DFG-Projekt "Die kontinuierliche Dynamik von Zielen"
In jedem wachen Moment unseres Lebens werden wir mit einer Fülle von Sinneseindrücken konfrontiert. Unser Verhalten wird dabei durch das Zusammenspiel unserer Ziele und Intentionen mit Ereignissen in der Umwelt geformt: Einerseits strukturieren Ziele unsere Wahrnehmung der Umgebung und die Art und Weise, wie wir auf sie reagieren; andererseits können Ereignisse in der Umwelt Ziele modulieren oder – sofern sie stark genug sind – sogar überschreiben. Das Anliegen unseres DFG-Projektes „Die kontinuierliche Dynamik von Zielen“ ist es, diese Dynamiken zielgerichteten Verhaltens besser zu verstehen.
Unsere Forschungsagenda ist auf die Beantwortung zweier Fragenkomplexe ausgerichtet:
(1) Wie werden Ziele im kognitiven System repräsentiert?
(2) Wie beeinflussen diese Zielrepräsentationen kontinuierliches Verhalten über die Zeit?
Im Zentrum von Fragenkomplex (1) steht die These, dass Ziele als kontinuierliche Muster von Aktivierung im Arbeitsgedächtnis repräsentiert werden. Diese Annahme überprüfen wir in einer Reihe innovativer Verhaltensexperimente. So untersuchen wir beispielsweise, inwiefern der Wechsel zwischen Zielen durch deren Ähnlichkeit erleichtert oder erschwert wird und ob Zielrepräsentationen – ähnlich wie nicht-intentionale Inhalte im Arbeitsgedächtnis – durch externe Einflussfaktoren moduliert werden können.
Den Kern von Fragenkomplex (2) bildet die Annahme, dass sich stimulus-getriebene (bottom-up) und intentions-getriebene (top-down) Teilprozesse zielgerichteter Handlungssteuerung dynamisch über die Zeit entfalten. Unser Ziel ist es, diese zeitlichen Dynamiken abzubilden und damit tiefere Einblicke in die Mechanismen willentlicher Handlungssteuerung zu erlangen. Zu diesem Zweck setzen wir verschiedene kognitionspsychologische Paradigmen ein, die unterschiedliche Anforderungen an die zu Grunde liegenden stimulus- und intentions-getriebenen Prozesse stellen. Der Fokus liegt dabei auf der kontinuierlichen Erfassung des Antwortverhaltens im Verlauf einzelner Trials dieser Paradigmen. Hierzu kombinieren wir eine Reihe zeitkontinuierlicher Messmethoden (z.B. Bewegungstrajektorien, Augenbewegungen und frequenzmarkierte Aktivierung im EEG) miteinander, um sowohl die Kontinuität offenen Verhaltens als auch die Dynamik der zu Grunde liegenden aufmerksamkeitsbezogenen Prozesse in ihrem zeitlichen Verlauf abzubilden.
Parallel zum empirischen Teil unseres Forschungsprogramms werden wir beide Fragenkomplexe im Rahmen mehrerer Modellierungsstudien untersuchen. Unser Ziel ist es hierbei, kontinuierliche Modelle zielgerichteten Verhaltens zu entwickeln, welche es uns erlauben, die Kontrolle kontinuierlicher Zielrepräsentationen in kontinuierlicher Zeit zu erforschen. Dazu verwenden wir dynamische neuronale Felder – einen biologisch plausiblen Modellierungsansatz, welcher Kognition als ein kontinuierliches Phänomen begreift, das eng mit sensorischen und motorischen Prozessen gekoppelt ist. Dabei sollen unsere Modelle nicht nur eine formale Implementation unserer theoretischen Annahmen darstellen und diese validieren, sondern auch neue Hypothesen zur Dynamik zielgerichteten Verhaltens liefern, die in weiteren empirischen Arbeiten überprüft werden. Wir sind davon überzeugt, dass diese enge Verzahnung von kontinuierlicher Modellierung mit kontinuierlicher Verhaltensmessung neue Einblicke in die dynamische Steuerung intentionaler Handlungen liefern wird.