17.02.2024
Tierisch Reich: Eselhaut für ewige Jugend
Überall wollen die Menschen dem Alter optisch entfliehen und greifen daher zu allen Mitteln die Verjüngung versprechen. Ejiao, Gelatine hergestellt aus Eselhaut, wird in China als solch ein Wundermittel gehandelt und für allerlei Kosmetika verwendet. Da die Menschen in China immer älter werden und durch wirtschaftlichen Aufschwung über zunehmend finanzielle Mittel verfügen, steigt die Nachfrage nach Ejiao seit Jahren exponenziell an1. Das Geschäft mit Ejiao ist für die Produzenten äußerst lukrativ, weshalb sie Esel aus der ganzen Welt für ihren Zweck kaufen und töten. Das hat dramatische Folgen für die globale Eselpopulation und für die Eselbesitzer*innen.
Traditionelle chinesische Medizin reicht über 5000 Jahre zurück und nutzt seither tierische Derivate für Heilittel2, 3. Eselshäute sind ein solches Derivat zur Herstellung von Ejiao. Ejiao ist eine Gelatinesubstanz, die in verschiedenen Gesundheits- und Schönheitsprodukten verwendet wird1. Die steigende Nachfrage macht Esel sehr wertvoll, der Handel mit Eselshaut wirft allerdings auch große wirtschaftliche und soziale Probleme auf. Durch ihre Arbeitskraft sind die Tiere lebendig sehr wichtig für die Versorgung ländlicher Gemeinden. Vor allem in afrikanischen Ländern könnte das Verschwinden der Esel zum wirtschaftlichen Ruin ländlicher Gemeinschaften führen. Von 2013 bis 2016 ist die Ejiao-Produktion in China um 20 %, von 3200 t auf 5600 t im Jahr, gestiegen4. Aus der Haut eines Esels werden etwa 1,25 kg Ejiao gewonnen5. Um die Nachfrage nach 5600 t zu bedienen, müssen jedes Jahr also etwa 4.480.000 Esel getötet werden. Da sie unter prekären Bedingungen transportiert werden sterben bis zu 20 % der Esel, bevor sie den Schlachthof überhaupt erreichen4. Somit ist die tatsächliche Zahl der geforderten Esel wahrscheinlich noch höher als 4,48 Millionen. Nur 1,8 Millionen der benötigten Esel kommen aus China, etwa 2,5 Millionen Esel müssen aus der ganzen Welt importiert werden. Das gefährdet die Eselpopulation in China, aber auch weltweit4, 6, 7. Die steigende Nachfrage in dieser Größenordnung schafft einen lukrativen Markt. Aus Subsahara-Afrika werden jährlich etwa 1,8 Millionen Eselhäute nach China exportiert8. In vielen afrikanischen Ländern wie Kenia werden chinesische Schlachthöfe betrieben, in denen täglich hunderte Esel getötet werden9, 4. Die Tötung all dieser Esel wirft jedoch mehrere Probleme für die örtliche Bevölkerung auf. In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ist die Landbevölkerung in der Landwirtschaft, im Transportwesen und im Bauwesen auf Esel angewiesen10, 6, 11. In Ghana erspart der Besitz eines Esels einem Erwachsenen circa 5 Stunden Arbeit pro Woche, Kindern 10 Stunden12. Der Lebensunterhalt von rund 158 Millionen Menschen hängt allein in Afrika von ihnen ab.
Die hohe Nachfrage nach Eseln hat einen Markt für Zwischenhändler geöffnet. Zwischenhändler haben Verbindungen zur lokalen Bevölkerung und zu chinesischen Schlachthäusern, an die sie die Esel verkaufen. Der Verkauf eines Esels an einen Zwischenhändler verschafft dem Einzelnen einen kurzfristigen finanziellen Schub. Auf lange Sicht kann er aber den finanziellen Ruin bedeuten. Wenn Bauern ihre Esel nicht verkaufen wollen, werden ihnen die Esel oft sogar gestohlen4. Mit jeden Esel, der durch Verkauf oder Diebstahl weg ist, verlieren die Kleinbauern durchschnittlich 109,73 Dollar pro Monat13. Die fehlende Arbeitskraft der Esel muss durch mehr menschliche Arbeit ersetzt werden. Vor allem die Kinder müssen dann oft mehr anpacken und können nicht zur Schule gehen. Dadruch verschlechtert sich deren Bildung t und der Armutskreislauf setzt sich fort. Das Ergebnis ist, dass vor allem den ärmsten Gemeinden, jedes Jahr Millionen von Dollar verloren gehen4. Wegen der strukturellen negativen Auswirkungen haben viele afrikanische Länder den Handel mit Eselshäuten verboten. In Botswana, Uganda, Tansania, Niger, Ghana, Gambia, Äthiopien, Burkina Faso, Mali und Senegal ist die Ausfuhr von Eselshäuten illegal14.
Der Handel wirkt sich nicht nur negativ auf Menschen aus, die auf die Unterstützung der Tiere angewiesen sind, die Nachfrage nach Eselhäuten führt auch dazu, dass Esel vom aussterben bedroht sind. Für Massentierhaltung eignet sich die Art nicht. Esel haben komplexe Ernährungsbedürfnisse, eine lange Schwangerschaft und besondere soziale Bedürfnisse16, 17. Bis China ein Eselzuchtsystem aufgebaut hätte, das seiner Nachfrage nach Eselshäuten gerecht wird, würde es 15-20 Jahre dauern1. Bis dahin wird der Schaden für die weltweite Eselpopulation und diejenigen, die von den Tieren abhängig sind, bereits irreparabel sein. Selbst am Ende der Lieferkette macht sich die schrumpfende Eselpopulation bemerkbar. Seit 2018 sinken die Einnahmen von Ejiao-Unternehmen wegen der Knappheit an Eselshäuten. Die Unternehmen prognostizieren auch für die kommenden Jahre sinkende Gewinne4. Mit dieser Recherche wird deutlich: Das Töten von Eseln zur Herstellung von Ejiao ist zwar zunächst profitabel, aber auf lange Sicht nicht nachhaltig und sogar schädlich. Das Problem ist aber nicht einfach zu beseitigen. "Solange es eine Nachfrage gibt, wird es auch einen Weg geben, ihr nachzukommen"15.
Die Schließung von Schlachthöfen und die gesetzliche Regelung des Handels mit Eselshäuten nach China haben nur begrenzten Erfolg gezeigt. Aus den Handelsverboten ist ein illegaler Markt hervorgegangen, der nun mehr geahndet werden müsste. Weltweit auf das Thema aufmerksam zu machen ist daher von großer Bedeutung. Die Zusammenarbeit zwischen NGOs, Behörden und Regierungen sind unerlässlich, sowohl in vom Handel betroffenen Ländern, als auch in westlichen Ländern. Schließlich ist die globale Eselpopulation bedroht. Außerdem ist dringend Forschung nötig, die zur Entwicklung nachhaltiger Alternativen zu Ejiao beiträgt. Vielversprechend ist die chinesische Zellkulturindustrie. Sie probiert Kollagen aus gezüchteten Eselzellen herzustellen4. Dies könnte eine nachhaltigere, besser kontrollierbare Quelle für Ejiao sein.
Cosima Sagurna, Übersetzung Nele Kheim
Issue 15 (PDF)