17.07.2018
Verzerrte Ordnung als Schlüssel der chemischen Katalyse
Ein Paradoxon der chemischen Katalyse hat ein internationales Forscherteam jetzt gelöst – und zugleich den Weg für Neuentwicklungen in diesem Feld geebnet. Katalysatoren sind Stoffe, die chemische Prozesse beschleunigen oder überhaupt erst ermöglichen. Besonders Platinlegierungen sind als sehr aktive Katalysatoren in der Energiespeicherung und -wandlung in Batterien und Brennstoffzellen bekannt. Ihre hohe Aktivität verdanken sie ihrer chemischen Zusammensetzung und speziell strukturierten Oberflächen, die ausgeprägte atomare Ordnungen aufweisen. Im Widerspruch dazu standen jahrelang die ungeordneten Varianten solcher Platinlegierungen, denn auch diese erwiesen sich als hochkatalytisch.
Ein Team von Chemikern der TU Dresden, der TU Berlin, der Universität Grenoble Alpes mit dem Centre nationale de la recherche scientifique, der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts hat nun das Paradoxon gelöst: mit einer neu entwickelten, vereinheitlichten Beschreibung der beiden Katalysatorsorten und deren Reaktivitäten. In strukturierten Platinlegierungen speist sich die Katalyseleistung aus der Einheitlichkeit der Atomgruppierungen; die gleichmäßige Anordnung erzeugt eine hohe Reaktivität. Diese fällt bei den uneinheitlichen, verzerrten Atomgruppierungen in struktureller Unordnung zwar meist geringer aus – vereinzelt aber treten hier Gruppierungen auf, die besonders effiziente chemische Reaktionen ermöglichen. Die Stärke dieser unstrukturierten Oberflächen liegt in der Vielfalt ihrer atomaren Anordnungen, die mitunter besonders reaktive Muster erlaubt – welche wiederum nur in ebendiesem ungeordneten Verbund auftreten und wirksam sind.
Diesen Verbund mag man sich wie eine Werkhalle vorstellen: Eine gut strukturierte, geordnete Produktionskette kommt mit verschiedenen Arbeitsstationen gleicher oder ähnlicher Leistung gut zurecht. Ungeordnet geht es auf den ersten Blick chaotisch und ineffizient zu – jedoch können besonders schnelle, produktive Stationen die Leistung auf ein gutes Durchschnittsniveau heben.
Die Erkenntnisse der internationalen Forschergruppe geben auch Aufschluss über die Abnutzung und Alterung der Katalysatoren. Die strukturelle Unordnung kommt durch eine Oberflächenverzerrung im Zuge des Alterungsprozesses zustande; dessen Auswirkungen sind durch die neu entwickelte Beschreibung besser verständlich. „Das ist zunächst ein Ergebnis der Grundlagenforschung“, so Prof. Alexander Eychmüller von der TU Dresden, „aber Katalysatoren sind natürlich extrem wichtig für die gesamte chemische Industrie, aber auch für Fragen in Zusammenhang mit der Elektromobilität.“ Die neu entwickelte Beschreibung der Katalysatoren und das damit einhergehende Verständnis der Katalyseleistung stellt einen großen Sprung in diesem Forschungszweig dar.
Für die vergleichende Studie hatte die Dresdner Arbeitsgruppe um den Professor für Physikalische Chemie einen eigens entwickelten, gelbasierten Elektrokatalysator geliefert. „Wir arbeiten weiter an diesen und ähnlichen Katalysatoren in Hinblick auf Brennstoffzellanwendungen, aber auch an neuen Konzepten für die CO2-Reduktion – ein SNF-DFG-Projekt, das uns soeben mit den Schweizer Forschungspartnern bewilligt wurde.“
Kontakt für Journalisten:
Prof. Alexander Eychmüller
Physikalische Chemie, TU Dresden
Tel.: +49 351 463-39843
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