17.12.2023
Faktencheck: Vitamin D – eine Dosis Sonnenlicht gegen Depressionen?
"Was ist Vitamin D? - Das beste Antidepressivum"1 und "Mit einem Lächeln durch den Tag? Easy!"2
Mit solchen Versprechen wird für die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten geworben, passend zur aktuell ohnehin hohen Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln. Schenkt man diesen Werbeslogans Glauben, kann Vitamin D vorbeugend gegen Krankheiten wie Grippe, Krebs oder Depressionen wirken.
Im Jahr 2019 litten weltweit rund 280 Millionen Menschen an einer Depression3. Diese weit verbreitete psychische Erkrankung kann alle Menschen betreffen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Ethnie. Depression löst bei Betroffenen einen Zustand der Apathie aus und erschwert damit die Bewältigung des Alltags. Zusätzlich haben Menschen mit Depressionen ein erhöhtes Risiko für körperliche Gesundheitsprobleme und eine erhöhte Suizidgefahr3,4. Vitamin D und Depressionen wurden in den letzten Jahren öfter in einen vermeintlichen Zusammenhang gebracht5,6.
Doch hängen niedrige Vitamin-D-Werte und Depressionen wirklich zusammen? Oder andersherum: Können Vitamin-D-Supplemente bei Depressionen helfen?
Vitamin-D-Mangel ist ein weit verbreitetes Phänomen. Hauptursache ist ein Defizit an Sonnenlicht, denn Vitamin D wird hauptsächlich in der Haut bei direktem Kontakt mit Sonnenstrahlen gebildet. Vor allem im Winter kann daher ein Mangel auftreten. Hinzukommt, dass viele Menschen in Europa einen Großteil ihrer Zeit in geschlossenen Räumen verbringen und ohnehin wenig Zeit in der Sonne verbringen. Noch dazu kommen aber auch andere individuelle Faktoren, wie Alter oder Hautpigmentierung, die bestimmen, wie viel Vitamin D vom Körper produziert wird5,7,8,9. Das Vitamin hat viele wichtige Funktionen im Körper. Es ist unter anderem notwendig, um die Menge an Serotonin im Körper dauerhaft zu stabilisieren. Serotonin ist ein Hormon und trägt dazu bei, Angstgefühle und Depressionen zu regulieren. Ein normaler Serotoninspiegel, zusammen mit einer ausreichenden Menge an Vitamin D Rezeptoren im Gehirn, sind also für die Stimmungsregulierung entscheidend10.
Da Vitamin D eine Rolle in einer gesunden Stimmungsregulierung spielt, haben Studien untersucht, ob ein geringer Vitamin-D-Wert mit einem erhöhten Risiko für Depressionen einhergeht. Das Ergebnis ist nicht eindeutig. Einige Studien fanden einen Zusammenhang7,11,12, andere nicht13,14,15. Es ist tatsächlich sehr schwierig Studien so zu konzipieren, dass Ursache und Wirkung eindeutig voneinander zu unterscheiden sind. Löst der niedrige Vitamin-D-Spiegel die Krankheit aus oder führt eine Depression, mit verminderter Motivation rauszugehen, zu niedrigem Vitamin-D-Spiegel7,16? Diese umgekehrte Kausalität muss in Betracht gezogen werden.
Um nachvollziehen zu können, wie Ursache und Wirkung nun zusammenhängen, wurden Studien zur Wirkungsweise von Vitamin-D-Supplementen auf Depressionen untersucht. Die Ergebnisse solcher Studien sind ebenfalls widersprüchlich und reichen von keiner feststellbaren positiven Wirkung bis zu einer Verringerung depressiver Symptome durch Supplemente8,11,16. Die Zahl an Studienteilnehmer*innen, die Vitamin-D-Dosierungen und Dauer der Supplementierung unterscheiden sich zwischen Studie6,17,18. Das macht es schwer ihre Ergebnisse gut zu vergleichen.
Ein häufiges Problem an Studien waren Unterschiede innerhalb der Studienteilnehmer*innen6,17,18. Bei der Auswahl der Studienteilnehmer*innen ist zu berücksichtigen, dass der Vitamin-D-Spiegel von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Wie gut ein Vitamin-D-Präparat wirkt, unterscheidet sich außerdem von Person zu Person abhängig von Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und genetischen Faktoren6,11,12,16,17,18. Die meisten Studien analysierten solche Störfaktoren jedoch nicht und gaben andere Mängel in der Studienführung nicht wieder, obwohl diese maßgeblich die Ergebnisse beeinflussen6,17,18.
Trotz dieser Schwierigkeiten war in den Studienergebnisse unter bestimmten Bedingungen eine Tendenz erkennbar. Zwei Arten von Teilnehmenden profitierten tatsächlich von Vitamin-D-Präparaten: Sowohl 1) Personen mit schwerer Depression und normalen Vitamin-D-Werten und 2) Personen mit leichter Depression und Vitamin-D-Mangel hatten signifikant verringerte depressive Symptome wenn sie Vitamin-D-Präparate zu sich nahmen6,17,18. Bei Personen mit leichter Depression und Vitamin-D-Mangel hatte die Vitamin-D-Supplementierung aber keinen positiven Effekt auf ihre depressiven Symptome6.
Alles in allem gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass ein hoher Vitamin-D-Spiegel Depressionen lindern kann. Aufgrund der vielfältigen neurologischen Wirkungen von Vitamin D liegt jedoch ein Zusammenhang zwischen beidem nahe. Bei klinisch depressiven Patient*innen scheint eine Vitamin-D-Supplementierung wirkungsvoll zu sein. Aber auch Menschen mit leichten Depressionen wird empfohlen, ihr Vitamin-D Level ärztlich auf einen möglichen Mangel testen zu lassen, da die Einnahme von Vitamin D in diesem Fall nachweislich Symptome lindert. Laut aktuellem Kenntnisstand sorgt Vitamin D allerdings nur bei diesen spezifischen Gruppen dafür, dass sie „mit einem Lächeln durch den Tag“ gehen. Vitamin D ohne ärztlichen Rat zu supplementieren ist daher nicht per se zu raten.
Issue 12 (PDF)
Lilli Kratzer, Linda Krause, Hanna-Margareta Schwarzbach; Übersetzung Helen Rothfuß