Identifizierung chemisch-physikalischer Eigenschaften von Verschmutzungen zur strukturbasierten Reinigungsoptimierung in der Lebensmittelindustrie 2 - StReo2
Eine wachsende Produktvielfalt und damit kleiner werdende Chargengrößen erfordern häufige Produktwechsel bei der Lebensmittelproduktion, was neue Herausforderungen hinsichtlich der Gestaltung der dazwischen benötigten Reinigungsprozesse mit sich bringt. Die Wechselwirkungen zwischen den komplex zusammengesetzten Verschmutzungen und der Reinigungsflüssigkeit sind meist nicht ausreichend bekannt, sodass die Reinigungsprozesse nicht an die Reinigungsanforderungen der jeweiligen Produkte angepasst werden. Vielfach erfolgt daher eine Überdimensionierung mit einem hohen Verbrauch an Wasser, Chemikalien und Energie, sodass eine Diskrepanz zwischen Umwelt- und Verbraucherschutz entsteht. Ein tieferes Verständnis der reinigungsrelevanten Eigenschaften individueller Lebensmittelverschmutzungen würde hingegen eine bedarfsgerechte Anpassung des jeweiligen Reinigungsprozesses und damit die Schonung ebenjener wertvoller Ressourcen ermöglichen.
Ziel des Forschungsprojekts war es, in Fortsetzung des Projektes IGF 19640, die Einflüsse chemisch-physikalischer Eigenschaften einzelner Schmutzbestandteile auf das Reinigungsverhalten komplexer Verschmutzungen zu identifizieren und so die erlangte Wissensbasis zu reinigungsrelevanten Schmutzeigenschaften zu erweitern. Als komplex zusammengesetzte Verschmutzungen wurden exemplarisch ausgewählte Verdickungsmitteln mit einem Molkenproteinisolat kombiniert. Dies gestattete einen strukturierten Einblick in Wechselwirkungen, die sich aus der Zusammensetzung variierender Anteile dieser Komponenten in Interaktion mit Quell- bzw. Reinigungsflüssigkeiten unterschiedlicher Temperatur und Natronlaugenkonzentration ergeben. Die ebenso im Vorgängerprojekt IGF 19640 und in weiteren Projekten beider Forschungseinrichtungen entwickelten Methoden zur Charakterisierung reinigungsrelevanter Schmutzeigenschaften wurden in diesem Projekt optimiert sowie weitere Methoden etabliert.
Ein grundlegendes Verständnis für die chemische Struktur der Verschmutzungen wurde durch Analysen der Zusammensetzung, insbesondere des Gehaltes an Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten und Asche sowie der Molekülmassen mittels Gel-Permeations-Chromatographie (GPC) erworben. Mit Entwicklung des Soil-Composition-Change-Versuchs (SoCoC) wurde eine Möglichkeit geschaffen, Strukturänderungen der Verschmutzung, die sich aus der Interaktion mit der Quellflüssigkeit ergeben, zu analysieren. Die Rasterelektronenmikroskopie gestattete zudem Einblick in schmutzspezifische Unterschiede in der Oberflächenrauheit und -rissigkeit.
Bereits in IGF 19640 wurde eine Methode zur Bestimmung von Wasserbindevermögen und Wasserlöslichkeitsindex der Verschmutzungen etabliert. Die Verschmutzungen werden hierbei in Form von Schmutzpulvern in Quellflüssigkeit eingebracht und Quellung und Löslichkeit massespezifisch nach einer definierten Quelldauer und Zentrifugation ermittelt. Neu etabliert wurde eine Methode, bei der Quellung und Löslichkeit von in Quellflüssigkeit eingebrachten Schmutzpulvern kontinuierlich optisch mittels Messung der Transmission bestimmt wird. Das Quellverhalten von Schmutzschichten wurde des Weiteren mithilfe eines Quellbeckens mit Kameraaufbau optisch erfasst, wobei die Schichtdickenzunahme in der jeweiligen Quellflüssigkeit kontinuierlich ermittelt wurde. Aufgrund der unterschiedlichen Messprinzipien ergänzen sich die Aussagen der eingesetzten Methoden und gestatten dadurch einen umfassenden Einblick in das Quell- und Löslichkeitsverhalten von Verschmutzungen.
Die in IGF 19640 etablierte Methode zur Bestimmung der rheologischen Eigenschaften von Schmutzschichten in Kontakt mit der jeweiligen Quellflüssigkeit wurde maßgeblich optimiert. Der Einsatz austauschbarer Schmutzträger für die rheologischen Messungen reduzierte den zeitlichen Versuchsaufwand erheblich und gestattete zudem die Verwendung industrierelevanter Oberflächen als Schmutzträger. Die oszillationsrheometrisch ermittelten Steifigkeiten und Verlustfaktoren gaben Einblick in die schmutz- und quellflüssigkeitsspezifischen mechanischen Eigenschaften der Schmutzschichten sowie deren Änderungen in Abhängigkeit von der Quelldauer. Zudem lieferten die durchgeführten Abzugsuntersuchungen an Schmutzschichten weitere Erkenntnisse zu den mechanischen Schmutzeigenschaften. Hierfür wurden Schmutzschichten in den variierenden Quellflüssigkeiten ebenso für eine definierte Dauer vorgequollen und anschließend mittels Rakel vom Substrat abgezogen. Aus den gemessenen Kräften wurden der mittlere Abzugswiderstands bestimmt. Darüber hinaus gab der spezifische Kraftverlauf Aufschluss über den ortsspezifischen Quellzustand.
An den beiden FE stehen nun zahlreiche Methoden zur Verfügung, mit denen sich reinigungsrelevante Löslichkeits- und Quelleigenschaften, sowie die mechanischen Eigenschaften quellender Schmutzschichten beschreiben lassen.
Untersuchungen des Reinigungsverhaltens der ausgewählten Verschmutzungen in einer ebenen Kanalströmung bei ebenso variierten Reinigungsflüssigkeiten zeigten Analogien zu den Methoden zur Beschreibung des mechanischen sowie Löslichkeits- und Quellverhaltens der Verschmutzungen. Mittels strukturentdeckender, multivariater statistischer Methoden konnten diese Zusammenhänge veranschaulicht und darüber hinaus mit den beobachteten Reinigungsmechanismen in Verbindung gebracht werden. Der entwickelte Entscheidungsbaum ermöglichte es, gut interpretierbare und leicht verständliche Regeln aus dem erfassten Datensatz abzuleiten und lieferte erstmalig eine geordnete Eigenschaftsrelevanz. Dies erlaubt die zielgerichtete Auswahl der Methoden zur Charakterisierung der Schmutzeigenschaften bei Interaktion mit variierenden Reinigungsflüssigkeit und letztlich iterativ die Auswahl einer geeigneten Reinigungsflüssigkeit.
Insbesondere KMU in der Lebensmittelverarbeitung, die häufiger als große Unternehmen Produktwechsel auf ihren Anlagen und somit hygienegerechte Reinigungsprozesse durchführen müssen, können das erzielte Wissen für einen ressourcenschonenden Einsatz an Energie, Wasser und Chemikalien bei der Reinigung anwenden. Die etablierten Methoden ermöglichen darüber hinaus dem Maschinen- und Anlagenbau, der in Deutschland ebenso stark von KMU geprägt ist, eine bessere Abschätzung des zu erwartenden Reinigungsverhaltens von Produkten. Bereits bei den mit der Auslieferung einer Maschine oder Anlage erforderlichen Angaben zur Reinigung, sind somit ressourcenschonendere Empfehlungen zu erwarten. Ein erheblicher Mehrwert wurde auch für zukünftige wissenschaftliche Analysen der Eigenschaften von Verschmutzungen erzielt. Die Projektergebnisse tragen perspektivisch nicht nur im Lebensmittel-, sondern auch im Kosmetik- und Pharmabereich zu einem erheblichen Wissenszuwachs auf diesem Gebiet bei.
Projektfinanzierung:
Das IGF-Vorhaben 20861 BR der Forschungsvereinigung Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Projektlaufzeit: 04.2020 - 07.2022
Projektbearbeitung und Kontakt:
Projektleitung: Prof. Majschak
Projektbearbeiter: Sebastian Kricke
Reinigungstechnologien
NameDipl.-Ing. Sebastian Kricke
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Kooperationspartner:
Technische Universität Dresden, Institut für Naturstofftechnik, Professur für Lebensmitteltechnik