20.03.2023
Faktencheck: CRISPR/Cas9 – Ist die Genschere Fluch oder Segen?
Im Jahr 2012 wurde CRISPR/Cas9 von Jennifer Doudna und Emmanuelle Chapentier entdeckt. Es handelt sich um eine Methode, mit der Gene zielgerichtet verändert werden können. CRISPR/Cas9 ist ein Enzym-RNA Komplex und basiert auf einem Abwehrmechanismus, den Bakterien entwickeln haben, um sich vor Virusinfektionen zu schützen1. Die Etablierung dieser Methode in der Wissenschaft, ist ein enormer Durchbruch und eröffnet enorm viele neue Möglichkeiten, auch für menschliche Gentherapie.
Gentherapie kann genutzt werden, um menschliche DNA zu verändern und zielt darauf ab, Gendefekte die zu Krankheiten führen zu korrigieren. Es gibt Vereinbarungen, dass das Werkzeug CRISPR/Cas9 genutzt werden darf, um schwere, nicht vererbbare Krankheiten zu behandeln2. Beim Testen von CRISPR/Cas9 in präklinischen und klinischen Studien gibt es aktuell wissenschaftliche Erfolge zu verzeichnen. Aktuell wird an verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten geforscht, die derzeit noch als nicht heilbar gelten. In klinischen Studien wird CRISPR/Cas9 nun erstmals eingesetzt um Blutkrankheiten3 und Lungenkrebs4 zu behandeln. Auch in der Grundlagenforschung zu HIV oder Krebs hilft die Technologie zugrundeliegende Mechanismen besser zu verstehen.
Im Jahr 2020 haben es Wissenschaftler*innen geschafft, SIV-DNA, dem mutmaßlichen Ursprung von HIV, in Rhesusaffen mit CRISPR-Cas9 zu inaktivieren. Das könnte ein großer Fortschritt für die Therapie von HIV sein5. Zudem konnte in Mäusen mittels CRISPR-Cas9 die Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs nach Infektion mit dem Humanen-Papilloma-Virus verhindert werden4. Rein theoretisch kann CRISPR-Cas9 auch verwendet werden, um Erbkrankheiten zu behandeln und damit zu verhindern, dass die Krankheiten an die nachfolgende Generation weitergegeben werden. Diese Art des Eingriffs wird Keimbahntherapie genannt, da hierbei die Keimzellen, also Vorläufer der Spermien und Eizellen, genetisch verändert werden. Obwohl Keimbahntherapie ein großes Spektrum an medizinischen Möglichkeiten eröffnet, ist das permanente Ändern der Erbinformation eines noch ungeborenen Kindes stark umstritten. Hierfür gibt es medizinische, ethische und gesellschaftliche Einwände. Keimbahntherapie bleibt daher illegal.
Als der chinesische Biophysiker He Jiankui im Jahr 2018 verkündete, dass durch seine Arbeit die ersten genetisch veränderten Babys geboren wurden, hat die Debatte um Keimbahntherapie neu an Fahrt aufgenommen6. Er behauptete mithilfe von CRISPR/Cas9 eine Mutation in das Erbgut der Embryonen eingebaut zu haben, um die daraus entstehenden Kinder immun gegen HIV zu machen. He Jiankui wurde angeklagt und erhielt eine 3-jährige Freiheitsstrafe7.
Die große Skepsis rund um Keimbahntherapie ist vor allem dadurch begründet, dass das Ändern des Erbguts auch unvorhersehbare Gesundheitsrisiken mit sich bringt und große gesellschaftliche Fragen aufwirft. Obwohl CRISPR/Cas9 ein extrem präzises Werkzeug zur Veränderung von Erbgut ist, können auch andere Stellen in der DNA fälschlicherweise geschnitten werden. Was das nach sich zieht, kann nicht vorhergesagt werden. Ungewollte Effekte von Keimbahntherapie betreffen sowohl die Menschen, die behandelt werden, als auch deren Kinder und Enkel. Nebeneffekte sind unvorhersehbar und damit widerspricht die Keimbahntherapie den medizinischen Grundsätzen keinen Schaden anzurichten und der notwendigen informierten Einwilligung des Patienten vor der Behandlung. Deshalb wird Keimbahntherapie, bis auf den Skandal rund um He Jiankui, weiterhin auf Laborexperimente fernab vom Menschen beschränkt bleiben.
Während es große Bemühungen gibt, Hindernisse, wie das ungewollte Schneiden zufälliger DNA-Positionen8, zu beseitigen, gibt es dank CRISPR/Cas9 bereits viele Erfolge zu verzeichnen, die Aussicht auf verbesserte Gesundheit ermöglichen.
Issue 4
Klaudia Ostatek, Kajol Bajaj, Julia Hempel, Natalia Wulff; Übersetzung Nele Kheim