Test presentation digital teaching
Mein Name ist Alexander Lasch. Ich bin Universitätsprofessor an der Technischen Universität in Dresden und mein Forschungsschwerpunkt ist die deutsche Sprache in Gegenwart und Geschichte. Ich bin also Sprachwissenschaftler oder germanistischer Linguist oder einfach nur Linguist. Außerdem bin ich Studiendekan an der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften und als solcher für die Studiengangsentwicklung und allgemein Fragen des Studiums betreffend verantwortlich. Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten Gelegenheit an der digitalen Hochschullehre konzeptuell mitzuarbeiten an unserer Fakultät und Universität. Und dadurch, dass ich oder aus dem Grund, weil ich seit einigen Jahren mich mit digitalen Formaten in der Hochschullehre auseinandersetze, bringe ich ein wenig Erfahrung mit, um die Beobachtungen, die ich machen konnte, jetzt ein wenig zu kategorisieren und gleichzeitig vielleicht Empfehlungen und Wünsche auszusprechen, wie wir mit einem möglicherweise in Teilen digitalen Wintersemester umgehen können, sodass es für Lehrende und Studierende und die Universitäten ein Gewinn ist. Ich möchte Sie einladen, dass Sie unter dem Hashtag #gswtud mir Fragen stellen. Ich bin auf Twitter präsent, egal, wann der Vortrag ausgestrahlt wird und wir können gerne auf Twitter unter diesem Hashtag diskutieren, zu diesen sieben Beobachtungen und zu diesen sieben Punkten. Das würde mich sehr freuen.
Zunächst: „Präsenzveranstaltungen werden in digitalen Räumen häufig ledigleich nachgeahmt.“ Das klingt erst einmal naheliegend und zeigt aber gleichzeitig auf ein Problem, das man jetzt in den letzten Wochen beobachten konnte, nämlich einen Motivationsabfall bei Lehrenden und Studierenden im Hinblick auf digitale Lehrformate. Der Punkt ist, dass man davon ausgeht, dass die Lehrveranstaltungen in Präsenz und im digitalen Raum eigentlich gleich sind und dass man nach einem Format sucht, um dieses eigentlich Gleiche, was man immer will, einfach in einem anderen Raum stattfinden zu lassen. Aber mitnichten ist es so, dass die digitale Lehre sich mit Präsenzveranstaltungen vergleichen ließe und Synchronität, also das heißt, das stete Nachahmen von Seminarumgebungen, beispielsweise im Raum und die Seminardiskussion, sich im digitalen Raum in der Art und Weise nicht umsetzen lässt. Hier gilt es, umzulernen, in Blended-Learning-Formaten zu arbeiten, zum Beispiel im Flipped Classroom, Wissensvermittlung vorzuschalten in asynchrone Formate und dann sich in den synchronen Formaten auszutauschen und vor allen Dingen menschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten und die Kontaktfunktion von Kommunikation groß zu schreiben. Also wäre zu wünschen, dass sehr viel stärker als bisher digitale Lehre nicht bedeutet „Wirf bitte ein Videokonferenzprogramm an und diskutiere dann oder tue so, als ob du in einem realen Raum kopräsent wärst“, sondern „Versuche diese synchronen Formate gezielt einzusetzen für den Austausch und für die Diskussion und diesen Austausch und diese Diskussion strukturiert vorzubereiten durch asynchrone Formate.“ Ob uns das gelingt, wird man sehen, wenn wir möglicherweise Teile der Lehrveranstaltungen im Wintersemester wieder digital anbieten werden müssen. Das wissen wir jetzt im Moment noch nicht. Nichtsdestotrotz würde ich mir wünschen, dass das zu einem Umdenken führt und dass man nicht immer davon ausgeht, dass es einfach nur das Gleiche sei, nur in einem anderen Medium.
Das Zweite: „Die Hoffnung auf eingleisige Lösungen stirbt zuletzt. (Sie stirbt.)“ Das, was man beobachten kann, ist im Moment, dass viele Lehrende und Studierende die Hoffnung haben, ein alles für sie lösendes Tool zu finden, mit dem man alle beliebigen Herausforderungen der digitalen Hochschullehre mit einem Schlag bewältigen kann und das ist auch die Anforderung, die viele stellen. Allerdings ist niemand bereit, dafür Geld zu zahlen. Also das heißt, das Ganze soll noch offen zugänglich und kostenlos meist sein. Meine Überzeugung ist, dass man damit weder einen Blumentopf gewinnt, noch, dass man damit die Lage realistisch einschätzt, sondern, dass die Herausforderung ist, dass wir für jedes Setting wenigstens zwei oder drei Tools zur Verfügung hat, die man dann auch konsequenterweise einsetzen kann und auch bedienen können muss. Das heißt allerdings, dass wir sowohl die Lehren als auch die Studierenden dazu ermächtigen müssen, mit diesen Tools zuverlässig arbeiten zu können und wir müssen für uns entscheiden, ob wir dieses Anlernen in digitale Praktiken zum Gegenstand akademischer Ausbildung machen wollen. Das liegt insofern nahe, als wir zum Beispiel auch Lehramtsstudierende ausbilden, die das später auch in Schulen umsetzen müssen, und zwar von der Grundschule über die Oberschule bis in das Gymnasium und die Berufsschule und wenn wir jetzt auf die aktuelle Diskussion um die Digitalisierung in den Schulen schauen, haben wir hier als Universitäten in den nächsten Jahren eine Bringepflicht meiner Meinung nach, Studierende auf digitale Arbeitsumgebungen vorzubereiten. Also: Setzen Sie auf mehrere Tools, nicht nur auf eines für die Bewältigung einer Aufgabe.
Interessanterweise findet eine Diskussion über die Inhalte des Curriculums nur selten statt, denn – das geht mit den ersten beiden Beobachtungen zusammen – man transformiert, also man verschiebt einfach die Präsenzlehre in den digitalen Raum, also in eine Videokonferenz-Software, dann setzt man vierzehn Termine an und reißt eine Vorlesung herunter, so wie man das normalerwiese gewohnt ist, spricht vielleicht, wenn es dumm läuft, nur neunzig Minuten und hofft, dass das Publikum dabei bleibt. Das ist leider selten der Fall und mit der Einkürzung von zum Beispiel asynchronen Präsentationsformaten auf zwanzig Minuten oder zweimal zwanzig Minuten auf vierzig Minuten muss notwendigerweise über den Inhalt einer Veranstaltung nachgedacht werden. Das heißt, hier dampft das vermittelbare Wissen sehr viel stärker zusammen als in einer Präsenzveranstaltung und gleichzeitig haben diejenigen aber, wenn man zum Beispiel Aufzeichnungen anfertigt, die Möglichkeit, dieses Wissen mehrfach durchlaufen zu lassen, sodass man in Präsenz oder eben Kopräsenz in synchronen Formaten im digitalen Raum miteinander dieses vermittelte Wissen zum Beispiel an Beispielen diskutieren kann und Probeanalysen durchführt. Das ändert aber den Charakter von akademischer Lehre im digitalen Raum massiv. Die Frage ist, ob wir bereit sind dazu, mit diesen Veränderungen mitzugehen und bereit sind, über die Inhalte unseres Curriculums nachzudenken und nicht das Curriculum zu entschlacken und über so etwas zu sprechen wie Wissen, das man nicht mehr alltagstauglich und praxisrelevant einsetzen kann, sondern, ob wir andere Formen und andere Inhalte finden, an denen wir über unsere Gegenstände -- und das ist die Produktion von vorläufigem Wissen, also das ist das Hauptgeschäft der Universität – [nachdenken]. Also wir produzieren Wissen, das vorläufigen Charakters ist und wir brauchen den Diskurs und den Austausch, um über dieses vorläufige Wissen diskutieren zu können, also ob wir andere Beispiele, Exempel und Anwendungsfelder finden, in denen wir exemplarisch die Vorläufigkeit des von uns geschaffenen Wissens ausstellen können, denn das ist eigentlich das Anliegen des akademischen Curriculums.
Nächster Punkt, jetzt wird es etwas technischer: „Messengergruppen werden zu selten als virtuelle Marktplätze verstanden und eingesetzt.“ Akademische Lehre, insbesondere Vorlesungen, leben immernoch davon, dass wir eine unidirektionale Kommunikationsrichtung haben, das heißt, einer spricht zu vielen und man sehr, sehr selten Rückkopplungsmechanismen einbaut. Das ändert sich in den letzen Jahren, aber es könnte dennoch noch etwas verstärkt werden und eine stärkere Sensibilität dafür da sein, das wir uns an Hochschulen in dialogischen Formaten bewegen, indem wir uns miteinander auseinandersetzen über einen spezifischen Gegenstand, der zur Schaffung vorläufigen Wissens dienen soll. Messengergruppen als virtuelle Marktplätze hätten/ haben den Vorteil, dass man immer ein Medium hat, ein technisches Übertragungsmedium, das sowohl asynchron als auch synchron gebraucht werden kann, in dem man nicht nur fragen stellen, sondern auch Fragen entwickeln und diskutieren kann und hierfür stellen die Universitäten, das mag von Ort zu Ort unterschiedlich sein, unterschiedliche Tools zur Verfügung, die aus meiner Sicht und meiner Beobachtung heraus noch viel zu selten dafür eingesetzt werden, um offene Diskussionen zu führen, die zielorientiert, zum Beispiel die Präsenzveranstaltungen, begleiten können. Man hat immer viel zu stark und viel zu stabil und festgezurrt den Seminarplan im Kopf und baut dann zum Beispiel in WebCms Lösungen oder in Moodle oder anderen Diensten wie Opal, das wir in Dresden einsetzen, feste Kursbausteine, die dann relativ wenig Flexibilität zulassen und vor allem die Reaktion und die spontane Entwicklung eines Seminargegenstandes eher behindern, als dass sie es fördern, also setzen Sie oder setzt mehr Messenger ein, um miteinander zu kommunizieren und das in asynchronen und synchronen Umgebungen.
„Das Einarbeiten in neue Techniken zur Produktion digitaler Präsentationsformen wird zu selten als Lernziel definiert.“ Das merken wir dieser Tage und Wochen ganz besonders stark. Hängt vielleicht auch zu Teilen davon ab, dass diejenigen, die im Moment im digitalen Raum unterrichten, sich selbst nicht immer so sicher sind, wie sie mit bestimmten Tools umgehen und wie sie mit bestimmten Präsentationsformen und auch im Hinblick darauf, wie sie mit bestimmten rechtlichen Fragen umgehen sollen, also Stichwort Urheberrecht, Creative-Commons-Lizenz, Open Educational Resources und es wäre zu wünschen, dass wir diese Zeit nutzen, um die Einarbeitung in Arbeits- und Präsentationstechniken zum Lernziel, auch in den philologischen Studiengängen zu definieren, also nicht nur das wissenschaftliche Arbeiten zu erweitern, sondern die Techniken auch in seminaristischen Kontexten oder auch in Vorlesungen zu realisieren. Denkbar sind hier Podcasts, die man produziert oder Blog-Beiträge oder Ähnliches. Das würde ich mir für das Wintersemester wünschen: die neuen Techniken und das Einarbeiten in neue Techniken zur Produktion von digitalen Präsentationsformen als Lernziel zu definieren.
Für mich absolut überraschend, aber eine der Beobachtungen in den letzten Wochen: „Audioformate werden in ihrer Relevanz drastisch unterschätzt.“ Wenn ich mir anschaue, welche Videos auf meinem Kanal in letzter Zeit besonders prominent besucht worden sind, sind es vor allen Dingen die Videos zu Videokonferenz-Tools und zum Videoschnitt, also zum Vidcasting und Hosting von Videos und die Audioformate werden dabei im Moment sträflich vernachlässigt. Also man ahmt jetzt faktisch nochmal die Entwicklung in den sozialen Netzwerken nach, in dem erst YouTube groß wurde und dann die Podcasts, also die erst über RSS-Feeds verteilt worden sind und die sich mittlerweile bei iTunes, Spotify und via Pocket Casts, das an iTunes gebunden ist, an sehr, sehr, sehr großer Beliebtheit freuen. Audioformate lassen sich sehr einfach produzieren und sie sind vor allen Dingen begleitend, zum Beispiel zur Präsentation, wunderbar einbettbar in html5-Umgebungen oder zum Beispiel auch in Messengergruppen oder auch auf Websites und Blogs und sie sind in der Produktion sehr viel niederschwelliger als Videos, für die man doch etwas mehr Equipment braucht und vor allen Dingen auch Know-how, um diese Videos zu schneiden und sie verbreiten sich sehr viel schneller als Videos. Das heißt, wenn man Audioformate sehr viel stärker in der Lehre, in der digitalen Lehre berücksichtigen würde als asynchrone Formate, dann wäre, denke ich, sehr, sehr vielen geholfen und ich würde mir das wünschen für das das nächste Semester: Nutzt und nutzen Sie mehr Audioformate und produzieren Sie vielleicht eigene Podcasts.
Schlussendlich – und das ist eine ziemlich frustrierende Beobachtung aus meiner Sicht - , nämlich, dass technologieskeptische Debatten im Moment verhindern, dass wir den Kern universitärer Forschung herausarbeiten können. Nämlich: die Vorläufigkeit von Wissen auszustellen. Das Ganze greift ein wenig weiter als das, was ich bisher Ihnen vorgestellt habe und zur Diskussion gestellt habe, nämlich, dass ich davon ausgehe, dass die teilweise sehr laut und deutlich artikulierten Sorgen, dass wir die Präsenzlehre zurückdrängen im universitären Kontext– wovon überhaupt keine Rede sein kann – als Schild vorgehalten werden, um Technologieskepsis zu verbergen und zu verstecken. Noch viel deutlicher wird es im Kontext der Produktion von Open Educational Resources, also das heißt, der freien Verfügbarmachung von Lernmaterial, das Lehrende an einer Universität einsetzen. Und hier sind die Vorbehalte gegen Open Educational Resources doch deutlich zu spüren und nicht nur an einer Universität, sondern hier braucht es, glaube ich, ein Bekenntnis der gesamten akademischen Community zu Open Educational Resources, um zum Beispiel sich das Recht herauszunehmen, Wissen auszustellen, das in seiner Qualität vorläufig ist. Denn: Wenn ich präsentiere, wenn ich Videos einspreche, wenn ich meine Überlegungen revidiere, wenn ich in Lehrveranstaltungen ein Beispiel vorführe, bei dem ich im zweiten Durchlauf merke, dass es nicht ideal ist für die Präsentation, dann kann ich und sollte ich das austellen, zeigen und vor allen Dingen präsentieren und gleichzeitig damit illustrieren, dass das, was ich als Wissenschaftler oder als Wissenschaftlerin produziere, vorläufigen Charakters ist, also das heißt, nicht abgeschlossen und immer nur ein Ergebnis gegenwärtig aktueller Diskussion im Diskurs, also im akademischen Austausch. Dafür können Open Educational Resources sehr, sehr sinnvoll sein und der Nebeneffekt wäre, dass ich damit ein sehr wichtiges Charakteristikum akademischer Lehre und Forschung sichtbar mache und ausstelle. Und meine Sorge ist, dass wir durch Technologieskepsis gegenüber der digitalen Hochschullehre genau diese Möglichkeit verpassen und verschlafen und das wäre im gegenwärtigen Kontext, Stichwort Drosten vs. Bild, also vs. Reichelt, sehr, sehr schade, denn daran sieht man, wie im Moment der universitäre Kontext um seinen Markenkern, die Vorläufigkeit von Wissen, kämpfen muss in der Öffentlichkeit und es nicht so ist, dass von allen nur bejubelt wird, was aus der akademischen Forschung in die Öffentlichkeit dringt. Das allerdings ist unsere Aufgabe: daran zu arbeiten, das zu zeigen und auszustellen und nach und nach daran zu arbeiten, dass wir in der Öffentlichkeit hier den Kern von universitärer Forschung und Lehre wieder sehr viel sichtbarer machen.
Ja, ich bin gespannt, auf Ihre Diskussion, Ihre Fragen, freue mich, wenn Sie mir Fragen stellen und mit mir gemeinsam diskutieren auf Twitter, wie gesagt unter dem Hashtag #gswtud, und wünsche Ihnen noch viel Freude mit den Inhalten, die wir Ihnen zur Verfügung stellen aus dem Bereich der Geisteswissenschaften an der Technischen Universität Dresden. Außerdem hoffe ich natürlich, dass wir uns möglicherweise im nächsten Jahr auf der langen Nacht der Wissenschaften wiedersehen mit einem echten Vortrag in Präsenz und freue mich aber erstmal, dass wir diese Gelegenheit des digitalen Tages auf diese Art und Weise nutzen können, um Fragen an Sie zu stellen, mit Ihnen gemeinsam ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren. Ja. Bis dahin – ich bin gespannt auf Ihre Fragen, freue mich auf das Gespräch und bin Ihr Alexander Lasch.