Profil
Die Professur "Romanistische Sprachwissenschaft (Spanisch/Französisch)" hat ihren Schwerpunkt in der hispanistischen Sprachwissenschaft. Hier sollen einerseits die speziell linguistischen Themenfelder in ihrer vollen Breite (synchronische und diachronische, interne und externe Linguistik des Spanischen und der Hispanophonie) präsent sein, d.h., es soll vor allem in der Lehre Basiswissen über all diese Felder vermittelt werden. Andererseits wird eine Sprachwissenschaft angezielt, die ihre Inhalte in Abstimmung mit der hispanistischen Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft am Institut für Romanistik der TU Dresden entwickelt.
Zielkultur ist dabei in erster Linie Spanien. Betreffend Lateinamerika sollen bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden. Vor allem Mexiko und Argentinien, aber auch andere Länder werden kulturwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche und damit auch linguistische Bezugspunkte sein.
Für die Kooperation mit der hispanistischen Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft können bestimmte sprachwissenschaftliche Teildisziplinen, Paradigmen und Theorien besonders geeignete Gesichtspunkte abgeben: Vergleichende Texttypologie und andere Felder der kontrastiven Linguistik, Sprachgeschichte, Mehrsprachigkeitsforschung, kognitive Semantik (Prototypen, Stereotypen u.a.), Untersuchungen zur Sprachkultur sowie auch zu kommunikativen Verhaltensformen in mündlichen Dialogen verschiedenster Art (Höflichkeit, Rhetorik usw.).
Die historische Sprachwissenschaft wird in diesem Rahmen immer noch als fruchtbarer Hintergrund aufgefasst, aus dem bei vielen Gelegenheiten vertiefende und erweiternde Erklärungen entnommen werden können. Sie bietet außerdem in dem komplizierten Nebeneinander von Bachelor- und Masterstudiengängen, das die derzeitge Ausbildungslandschaft kennzeichnet, die Möglichkeit, höhere von durchschnittlichen Ansprüchen zu trennen. Insofern spielt sie in den Forschungs- und Lehraktivitäten der Professur eine kontinuierlich tragende Rolle.
Neben dem Spanischen vertritt die Professur das Französische. In Kooperation mit der ersten Professur für Romanistische Sprachwissenschaft (Prof. Dr. Maria Lieber) ist die Themensetzung anders gelagert als im Fall der Hispanistik. Die Hauptrolle spielen, nicht zuletzt im Hinblick auf die größere Bedeutung des Französischen für die Lehramtsstudien, die Normierung und die Problematik der französichen Sprachpolitik (aktuell und in historischer Tiefenperspektive). Dadurch tun sich auch Brücken in die französistische Kulturwissenschaft auf.
Forschungsschwerpunkte
(1) Thema: Text- und Dialogtraditionen in Alltag und Literatur
Peter Koch hat im Anschluss an Brigitte Schlieben-Lange das Konzept der Diskurstraditionen ausgebaut und so innerhalb der Romanistik ein Fundament für die Erforschung der Geschichte von Textsorten und Dialogformen vorgegeben. Dieses Konzept eignet sich auch für die Integration der germanistischen Beiträge, in denen diese Thematik ja besonders weit vorangetrieben worden ist. Was die empirische Seite betrifft, sind im Bereich der romanischen Sprachen gerade in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte erzielt worden, wovon der repräsentative Sammelband von Gerhard Ernst und Martin Gleßgen (2003) Zeugnis gibt. Ein vorbildlicher, sehr schöner Beitrag im Bereich der Hispanistik sind die Forschungen von Rolf Eberenz zu den Regimientos de peste des Spätmittelalters.
Auf dieser soliden, illustrativen Grundlage werden im Rahmen des Forschungsschwerpunkts verschiedene historische Textsorten und Dialogtypen des Alltags untersucht. Dabei bilden, in Konsequenz der intradisziplinären Brücken innerhalb der Hispanistik, die dem Profil der Professur entsprechen, gelegentliche Seitenblicke in die Literatur fester Bestandteil der Erkenntnisinteressen. Bislang sind Beiträge zu Dialogen in der Literatur, dem Funktionalstil der Wissenschaftssprache sowie mittelalterlichen Urkunden vorgelegt worden. 2010 wird sich ein weiterer Beitrag zu frühmittelalterlichen lateinisch-hispanischen Urkunden hinzugesellen, in dem gezeigt wird, wie die Merkmale historischer Textsorten die Interpretation grammatikalischer Befunde beeinflussen.
Publikationen in diesem Bereich bisher:
(1999) "Grammaire générale et grammaires spécifiques des genres de texte: l'exemple des chartes médiévales". In: Ruffino, Giovanni (ed.). Atti del XXI Congresso internazionale di linguistica e filologia romanza. Bd. VI., 27-36.
(1999), "¿Latín tardío o latín medieval? A propósito de las cartas hispánicas redactadas
entre los siglos VIII y XII". In: Petersmann, Hubert/ Kettemann, Rudolf (eds.): Latin vulgaire - latin tardif. Actes du Ve Colloque international sur le latin vulgaire et tardif. Heidelberg: Winter, S. 309-318.
(2004): "Estructura y estilo en los diálogos en 'El Gallego y su cuadrilla'. In: Rodiek, Christoph (ed.): Homenaje a Camilo José Cela. Coloquio internacional de la Universidad de Dresde (11-12 de noviembre de 2002). Kassel: Edition Reichenbach, 179-203.
(2007) "Aspectos temáticos, tareas y perspectivas de la investigación del lenguaje científico castellano". In: Rehrmann, Norbert (ed.)/Ramírez Sainz, Laura (ed.): Dos culturas en diálogo. Historia cultural de la naturaleza, la técnica y las ciencias culturales en España y América Latina. Madrid/Frankfurt: Iberoamericana/Vervuert, 77-106.
(2010): Grammatikalisierungsprozesse zwischen Latein und Iberoromanisch. Tübingen: Narr.
(2) Thema: Kontrastive Untersuchung zur Polysemie
Diese Forschungslinie betrifft die Mehrfachbedeutung von Wörtern und steht von daher in einer potentiellen Beziehung zur Mehrfachbedeutung literarischer Texte und dem in der Kommunikationspraxis (parole) stattfindenden Ereignis des interkulturellen Missverständnisses. Es geht zunächst jedoch um ein linguistisches Problem: Inwieweit sind die zu einer Grundbedeutung hinzukommenden weiteren Bedeutungen der Wörter eines bilingualen Äquivalenzpaares (etwa pie (span.) - pied (frz.) oder Ziel (dt.) - meta (sp.)) die selben in den beiden Sprachen und inwieweit unterscheiden sie sich? Gibt es hier eher Konvergenz zwischen Sprachen oder Divergenz?
Entgegen der landläufigen Meinung konnten bei den bisherigen Untersuchungen zu mehreren Teilkorpora stärkere Konvergenzen als Divergenzen festgestellt werden, und dies scheint eine Tendenz zu sein, die sich auch bei Betrachtung weiterer Reihen von Lexemen durchhält und bestätigt. Im Rahmen einer Textanalyse wurde außerdem klar, dass Mehrdeutigkeiten in textueller Umgebung eher selten aufrechterhalten bleiben, so dass Divergenzen zu einem geringeren Problem für Übersetzungsaufgaben u.a. werden, als es vom Sprachsystem her gesehen den Anschein hat. Drittens konnten Thesen zu der Frage entwickelt werden, wodurch die Konvergenzen verursacht werden.
Publikationen in diesem Bereich bisher:
(2006): "Polysemie-Konfigurationen in benachbarten Sprachen Westeuropas". In: Frings, Michael/Klump, André (eds.): Romanische Sprachen in Europa. Eine Tradition mit Zukunft?, 127-146.
Längerfristige Perspektiven: Die bisherigen Analysen sind in ihrem Umfang zu erweitern, d.h., die Zahl an untersuchten Lexikoneinträgen sollte weiter vergrößert werden. Auch kleinere romanische Sprachen wie das Katalanische sowie außerdem das Englische und Chinesische mit ihren besonderen Polysemiestrukturen (Konversion, Hochpolysemie einsilbiger chinesischer Lexeme) könnten in diese Untersuchungen mit einbezogen werden. Eine zweiter Weg der Ausweitung könnte darin bestehen, die Pragmatik des intra- und interkulturellen Missverständnisses zu untersuchen, da Missverständnisse zum Teil ja auf lexikalisierte Mehrdeutigkeiten zurückgehen, die je kontextabhängig virulent werden.
(3) Thema: Wechselbeziehungen zwischen Allgemeiner Sprachwissenschaft und romanischer Philologie
Die Allgemeine Sprachwissenschaft hat im Wissensschaftsgefüge als eine ihrer Hauptaufgaben, dass sie die Philologien, die historisch-kulturell verwurzelte Einzelsprachen untersuchen, mit Sprachmodellen und auf verschiedene Ebenen sowie Bedingungen von Sprachwandel bezogenen Theorien versorgt. Andererseits sind aber auch immer wieder in den Einzelphilologien und ihrer Auseinandersetzung mit den Strukturen bestimmter Einzelsprachen heraus Vorschläge zur Modellierung von Sprachphänomenen gemacht worden, die so allgemein sind, dass sie sich auf viele andere Sprachen übertragen lassen. Es gibt also eine Schnittmenge zwischen den Interessen der Allgemeinen Sprachwissenschaft und der Romanistik. Hier liegt ein weiterer Forschungsschwerpunkt, der von dem Inhaber der Professur verfolgt wird. Dabei werden einerseits Überschneidungen in den Blick genommen, andererseits wird gleichzeitig sondiert, was sich aus Kontrasten zu Anliegen der Allgemeinen Sprachwissenschaft (Universalsprachen u.a.) lernen lässt.
Publikationen in diesem Bereich bisher:
(2001): "Künstliche Sprachen und Universalsprachen". In: Haspelmath, Martin/König, Ekkehard/Oesterreicher, Wulf/Raible, Wolfgang (eds.): Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Berlin/New York: de Gruyter, 85-94.
(2006): "Panorama de los escritos lingüísticos de Ortega y Gasset". In: Rodiek, Christoph (ed.): Ortega y la cultura europea. Simposio hispano-alemán de la Universidad de Dresde (18-19 de octubre de 2005). Kassel: Edition Reichenbach, S. 45-68.
Die Beiträge in diesem Feld haben eher den Charakter von Gelegenheitsarbeiten, da nicht der Anspruch besteht, die eigene Forschung aus dem Selbstverständnis eines Allgemeinen Sprachwissenschaftlers heraus zu betreiben. Nichtsdestoweniger pflegt der derzeitige Inhaber der Professur immer wieder die Auseinandersetzung mit Sprachen anderer Sprachfamilien und -typen, schon allein aus dem Grund, weil das zu Hybridisierungen führende Zusammenleben des Spanischen mit autochthonen und allochthonen Kontaktsprachen in den nächsten Jahrzehnten die Weiterentwicklung dieser Sprache entscheidend mitbestimmen wird, in noch höherem Maße, als dies bisher im Laufe seiner Geschichte schon der Fall gewesen ist.
Lehrprogramm und Lernziele
(in Vorbereitung)
Das Lehrprogramm wird derzeit fortlaufend umgeändert. Da der Anpassungsprozess an die neuen Bedingungen, die sich durch die kürzlich eingeführten Master- und Bachelor-Studiengänge ergeben haben, noch nicht abgeschlossen ist, werden die Planungen erst im Sommersemester 2010 vollendet sein. Zu Beginn des Wintersemesters 2010/11 wird an dieser Stelle dann ein langfristiges, in sich abgerundetes Lehrprogramm ins Netz gestellt. Hinweise zu Ausrichtung, Grundsätzen und Inhalten meiner Lehrplanung gebe ich augenblicklich in den Lehrveranstaltungen selber.
Linguistische Links
http://linguistlist.org (enthält viele Links, u.a. zu frei herunterladbaren Phonetik-Fonts)
www.eva.mpg.de (= Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig)
www.mpi.nl (= psycholinguistisches Max-Planck-Institut von Willem Levelt in Nijmegen)
Publikationen
Monographien
Heiner Böhmer (1994): Komplexe Prädikatsausdrücke im Deutschen und Französischen. Frankfurt a. M.: Peter Lang.
(2010) Grammatikalisierungsprozesse zwischen Latein und Iberoromanisch. Tübingen: Narr
Rezensionen
ders. (1993): „Achim Stein: Nominalgruppen in Patentschriften. Komposita und prädikative Nominalisierungen im deutsch-französischen Vergleich“. In: Romanische Forschungen 106, Heft 1-4, 301-304.
ders. (1993): „Waltraud Weidenbusch: Funktionen der Präfigierung. Präpositionale Elemente in der Wortbildung des Französischen“. In: Romanische Forschungen 106, Heft 1-4, 304-306.
ders. (1993): „Olof Eriksson: La phrase française. Essai d'un inventaire de ses constituants syntaxiques“.In: Romanische Forschungen 106, Heft 1-4, 306-309.
ders. (1998): „Ulrich Detges: Nominalprädikate. Eine valenztheoretische Untersuchung der französischen Funktionsverbgefüge des Paradigmas <<être Präposition Nomen>> und verwandter Konstruktionen“. In: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 108, 149-153.
„Barbara Wehr/Helga Thomaßen (eds.): Diskursanalyse. Untersuchungen zum gesprochenen Französischen. In: Romance Philology 55/2, 298-307.
„Jacob, Daniel/Kabatek, Johannes (eds.): Lengua medieval y tradiciones discursivas en la Península Ibérica. Descripción gramatical – pragmática histórica – metodología (Lingüística Iberoamericana, vol. 12)“. In: Zeitschrift für romanische Philologie 119/4, 698-706.
Aufsätze
ders. (1996): „Die Problematik der wiederholten Rede“. In: Fehrmann, Gregor/Ochsner, Beate (eds.): Konstrukte, Konstruktionen, Dekonstruktionen. Beiträge zum 10. Nachwuchskolloquium der Romanistik. Bonn: Romanistischer Verlag 1996, 15-26.
ders. (1998): „Ist Phraseologie heute noch als einheitliches Gebiet haltbar?“. In: Sabban, Anette (ed.): Phraseme im Text (Studien zur Phraseologie und Parömiologie 14), Bochum: Brockmeyer, 1-28.
ders. (1999) „Grammaire générale et grammaires spécifiques des genres de texte: l'exemple des chartes médiévales“. In: Ruffino, Giovanni (ed.). Atti del XXI Congresso internazionale di linguistica e filologia romanza. Bd. VI., 27-36.
ders. (1999), „¿Latín tardío o latín medieval? A propósito de las cartas hispánicas redactadas entre los siglos VIII y XII“. In: Petersmann, Hubert/ Kettemann, Rudolf (eds.): Latin vulgaire – latin tardif. Actes du Ve Colloque international sur le latin vulgaire et tardif. Heidelberg: Winter, S. 309-318.
ders. (2001): „Künstliche Sprachen und Universalsprachen“. In: Haspelmath, Martin/König, Ekkehard/Oesterreicher, Wulf/Raible, Wolfgang (eds.): Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Berlin/New York: de Gruyter, 85-94.
ders. (2003): „Semantische Analyse von Verfügungsverben und Redensarten des Bereichs ‚Geld, Besitz‘ im Spanischen“. In: Blank, Andreas/Koch, Peter (eds.): Kognitive romanische Onomasiologie und Semasiologie. Tübingen: Niemeyer, 99-111.
ders. (2004): "Estructura y estilo en los diálogos en El Gallego y su cuadrilla". In: Rodiek, Christoph (ed.): Homenaje a Camilo José Cela. Coloquio internacional de la Universidad de Dresde (11-12 de noviembre de 2002). Kassel: Edition Reichenbach, 179-203.
ders. (2006): "Panorama de los escritos lingüísticos de Ortega y Gasset" In: Rodiek, Christoph (ed.): Ortega y la cultura europea. Simposio hispano-alemán de la Universidad de Dresde (18-19 de octubre de 2005). Kassel: Edition Reichenbach, S. 45-68.
ders. (2006): "Polysemie-Konfigurationen in benachbarten Sprachen Westeuropas". In: Frings, Michael/Klump, André (eds.): Romanische Sprachen in Europa. Eine Tradition mit Zukunft?, 127-146.
ders. (2007) "Aspectos temáticos, tareas y perspectivas de la investigación del lenguaje científico castellano". In: Rehrmann, Norbert (ed.)/Ramírez Sainz, Laura (ed.): Dos culturas en diálogo. Historia cultural de la naturaleza, la técnica y las ciencias culturales en España y América Latina. Madrid/Frankfurt: Iberoamericana/Vervuert, 77-106.