21.09.2023
Tierisch Reich: Alpakas - Lebensretter in der Krebstherapie
Krebs ist eine der häufigsten Krankheiten weltweit und die Arbeit an der Entwicklung neuer Therapieansätze ist groß1. Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von Chirurgie und Strahlentherapie über medikamentöse Behandlung bis zu Immuntherapie. Da jeder Krebs ein Bisschen anders ist, wird heute angestrebt den Patient*innen individuell auf sie zugeschnittene Therapien anzubieten. Dabei werden zum Beispiel moderne Immuntherapien in die Behandlung integriert.
Das Ziel der Immuntherapie ist, das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen zu unterstützen. Dafür werden den Patient*innen therapeutische Antikörper, also körperfremde Antikörper, verabreicht2,3. Ganz allgemein sind Antikörper Proteine, die vom Immunsystem produziert werden, um Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien abzuwehren. Therapeutische Antikörper sind künstlich hergestellte Antikörper mit pharmazeutischer Wirkung. Sie können Tumorzellen identifizieren, chemotherapeutische Wirkstoffe direkt an die Krebszelle tragen oder den Zelltod der Krebszellen auslösen. In der Onkologie werden Antikörper zur Behandlung von Krebserkrankungen bereits verwendet4. Allerdings bestehen in der Therapie mit Antikörpern auch einige Hürden. Im Vergleich zu anderen Wirkstoffen sind Antikörper relativ große Moleküle. Deshalb dauert es eine Weile bis sie durch das Blut durch den Körper an die richtige, vom Krebs befallene Stelle gelangen4,5. Es kann außerdem vorkommen, dass sie vom Weg abkommen und statt an die anvisierte Krebszelle, an gesunde Zellen andocken4. Dort sind sie wirkungslos.
Eine vielversprechende Alternative zu Antikörpern sind kleine Antikörperfragmente namens Nanobodies6. Diese entsprechen nur einem Zehntel der Größe eines normalen Antikörpers. Dadurch können Nanobodies schneller durch das Blut zum betroffenen Gewebe reisen, und dort mit höherer Wahrscheinlichkeit an die angesteuerten Krebszellen binden4.
Trotz ihrer geringeren Größe erfüllen Nanobodies die gleichen Funktionen wie reguläre Antikörper und können Tumorzellen erkennen und binden7. Außerdem können Nanobodies mit anderen Antikörpern einen Komplex bilden. Diese Methode ist vor allem in der Forschung interessant, um die Ausbreitung von Antikörpern im Körper zu verfolgen und herauszufinden ob die Antikörper an ihren Zielort gelangen.
Aber wo kommen die therapeutischen Nanobodies her?
Im Gegensatz zu Menschen bildet das Immunsystem von Kamelen, wie Alpakas, nur sehr kleine Antikörper. Nanobodies sind also von den kleinen Antikörpern dieser Tiere abgeleitet8. Um Nanobodies in Alpakas für therapeutische Zwecke zu produzieren, werden sogenannte Antigene in das Tier eingebracht. Um die eingebrachten Antikörper zu bekämpfen, produziert das Immunsystem des Tieres daraufhin Antikörper, die an diese Antigene binden. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der Funktionsweise von Impfungen8. Um an die gebildeten Antikörper zu gelangen, werden dem Tier Blutproben entnommen. Aus den Blutproben können Alpaka-DNA und Antikörper isoliert werden6. In der DNA der Blutzellen ist der Bauplan der Nanobodies codiert. In Zellkulturen, also künstlichen Zellsystemen, werden die Nanobodies kategorisiert, analysiert und für spezifische therapeutische Anforderungen modifiziert6,8.
Nanobodies gelangen im Vergleich zu großen Antikörpern nicht nur schneller zum Wirkort, sie lassen sich auch leichter herstellen. Sie sind sehr chemisch stabil und trotzen teilweise höheren Temperaturen. Das erleichtert sowohl die Produktions- als auch die Anwendungsverfahren erheblich9. Die Nanobody-DNA kann in Mikroorganismen wie Hefen oder E. coli eingebracht werden, welche dann vollständige Nanobodies in hoher Anzahl produzieren5,8. Dadurch ist die Produktion von Nanobodies vergleichsweise schnell, kostengünstig und skalierbar4,6. Aktuell sehr hohe Kosten für Immuntherapien könnten dadurch reduziert werden. Doch das ist nicht der einzige Vorteil.
Nanobodies statt großer Antikörper sind auch gut fürs Tierwohl. Große Antikörper sind komplexere Moleküle und lassen sich im Gegensatz zu Nanobodies nicht von Mikroorganismen herstellen. Herkömmliche (große) Antikörper werden hauptsächlich von Eseln, Ziegen und Schafen produziert10,11. Ähnlich wie bei der Produktion von Nanobodies, werden die Tiere mit Antigenen behandelt, um deren Antikörperproduktion anzuregen. Jedoch werden Antikörper ausschließlich aus dem Blut der Tiere gewonnen. Da die Nachfrage nach Antikörpern in der Forschung und Therapie sehr hoch ist, werden viele Tiere für die Produktion herkömmlicher Antikörper benötigt. Damit ist der Prozess aufwändig und mit Hinblick auf das Tierwohl ethisch umstritten12.
Durch die Produktion in Mikroorganismen könnte der Einsatz von Nanobodies statt großer Antikörper also für mehr Tierwohl sorgen. Zudem besteht die Möglichkeit die Nanobody Technologie zu einer komplett tierversuchsfreien Produktion weiterzuentwickeln11,13. Mit den vielversprechenden Ergebnissen in Diagnostik und therapeutischen Methoden sind Nanobodies eine aussichtsreiche Technologie in der personalisierten Krebstherapie7,14.
Issue 8 (PDF)
Charlice Hill; Übersetzung Helen Rothfuß, Nele Kheim