25.06.2023
Tierisch Reich: Überfischung und illegaler Handel – Ein Blick auf die Aalindustrie
Fischerei ist weltweit ein wichtiger Industriezweig. Allerdings sind viele marine Arten durch kommerzielle Fischerei und Überfischung vom Aussterben bedroht, da sich die Populationen nicht mehr fortpflanzen können1. Besonders der Europäische Aal (Anguilla anguilla) ist bereits als "vom Aussterben bedroht" eingestuft2,3. Das liegt daran, dass nur 10% der Jungaale in der Natur überleben und ein fortpflanzungsfähiges Alter erreichen4. Diese Jungaale werden nun auch noch in großen Mengen zu hohen Preisen international gehandelt5. Regulierungen zum Artenschutz sollen nun die Erholung der gefährdeten Europäischen Aalpopulationen bewirken2,6.
Wie kommt es zur Bedrohung der Aale?
Der Europäische Aal hat einen komplexen und langen Lebenszyklus. Die Aale legen im Laufe ihres Lebens 5000 - 6000 km von Süßwasser in den Ozean zurück, um zu laichen. Aale leben als Gelbaale im Süßwasser, bis sie im Alter von 15-30 Jahren geschlechtsreif werden7. Sie werden dann von Gelb- zu Silberaalen, bevor sie zu ihrem Paarungsort in der Sargassosee, einem Gebiet im Atlantik, wandern8. Die geschlüpften Larven treiben dann bis zu 3 Jahre über den Golfstrom an die Küstengewässer Europas und Afrikas7,8. Wenn sie den Kontinentalschelf erreichen, entwickeln sie sich von Larven zu Glasaalen, von denen die meisten ihre Wanderung zu den Kontinentalgewässern als pigmentierte Gelbaale abschließen4,7.
Da dieser Lebenszyklus so komplex ist, ist die Aalzucht darauf angewiesen freilebende Glasaale zu fangen. Es gibt in Europa verschiedene Aal-Fischereien, die größten Aalproduzenten sitzen allerdings in Asien7,9. Da einzelne Glasaale recht klein sind, wird die verkaufte Menge an Aalen nicht an Stückzahlen, sondern am Gewicht gemessen. Ein Kilogramm Glasaal besteht aus etwa 3.500 Individuen. Das heißt, dass 1000 Tonnen etwa 3,5 Milliarden Individuen entsprechen10. Im Jahr 2019 wurden etwa 4000 Tonnen A.anguilla(Lebendgewicht, alle Lebensstadien) in freier Wildbahn gefangen. Das ist dreimal weniger als 1980. Gleichzeitig wurden im Jahr 2019 etwa 5000 Tonnen Aale in Aquakulturen produziert11. Im Jahr 2018 betrug der geschätzte Wert eines verarbeiteten Filets auf Verbraucherebene in Europa 60 €/kg. Das ist deutlich teurer als andere Fische (z.B. Atlantischer Lachs ~15,00€/kg) 10,12. Daraus wurde berechnet, dass der durch den Aalmarkt auf Verbraucherebene generierte wirtschaftliche Umsatz zwischen 59 Millionen Euro und 711 Millionen € pro Jahr für rohes Filet und zwischen 188 Millionen Euro und 2,27 Milliarden € für verarbeitetes Filet liegt10. Die Marktpreise unterscheiden sich jedoch von Land zu Land innerhalb Europas.
Nicht nur die Artenschutzregulierungen sollen den Europäischen Aal schützen. Seit 2010 ist außerdem der Import und Export in der EU verboten6. Allerdings ist der Aal vor allem in Japan und China sehr beliebt. Die hohe Nachfrage treiben die Aalpreise in die Höhe was auch zu illegalen Exporten führt. Zwischen 2015 und 2017 konnten etwa 50% der verzeichneten Menge an gefangenen Aalen (entspricht ca. 30 Tonnen) nicht nachverfolgt werden. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Fisch nach Ostasien verkauft wurde10. Europol schätzte, dass 2018 etwa 100 Tonnen Aale an chinesische Aal-Farmen geschmuggelt wurden13. Das entspräche 350 Millionen individuellen Glasaalen und ca. 625 Millionen Euro.
Der illegale Handel ist groß, aber aufgrund von nicht gelisteten Fangzahlen nur schwer exakt zu bemessen. Das Fangen der kleinen Glasaale ist essenziell für das Wachstum und Bestehen der Aalindustrie5. In Aquakulturen werden die Tiere großgezogen und weiterverkauft. Das Fangen der Glasaale im großen Stil bedroht die Art extrem, wird allerdings durch die hohen Profite im Schwarzmarkt extrem angekurbelt7. Da helfen die Schutzmaßnahmen Europas nur bedingt. Die großen Dimensionen und die Beständigkeit des illegalen Markts – der potenziell dreimal so groß ist wie der legale Markt! - hat nicht nur massive Auswirkungen auf den Bestand der Aale, sondern untergräbt auch die Glaubwürdigkeit der europäischen Aal-Schutzpläne10.
Schlussendlich kann der Europäische Aal nur geschützt werden, wenn er auf den Tellern der Menschen weniger populär wird. Vielleicht würde ein allgemeines Fangverbot helfen das Image des Aalhandels und -konsums zu verschlechtern. Zudem könnten Bildungskampagnen dazu beitragen die Nachfrage zum Schutz der Art mit dem rätselhaften Lebenszyklus zu senken. Darüber hinaus müsste der illegale Handel konsequent verfolgt werden. Zukünftige Entscheidungen und Vorsichtsmaßnahmen sind essenziell damit diese einzigartige Spezies nicht endgültig dem Konsumverhalten der Menschheit zum Opfer fällt.
Issue 7 (PDF)
Charlotte Kricke; Übersetzung Nele Kheim