Prager Moderne
Multimediale Quellendokumentation zur »Prager Moderne«
Projektleiter:
Prof. Dr. Walter Schmitz
Mitarbeiter:
Susanne Fritz, M.A.
Finanzierung:
Sächsisches Staatsministerium des Innern
in Kooperation mit dem Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart
Projektbeschreibung:
Wissenschaftliche Vorarbeiten
Dieses Quellendokumentation basiert auf wissenschaftlichen Vorarbeiten im Rahmen eines Ausstellungsprojektes des Sächsischen Literaturrates zu den deutsch-tschechischen Literaturbeziehungen. Die Ausstellung Böhmen am Meer. Literatur im Herzen Europas wurde anläßlich der Deutsch-tschechischen Literaturtage in Chemnitz im Juni 1997 eröffnet und wanderte anschließend durch weitere Orte Sachsens und auch Tschechiens. Zur Ausstellung war ein Begleitbuch geplant, das sich - unter der Hauptautorschaft von Ludger Udolph und Walter Schmitz - zur eigenständigen Monografie zum Thema entwickelte.
Die Skizze eines Forschungsprojektes zur Prager Moderne wurde von Walter Schmitz sowie von Ludger Udolph und Annette Teufel bereits bei einem gemeinsamen Forschungskolloquium der TU Dresden und der Bar Ilan Universität Ramat Gan im Januar 1997 präsentiert. Im Oktober 1997 konnte - wiederum dank einer Kooperation des Lehrstuhles für Neuere deutsche Literatur und dem für Slawische Literaturen - die Ausstellung »Franz Kafka. Stationen seines Lebens und Schreibens. 1883-1924 in Wort und Bild« im Lichthof des Dresdner Rathauses gezeigt werden, die von Prof. Jürgen Born von der Forschungsstelle für Prager deutsche Literatur/Bergische Universität-GHS Wuppertal entwickelt worden war. Die Dresdner Partner richteten aus diesem Anlaß - gerne mit dem Neuen Sächsischen Kunstverein - ein Kolloquium »Begegnung der Kulturen in Mitteleuropa: Die Prager Moderne im deutsch-tschechisch-jüdischen Kontext« aus.
Am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur der TU Dresden schließlich entsteht eine umfassende Dissertation zu Leben und Werk des Prager Autors Paul Adler sowie die erste Werkausgabe dieses Autors (bearbeitet von Annette Teufel).
Inzwischen orientieren sich auch auswärtige Nachwuchswissenschaftler, die an diesem Thema interessiert sind, nach Dresden. Bedeutungsvoll für die methodische Perspektive des Projektes ist eine Fachdiskussion über die Erhebung von Massendaten in den Kulturwissenschaften, die von Walter Schmitz initiiert und von den Herausgebern des Jahrbuchs für Internationale Germanistik als Rahmenthema angenommen wurde.
All diese Aktivitäten werden im Kulturwissenschaftlichen Mitteleuropazentrum an der TU Dresden gebündelt.
Innovation
Die internationale Forschung zur deutschsprachigen Literatur der Prager Moderne ist breit ausgebaut, jedoch um Autorenphilologien zentriert (insbesondere die Kafka-Philologie); im ehemaligen Ostblock bedeutete ihr Beginn Ende der sechziger Jahre ein Politikum, da ihre Gegenstände als westlich-dekadent und ihre Protagonisten (wie Eduard Goldstücker) als potentielle Dissidenten galten. Der Schwung, den dieses wissenschaftliche Projekt aus eben dieser Einschätzung gewann, ist inzwischen erlahmt und einer - in Einzelbereichen durchaus geschäftigen - Stagnation gewichen. Hier wird die multimediale Quellendokumentation zur Prager Moderne, speziell dank ihrer kooperativen Vorbereitung - eine Innovation bewirken können, und zwar in den folgenden Dimensionen:
Sie überwindet die Isolation der Autorenphilologien in einem mediengeschichtlichen Ansatz, der die Kommunikation der Epochen erstmals zu rekonstruieren erlaubt.
Sie überwindet die Abschottung der Fachforschung in einem kulturwissenschaftlichen Ansatz, der den Anteil der beteiligten Disziplinen benennt und damit auch einfordert.
Sie überwindet die Stagnation der Quellenrecherche durch die technologische Erschließung von Massendaten, die als Voraussetzung der methodischen Innovation erst allmählich kenntlich wird.
Die »Prager Moderne« als ein interkulturelles Phänomen, das auf der - fördernden wie auch feindseligen - Wechselwirkung einer national-deutschen, der tschechischen und einer besonderen deutsch-jüdischen Kultur beruht, wird hier erstmals angemessen darstellbar.
Aufbauskizze
Das Projekt wird die Quellen der kulturellen Kommunikation in der Epoche der »Prager Moderne« (1895-1938) in Dresden, im deutschen Sprachraum und international zugänglich machen.
Die Quellen gruppieren sich in den drei Mediendimensionen des Buches, der Zeitschrift und der Zeitung. Die Arbeit des Projektes soll sich vor allem auf die Zeitungsbestände - deutsche wie tschechische - konzentrieren, und zwar auf die Feuilletons und Literaturbeilagen von: Bohemia, Lidové novíny, Národní Listy, Prager Tagblatt, Prager Presse.
Von keiner dieser Zeitungen findet sich eine komplette Jahrgangsfolge in einer deutschen Bibliothek, und auch die Streubestände sind höchst fragmentarisch. Die einschlägigen Teile der obig angegebenen Zeitungen sollen verfilmt und digitalisiert (als Bilddatei) gespeichert werden. Sie werden mit weiteren notwendigen bibliographischen Informationen versehen und bilden damit den Grundstock der Dresdner Datenbank zur Prager Moderne. Außerdem wird auf dieser Basis ein OCR-Durchlauf vorgenommen, so daß zumindest Rohfassungen der Texte für eine weitere Bearbeitung zur Verfügung stehen.
Für die weitere Erschließung dieser Quellen wurde folgendes Mittel gewählt:
Die unbearbeiteten Texte werden, zusammen mit editorischen Richtlinien, ins Internet gestellt. Die Bilddateien werden in einer CD-Rom-Edition am Markt angeboten. So wird jedem, der ein einschlägiges Thema zur »Prager Moderne« bearbeitet, die Möglichkeit zur Mitarbeit geboten:
Er kann die im Internet bereitgestellten Quellentextdateien auf Basis der Bilddateien editorisch bearbeiten und diesen edierten Text via Netz nach Dresden übermitteln. Hier wird dieser, mit dem Namen des Bearbeiters versehen und nach einer Qualitätskontrolle, anstelle der Rohdaten im Internet publiziert. Damit wird - in einer weltweiten Kooperation, die als exemplarisch für neue Verfahren der Wissensproduktion in den Geisteswissenschaften gelten darf - eine zuverlässige Edition von Massendaten geleistet.
Ziele des Projektes
Unmittelbares Projektziel ist eine erste Nutzung der gesammelten Quellen für eine Dissertation, die den »Mythos Prag um 1900« nachzeichnen und zeigen wird, wie sich eine »Stadtpersonalität« ausprägt, wie diese im deutschen Sprachraum akzeptiert wird, und wie sie mit der andersartigen »Stadtpersonalität« des »slawischen Prag« konkurriert.
Weiterhin ist die multimediale Quellendokumentation zur Prager Moderne die Basis, die künftigen Dresdner Projekten ihre Seriosität und ihren Erfolg sichert; dies gilt insbesondere für eine geplante Ausstellung »Die Prager Moderne«.
Schließlich kann die multimediale Quellendokumentation zur Prager Moderne gemäß der oben skizzierten Veröffentlichungsstrategie nachhaltig weiter genutzt werden. Sie wird den von Dresden ausgehenden Bemühungen um eine Erschließung der deutschsprachigen Kulturleistung in Mittel- und Osteuropa internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung sichern.