Veranstaltungen des Projekts
Workshop "Kreuzzugs- und Türkenpredigt. Kontinuitäten und Transformationen" 16.10.24
Veranstalterinnen: Marina Münkler und Antje Sablotny, Dresden
Vortragende: Christoph Maier, Zürich, und Theresa Beckert, Dresden
weitere Diskutierende: Mirko Breitenstein, Albrecht Dröse und Lisa-Marie Richter, Dresden
Bei der Predigt handelt es sich um eine Leitgattung religiöser Kommunikation und Form persuasiver Rede. Kreuzzugspredigten werden in Musterpredigtsammlungen des 12. bis 14. Jahrhunderts greifbar. Im 15. und 16. Jahrhundert erscheinen Türkenpredigten im Druck. Beide Subgattungen eint das Merkmal, zeitgenössische Kriegshandlungen zu thematisieren und mehr noch zu ihnen aufzurufen. In zwei Vorträgen zur Kreuzzugs- und zur Türkenpredigt sowie einer anschließenden Diskussion ausgewählter Kreuzzugspredigten näherte sich der Workshop der Frage, welche Kontinuitäten sich zwischen Kreuzzugs- und Türkenkriegspredigten beobachten lassen und an welchen Stellen mit Tradition gebrochen wird.
Eröffnet wurde der Workshop von Christoph Meier (Zürich) mit einem Vortrag zu mendikantischen Kreuzzugspredigten des Hoch- und Spätmittelalters. Die lateinischsprachigen ad crucesignatos et crucesignandos-Predigten als Kreuzzugspredigten zu klassifizieren, müsse als anachronistisch reflektiert werden: Statt der Konzeptualisierung des Kreuzzuges als spezifische Form des Krieges stehe in den Predigten der individuelle Akt des Kreuznehmens in der Nachfolge Christi im Vordergrund. Konzeptualisiert und betont werde der Status des Kreuzfahrers als ein rechtlicher mit Privilegien vor weltlichen Instanzen, der zudem an die Vorstellung eines Plenarablasses gebunden sei. In den Predigten werde nicht nur zur militärischen Ableistung des Gelübdes, sondern insbesondere zur monetären Beteiligung aufgerufen; die Kriegshandlungen werden typologisch motiviert und eher in den die Predigten begleitenden Papstbullen thematisiert. Bei der Analyse der Predigttexte müsse beachtet werden, dass es sich um Musterpredigten handele, die nur in Einzelfällen das historische Ereignis tatsächlich gehaltener Predigten zu verschriftlichen versuchen. Überwiegend bilden sie einen didaktischen Diskurs zwischen den Autoren respektive Kompilatoren sowie anderen Predigern ab. Insofern nehmen sie eine doppelte Publikumskonstruktion vor: Sie adressieren einerseits die Predigtgemeinde, die zur Kreuznahme aufgerufen werden soll, andererseits die Prediger, die durch die Musterpredigten selbst zur Predigt befähigt werden sollen.
Theresa Beckert (Dresden) setzte sich in ihrem Vortrag mit den Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts und ihrem Bezug zu den mittelalterlichen Kreuzzugspredigten auseinander. Der Begriff ‚Türke‘ werde zeitgenössisch pejorativ für die Osmanen beziehungsweise alle Anhänger:innen des Islams gebraucht. In den volkssprachigen Texten stehe entsprechend und in Anbetracht der evangelischen Ablehnung des Ablasses eine doppelte Feindbildkonstruktion im Hinblick auf die ‚Türken‘ und das Papsttum im Vordergrund. Luther lehne die Vorstellung eines geistlichen Krieges ab, legitimiere Kriegshandlungen aber, indem er zwischen zwei Obrigkeiten differenziere: Die weltliche Obrigkeit trage Verantwortung für den Krieg, zugleich fordere die Einhaltung geistlicher Prinzipien, die weltlichen Befehle einzuhalten. Die ‚Türken‘ werden dabei im Rahmen von Luthers Endzeiterwartung als Zeichen der Apokalypse gewertet, die als Züchtigung Gottes akzeptiert und als Anlass zur Buße genommen werden sollen. Zudem zeigten sich in den Predigten die innerchristlichen Konflikte zwischen der reformatorischen Bewegung und der katholischen Kirche: Von reformatorischer Seite werde der ‚Türke‘ mit dem Katholiken gleichgesetzt. Beide Seiten versuchten, sich durch eigene Glaubenspraktiken und -lehren im Hinblick auf den aus religiöser Perspektive „richtigen“ Umgang mit den ‚Türken‘ zu profilieren. Im Gegensatz zur Kreuzzugspredigt nähmen die gedruckten Türkenpredigten Bezug auf aktuelle politische Ereignisse und vermittelten Wissen über den osmanischen Gegner. Die Anliegen der Predigten seien verändert, aber in den katholischen Türkenpredigten sei erkennbar, dass sie an die Semantik des Kreuzzugs anschlössen. Grundlegend bildet die lange Tradition der Kreuzzüge eine Ressource, um die militärische Kriegsführung aufs engste mit einer geistlichen zu verknüpfen.
In einer anschließenden Textwerkstatt wurden Musterpredigten von Jakob von Vitry, Odo von Châteroux, Gilbert von Tournai und Humbert von Romans diskutiert. Ausschlaggebend für die Gestaltung der Texte sei ihre musterhafte Funktion und die damit verbundenen beiden Diskursebenen, einerseits zwischen Autor und Publikum und andererseits zwischen Autor und anderen Predigern und Kompilatoren als Benutzern der Mustertexte. Insgesamt legte die Diskussion insbesondere die überwiegenden Unterschiede der beiden Predigtformen offen: Seien bei den Kreuzzugspredigten eher thematische Schwerpunkte strukturbestimmend, würde in den Türkenpredigten vorrangig die versweise Bibelexegese als Gerüst der Argumentation genutzt. Letztere operierten zudem deutlich mehr auf der ersten Diskursebene und hätten damit nicht nur einen stärkeren Bezug zu den konkreten Anlässen, sondern auch zum Publikum. Dennoch prägt auch die Predigtdrucke der Anspruch, exemplarisches Material für andere Prediger bereitzustellen. Und auch inhaltlich werde die Differenz ersichtlich, nicht zuletzt bezüglich des Ablasses, der in den evangelischen Türkenpredigten strikt abgelehnt werde. Dennoch konnten Kontinuitäten und Transformationen herauskristallisiert werden: So hätten die Feindbildkonstruktionen der Gegner als ‚Tyrannen‘ oder ‚Heiden‘ die Zeit überdauert. Im 16. Jahrhundert seien die Osmanen als apokalyptische Vorboten gedeutet worden. Diese Feindbildkonstruktion sei im Rahmen der konfessionellen Polemiken auch auf den innerchristlichen Gegner übertragen worden. Die beiden Predigtformen eine zudem, zur Frömmigkeitspraxis des Gebets und der Buße als Form der geistlichen Kriegsführung aufzurufen. Diese Praktiken wurden als ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage in der tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzung betrachtet.
Je neu zu beantworten wären Fragen nach spezifischen Gebrauchs- und Kommunikationssituationen sowie den damit verbundenen Funktionspotentialen etwa in Hinblick auf die Profilierung der Konfessionen im 16. Jahrhundert.
Ein Bericht von Anastasia Averkova und Delia Ansel-Curecana, Dresden
Workshop "Transformationen der Legende" 24./25.11.23
Veranstalter:innen: Cornelia Herberichs (Fribourg), Nicolas Detering (Bern), Marina Münkler und Antje Sablotny (Dresden)
Vortragende: Michael Stolz, Nicolas Detering, Emma Brucklacher (Bern), Cora Dietl (Gießen), Julia Gold (Bielefeld), Caroline Struwe-Rohr (München), Cornelia Herberichs (Fribourg), Caroline Emmelius (Eichstätt), Marina Münkler und Antje Sablotny (Dresden)
weitere Diskutierende: Felix Kraft (Bern), Luke Cooper (Fribourg), Gabriel Viehhauser (Stuttgart), Albrecht Dröse, Theresa Beckert und Kay Malcher (Dresden)