslegenden, szientistischer Fortschrittsglaube, „Kunstreligion“).
Als „Gemeinsinn“ wird ein Prozess der Generierung und Behauptung von Sinn in den Blick genommen, der in seiner doppelten Gerichtetheit – als individueller Sinn für das Gemeinsame und als gemeinsamer Sinn der Individuen – einen für soziale und politische Ordnungen gemeinsamen Horizont des Handelns und Verhaltens schafft.
Die analytischen Kategorien von „Transzendenz“ und „Gemeinsinn“ lassen somit eine neue Perspektive zur Klärung der Grundfrage nach den Voraussetzungen, Bedingungen und Ressourcen für die Konstituierung und Stabilität von sozialen und politischen Ordnungen gewinnen: Welche Bedeutung haben „Transzendenzen“ für die Mobilisierung von Handlungsressourcen der Gemeinschaft? Besitzen Gemeinsinnsbehauptungen selber einen „transzendenten“ Status? Untersucht wird, ob und wie Diskurse und Praktiken der „Transzendenz“ „Gemeinsinn“ erzeugen und ob und wie sich gemeinsame Horizonte des Handelns und Verhaltens auf einen Rahmen von „Transzendenzen“ stützen. Die daraus entstehenden Wechselbezüge, Ambivalenzen und Konflikte sind Gegenstand der empirischen und systematischen Untersuchungen.
Die einzelnen Teilprojekte machen, exemplarisch und historisch-systematisch vergleichend, soziale und politische Ordnungsformationen von der Antike bis zur Gegenwart – etwa religiöse Gemeinschaften, städtische Lebenszusammenhänge, höfische Gesellschaften, nationale Staatsbildungen, demokratische und republikanische, auch totalitäre Ordnungen oder aber bestimmte Berufs- und Sozialgruppen (Künstler, Ingenieure, Architekten, Adlige, Gelehrte, Pfarrer, Politiker) – zu ihrem jeweiligen Untersuchungsgegenstand.
Homepage des SFB 804
Themen und Perspektiven
SFB 537: Institutionalität und Geschichtlichkeit (1997-2008)
Der kultur- und sozialwissenschaftlich arbeitende Sonderforschungsbereich 537 analysiert Prozesse der institutionellen Gründung, Stabilisierung und Wandlung sozialer Ordnungen von der Antike bis zur Gegenwart. Das „Institutionelle“ von Kommunikations- und Handlungsordnungen wird in Mechanismen und Strukturen gesehen, durch die grundlegende Prinzipien (z.B. Leitideen, Wertemuster) einer Handlungs- und Kommunikationsordnung in symbolischen Formen (z.B. auch in Ritualen) sichtbar gemacht werden. Die so entstehenden „Verkörperungen“ von Ordnungsbehauptungen und Legitimitätsansprüchen werden auf ihre Wirksamkeit hin untersucht, wobei nicht fixe Ordnungen das forschungsleitende Thema sind, sondern Ordnungsbehauptungen, nicht unbefragte Geltungen, sondern Geltungsansprüche, nicht institutionelle Normerfüllungen, sondern Handlungs- und Rollenstilisierungen. Bearbeitet werden also Grundlagenprobleme einer Verbindung von historischen und systematischen Disziplinen. Beigetragen wird zu einem besseren Verständnis von „politischen“ Legitimationsmustern und -krisen, etwa durch Untersuchungen zu politisch-gesellschaftlichen Stabilisierungsleistungen der Römischen Republik oder zur (kulturell geformten) Machtzentralisierung und -kanalisierung an Ritter- und Fürstenhöfen. Vielfältige Bezüge zu gesellschaftlichen und politischen Problemen der Gegenwart ergeben sich aber auch aus Themen wie der Genese und Wirkungsweise von Verfassungen (lange vor den politischen seit dem 18. Jahrhundert, schon der monastischen seit dem 12. Jahrhundert), aus der vergleichenden Untersuchung von Vertretungskörperschaften (von der griechischen Polis bis zu den modernen Parlamenten) und nicht zuletzt aus Beiträgen zur Erforschung des Transformationsprozesses nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus.
Projektbeschreibung und Teilprojekte