Körperschall im Schienenfahrzeug
Inhaltsverzeichnis
Projekt |
Entwicklung eines Werkzeugs zur Berechnung von Körperschall in Schienenfahrzeugen |
Bearbeiter |
Dipl. Ing. Sascha Noack |
Laufzeit |
seit 01.01.2019 |
Förderer |
Bombardier Transportation |
Motivation
Der Körperschalleintrag aus dem Antriebssystem bestimmt insbesondere bei transienten Fahrmanövern das wahrgenommene Innenraumgeräusch von modernen Triebfahrzeugen. Eine vertiefte Betrachtung der Körperschallentstehung und -übertragung im Schienenfahrzeug ist daher von großer Bedeutung. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Professur für Dynamik und Mechanismentechnik und Bombardier Transportation wird derzeit die Möglichkeit der Modellbildung des Schwingungsverhaltens eines Elektrotriebzuges bis in den akustischen Frequenzbereich untersucht. Unter Anwendung der entwickelten Methoden sollen zukünftig Modelle weiterer Züge der Vorhersage und Verminderung der in den Innenraum des Zuges eingeleiteten Körperschallleistung dienen.
Methode der elastischen Mehrkörpersimulation (EMKS) für Körperschallgrößen
Zur Analyse der Fahrdynamik sowie niederfrequenter Schwingungen (0 – 30 Hz) im Hinblick auf Fahrkomfort von Schienenfahrzeugen hat sich die Methode der Mehrkörpersimulation (MKS) etabliert. Dabei wird das Fahrzeug in eine definierte Anzahl starrer Körper unterteilt, deren Freiheitsgrad zueinander und bezüglich der Umgebung durch Gelenke festgelegt wird und zwischen denen über masselose Kraftkoppelelemente Kräfte wirken können. Ein großer Vorteil der MKS, beispielsweise gegenüber der Finite-Elemente-Methode (FEM), ist die Möglichkeit nichtlineare Systemeigenschaften im Zeitbereich abzubilden. Um den Gültigkeitsbereich der MKS-Modelle bis in den akustischen Frequenzbereich zu erweitern, muss das strukturdynamische Verhalten der an der Körperschallweiterleitung beteiligten Bauteile über die Integration von flexiblen Körpern berücksichtigt werden. Zur Reduktion des oft sehr großen Freiheitsgrades der mithilfe der FEM erstellten Modelle elastischer Körper verwendet diese Methode eine modale Beschreibung des Systems und eine, dem Problem angepasste, Auswahl an Eigenformen. Neben der Darstellung des Verformungsverhaltens körperschallführender Körper ist für die korrekte Modellierung des Körperschalls eine Erweiterung der Modellierungstiefe um komplexere nichtlineare, räumlich aufgelöste Kraftkoppelelemente und die Modellierung der relevanten Anregungsmechanismen notwendig.
Die in der MKS üblichen Modellannahmen zur Darstellung von Kraftkoppelelementen sind beispielsweise für Wälzlagerungen, Sphärolager und Dämpfer auf Gültigkeit im akustischen Frequenzbereich zu überprüfen und unter Umständen weiterzuentwickeln. Besonderes Augenmerk in Bezug auf die dynamische Anregung wird auf das Getriebe gelegt. Diese ergibt sich aus der sich mit dem Drehweg ändernden Steifigkeit der Verzahnung.
Messungen an Antriebsprüfstand und Gesamtfahrzeug
Neben der Simulation des Körperschalls am Beispiel des Elektrotriebzuges wurden Messungen an einem Antriebsprüfstand und am Gesamtfahrzeug durchgeführt. Anhand der Messdaten konnte herausgefunden werden, dass das Innenraumgeräusch im Beispielzug von Signalanteilen unterhalb von 1000 Hz dominiert wird und daraus abgeleitet der Zielfrequenzbereich der Simulation zu 20 – 1000 Hz festgelegt werden kann. Weiterhin können die gemessenen Schalldrücke und Beschleunigungen später der Modellvalidierung dienen.
Ziele des aktuellen Forschungsprojektes
Ein erster Vergleich von Mess- und Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass noch Verbesserungspotenzial in der Modellbildung des EMKS-Modells des Schienenfahrzeugs besteht. Anhand einer Analyse der Sensitivität ausgewählter Modellparameter sollen die einflussreichen Modellelemente bestimmt und die Modellierungstiefe dieser erhöht werden. Zu den zu betrachtenden Bauteilen zählen dabei die Verzahnungen, Antriebswelle, Wälzlager, Dämpfer, Sphärolager und der Wagenkasten. Ein Austausch der Modellelemente und damit eine einfache Variation der Modellkomplexität kann durch ein modulares Modellkonzept gewährleistet werden. Die Umsetzung dessen erfolgt im Simpack-Wizard, der zusätzlich eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche darstellt und so in Zukunft die Einführung der Körperschallmodellierung in den Entwicklungsprozess neuer Züge bei Bombardier Transportation erleichtern soll.