13.01.2024
Tierisch Reich: Superwolle -Angora Kaninchen und ihre wirtschaftliche Bedeutung
Angorakaninchen haben ein ganz besonderes Fell aus dem sich hochwertige Wolle herstellen lässt. Das wussten auch schon die Nazis, die in ihren Konzentrationslagern fast 65.000 Angorakaninchen hielten. Die großzügigen, teils sogar beheizten Kaninchenställe, befanden sich in mehr als 30 Konzentrationslagern wie Dachau und Auschwitz. Die Kaninchen bekamen im Gegensatz zu den Gefangenen in den Lagern ausgewogene Mahlzeiten und wenn nötig ausgezeichnete ärztliche Behandlung. Die Kaninchenzucht hatte sogar einen Namen: „Projekt Angora“. Bis 1943 produzierten die Kaninchen mehr als 4.500 kg Wolle1. Direkt neben den luxuriösen Ställen der Kaninchen lebten die menschlichen Gefangenen unwürdig zusammengepfercht und wurden brutal ermordet. Ein starker Kontrast der die Grausamkeiten der Nazis unterstreicht. Aber warum der ganze Aufwand um die Kaninchen und ihre Wolle und welche Rolle spielt Angorawolle heute?
Die Fasern der Angorakaninchen sind medulliert 2, das heißt sie sind innen hohl3. Dadurch kann Angorahaar zum einen besonders viel Wärme speichern und ist außerdem sehr leicht. Dass sie zudem geruchlos4 und hypoallergen ist5, macht Angorawolle besonders geeignet für Textilien4,5. Für medizinische Zwecke kann die Wolle in Thermounterwäsche, Krankenhausdecken und auch als Linderungsmittel bei arthritischen Erkrankungen und Gelenkschmerzen zum Einsatz kommen6,7. Mit ihren Eigenschaften hatte und hat Angorawolle auch heute noch einen sehr luxuriösen Ruf8,9. Die Nazis verwendeten die Wolle daher für die Uniformen der SS-Offiziere.
Angorakaninchen produzieren im Verhältnis zu ihrer Größe sehr viel Wolle, deutlich mehr als z.B. Schafe6. Wie viel Wolle einem Angorakaninchen abgenommen werden kann, hängt vom Alter, Geschlecht und der Methode der Wollernte ab10. Die Wolle von Angorakaninchen wird hauptsächlich durch Rupfen oder Scheren geerntet6. Auf kommerziellen Angorafarmen wird die Wolle häufig gerupft, da es schneller und billiger ist. Allerdings ist das die für die Tiere sehr schmerzhafte Methode6. Die Wolle wird 3-6 Mal im Jahr an den Haarspitzen in kleinen Büscheln ausgerissen. Die gewonnenen Fasern sin beim Rupfen am längsten und wertvollsten. Alternativ kann man die Kaninchen auch alle drei Monate scheren. Die gewonnenen Fasern sind dabei allerdings kürzer und weniger wertvoll. Dafür geht es schneller und ist für die Tiere weniger schmerzhaft. Pro Jahr lässt sich durch das Scheren mehr Wolle gewinnen.
Im Jahr 2000 wurden weltweit etwa 8000 Tonnen Angorawolle produziert, über 90 % davon in China10. Von dort wird die Wolle hauptsächlich nach Europa (Deutschland, Italien, Großbritannien) und Asien (Indien, Japan, Südkorea) exportiert11. Der aktuelle Preis für Angorawolle liegt zwischen 35 und 260 USD pro Kilo12,13. Der Preis variiert je nach Rasse und Produktionsqualität allerdings stark. Multipliziert man die Preisspanne mit der recherchierten Jahresproduktion von 8000t, ergibt sich durch den Verkauf von Angorawolle ein jährlicher Umsatz von 280.000 bis 2.080.000 USD. Je nach Rasse produzieren die Kaninchen 350g - 1.000g Wolle pro Jahr12. Bei einer Lebensdauer von drei Jahren und einem durchschnittlichen Wollpreis von 147 USD pro Kilo generiert ein Kaninchen also einen Umsatz zwischen 154 und 441 USD. Der wichtigste Indikator für die wirtschaftliche Rentabilität der Kaninchen ist das Verhältnis zwischen Futteraufnahme und Wolleproduktion10. In einer Arbeit aus dem Jahr 2019 wurde dieses Verhältnis bei Angorakaninchen berechnet. Man rechnete aus, dass nur die ersten 13 Wollernten rentabel sind. Mit zunehmendem Alter produziert das Tier immer weniger Wolle, sodass die Haltung teurer ist als die entnommene Wolle. Wenn man davon ausgeht, dass die Wolle alle drei Monate geerntet wird, ist die Haltung der Kaninchen also nur in ihren ersten 3 Lebensjahren rentabel. Obwohl die Lebenserwartung bei 5-8 Jahren liegt14, werden kommerziell gehaltene Kaninchen nach etwa drei Jahren getötet10.
Die Haltung der Tiere immer mehr umstritten. 2013 veröffentlichte PETA ein Video in dem klar wurde, wie schlecht die Tiere in den Farmen untergebracht und behandelt werden15. Die Veröffentlichung der Tierquälerei hatte auch wirtschaftliche Folgen: Nach dem Skandal stellten große Modemarken die Verwendung von Angorafasern für ihre Kleidung ein1.
Angorakaninchen produzieren in der Tat außergewöhnlich gute Wolle, die in der Wollindustrie eine Nische einnimmt. Bei der Produktion sollte jedoch mehr auf das Wohlergehen der Kaninchen geachtet werden. Den Preis für die besondere Faser sollten nicht nur die Tiere zahlen.
Emma Markwardt, Übersetzung Nele Kheim