Berthold Leibinger Preis 2016
Laserstrahlen stempeln Mikrostrukturen – Direct Laser Interference Patterning
"Oberflächenfunktionalisierung" - ein sperriger Begriff und zugleich ein Zauberwort. Zwei markante Beispiele für nanostrukturierte und mikrostrukturierte Oberflächen mit funktionalen Eigenschaften sind der wasserabweisende Lotuseffekt und die reibungsmindernde Haifischhaut.
Je nach Material und Anforderungen kommen bei der Herstellung von funktionalen Oberflächen ganz unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Laser bieten ein hohes Maß an Flexibilität. Zum einen können sie durch gezielten Wärmeeintrag tief in ein Material eindringen, zum anderen können sie durch den Einsatz ultrakurzer Pulse auch "kalt" arbeiten. Eine große Herausforderung stellt jedoch die Optimierung der Bearbeitungszeiten dar.
Wie groß diese Herausforderung ist, zeigt eine einfache Rechnung: Je nach Daumengröße haben auf einem Daumennagel mehrere 100 Millionen Strukturen von einem Mikrometer Größe Platz. Selbst wenn eintausend dieser Strukturen in einer Sekunde hergestellt werden könnten, würde es mehr als einen Tag dauern, die gesamte Fläche zu strukturieren.
Technische Anwendungen in großem Maßstab wären also nur denkbar, wenn Tausende, Millionen oder besser noch Milliarden der winzigen Strukturen gleichzeitig hergestellt werden könnten. Möglich wäre dies durch Effekte, die es erlauben, diese Strukturen selbst zu erzeugen, oder wenn sie gedruckt werden könnten. Beide Möglichkeiten lassen jedoch keinen Spielraum für Flexibilität.
An der Universität des Saarlandes nutzte Frank Mücklich einen einfachen optischen Effekt, um die Flexibilität des Lasers mit der flächigen Bearbeitung zu kombinieren. Damit fand er einen Kompromiss zwischen langjährigem Aufbau und unflexibler Maskentechnik. Durch die Überlagerung von zwei oder mehr Laserstrahlen werden sogenannte Interferenzmuster erzeugt.
Diese Muster lassen sich berechnen, und es ist möglich, die Laserstrahlen so einzustellen, dass gezielt Interferenzeffekte erzeugt werden. Auf Flächen so groß wie der Strahldurchmesser - also Quadratmillimeter bis Quadratzentimeter - werden periodische Mikro- und Nanostrukturen erzeugt. Die sich überlagernden Laserstrahlen können Millionen bis Milliarden kleiner Strukturen in nur einem "Schuss" erzeugen.
Frank Mücklich erforscht mit seiner Arbeitsgruppe Funktionswerkstoffe und hat eine Leidenschaft für die Lasertechnik. Doch er begnügt sich nicht damit, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu publizieren und Muster für Labore zu produzieren, sondern möchte, dass die vielfältigen, faszinierenden Fähigkeiten seiner Materialien auch im Alltag Anwendung finden.
Dazu hat er 2009 das Steinbeis Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland als Transferinstitut für Industriekooperationen gegründet.
Ähnlich wie sein Doktorvater Mücklich setzt auch Andrés Lasagni an der Technischen Universität Dresden auf die Übertragung seiner Technologien in die Praxis. Er ist spezialisiert auf die großflächige Mikro- und Nanostrukturierung und hat mit seinem Team am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik eine Reihe von Systemen für verschiedene Anwendungen der Laserinterferenzstrukturierung zur industriellen Einsatzreife gebracht.
Prof. Lasagni und Prof. Mücklich haben einen großen Beitrag dazu geleistet, Laserinterferenzanlagen zugänglicher zu gestalten. Damit stehen den Anwendern heute das Know-how und die Anlagen zur Herstellung funktionalisierter Oberflächen zur Verfügung.
Ideen und Wünsche gibt es viele - Neben klassischen Anwendungen wie der Minimierung des Verschleißes auf geschmierten Oberflächen sind auch antibakterielle Eigenschaften gefragt, ebenso wie Implantatoberflächen, die die Zellanlagerung für verbesserte Veredelungsprozesse erleichtern, sowie Verbesserungen des Wirkungsgrades von Solarzellen sind geplant. Auch elektrische Steckverbindungen sollen in Zukunft zuverlässiger werden, damit lose Verbindungen keine negativen Auswirkungen auf Fahrerassistenzsysteme oder autonome Fahrfunktionen haben.
Neben Mücklich und Lasagni wird der zweite Preis des Berthold Leibinger Innovationspreises 2016 an folgende Personen für die Forschung und Entwicklung der Verfahren und Systeme verliehen: Dr. Carsten Gachot, Dr. Andreas Rosenkranz, Dr. Michael Hans, Dr. Kim Eric Trinh in Saarbrücken und Dr. Teja Roch, Matthias Bieda, Sebastian Eckhardt, Dr. Denise Günther, Dr. Tim Kunze, Valentin Lang in Dresden.