May 10, 2023
Studentisches Ehrenamt: Friedrich Ohrt von „Ingenieure ohne Grenzen“ im Interview
Bereits seit 20 Jahren leistet „Ingenieure ohne Grenzen e.V.“ wichtige Entwicklungsarbeit vor allem im Globalen Süden. Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe will der Verein so die Wasser- und Energieversorgung unterstützen sowie Bildungseinrichtungen und die zivile Infrastruktur voranbringen.
Friedrich ist neben seinem Studium an der TU Dresden ehrenamtliches Mitglied der Regionalgruppe Dresden. Hier ist er für die Projekt- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig und kümmert sich um die IT-Administration. Im Interview gibt er einen Einblick in seinen Alltag mit dem Engagement und erklärt, warum es für ihn so wichtig ist neben dem Studium ehrenamtliche Erfahrungen zu sammeln.
Erzähl uns bitte kurz, wer ihr seid und wofür ihr in der Regionalgruppe Dresden steht!
„Ingenieure ohne Grenzen“ ist eine deutschlandweite Organisation der technischen Entwicklungszusammenarbeit, die sich in lokalen Regionalgruppen organisiert. Diese Regionalgruppen betreuen hauptsächlich Inlands- wie Auslandsprojekte, organisieren aber beispielsweise auch Workshops.
Wie bist du zum Ehrenamt bei „Ingenieure ohne Grenzen“ gekommen?
Schon seit Beginn meines Studiums wollte ich mich, soweit zeitlich möglich, neben der Universität engagieren. Ende 2020 hat mich ein Kommilitone auf „Ingenieure ohne Grenzen“ aufmerksam gemacht. Daraufhin habe ich mich bei einigen Treffen, die zu dieser Zeit pandemiebedingt online stattfanden, dazugeschaltet. Ich habe mich direkt gut aufgenommen gefühlt und über die ersten Wochen die Organisation, ihre Arbeitsweise und ihre Projekte kennengelernt. Begeistert haben mich insbesondere die Zielsetzung, die Lebensbedingungen benachteiligter Menschen nachhaltig zu verbessern, das bevorzugte Mittel der partnerschaftlichen Unterstützung und der ganzheitliche Ansatz, welcher auch Bildung und Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet. Außerdem herrscht in der Regionalgruppe durchweg freundschaftliches Klima, der Spaß kommt bei der Arbeit auch nicht zu kurz. Das alles hat mich zum Engagement bei „Ingenieure ohne Grenzen“ motiviert.
Euer Einsatz reicht von Äthiopien bis Indonesien. Auf welchen Projekten liegt aktuell euer Fokus?
Die Regionalgruppe Dresden betreut zurzeit ein Inlandsprojekt in Dresden und ein Auslandsprojekt in Taveta, Kenia. In Dresden wollen wir Menschen im besten Alter aus zugewanderten oder geflüchteten und aus deutschen Familien zusammenbringen, um sich auszutauschen, sich durch ihre Fähigkeiten gegenseitig zu bereichern, zusammen zu kochen, zu gärtnern, zu lernen, zu spielen – kurz: gemeinsam teilzuhaben am Leben in Dresden.
In Kenia arbeiten wir mit der lokalen Mbuyuni Women Groupzusammen, welche das Bildungszentrum Mbuyuni Sunrise Academy ausbauen möchte. Zurzeit existieren dort ein Aufklärungszentrum gegen weibliche Genitalverstümmelung, ein Kindergarten, eine Vor- sowie Grundschule. Zukünftig sollen auch eine Sekundarschule und eine Berufsschule etabliert werden. Zusammen mit Akifra, der Dresdner Aktionsgemeinschaft für Kinder- und Frauenrechte, wollen wir die Frauengruppe dabei unterstützen. Das umfasst auf technischer Seite Support beim Bau neuer Gebäude, beim Ausbau der Wasserversorgung, sanitärer Anlagen und der Energieversorgung sowie bei der Entwicklung von Weiterbildungsangeboten.
Welche Möglichkeiten gibt es, sich bei euch zu engagieren? Was müssen Interessierte gegebenenfalls schon mitbringen?
Das Schöne bei „Ingenieure ohne Grenzen“ sind die vielfältigen Möglichkeiten des Engagements und die niedrigen Einstiegshürden. Natürlich sind erfahrene und technisch versierte Ingenieur:innen herzlich willkommen. Aber auch als Student:in oder Berufseinsteiger:in jeglicher Fachrichtung kann man sich bei uns einbringen. Neben der technischen Projektarbeit, also beispielsweise der Planung und Auslegung von Energiesystemen, sind die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising wichtige Bestandteile unserer Arbeit. Das umfasst Mediendesign, Social Media, Promotion, das Akquirieren von Fördermitteln und vieles Anderes. Die Möglichkeiten sind zahlreich, die wichtigste Voraussetzung ist Freude an Zusammenarbeit.
Warum ist aus deiner Sicht so wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Für mich persönlich ist es wichtig, neben dem Studium weitere Erfahrungen zu sammeln. Der universitäre Alltag kann leicht monoton werden und beleuchtet oft nur eine Sichtweise und ein Fachgebiet. Durch außeruniversitäres Engagement kann der eigene Horizont erweitert werden. Da ich ehrenamtlich tätig bin, kann ich mir die Arbeit flexibel einteilen – sowohl für die Art der Tätigkeit als auch für den zeitlichen Umfang, den ich investieren möchte. Ich bin froh, über das Ehrenamt der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Wir alle profitieren an der Universität von gesellschaftlichen Strukturen, die uns umfassend privilegieren. Ehrenamtliches Engagement bietet eine gute Möglichkeit, diese Privilegien sinnvoll einzusetzen.
Was war bislang aus deiner Sicht die größte Herausforderung? Gibt es auch etwas, worauf du besonders stolz bist?
Eine ständige Herausforderung, der wir bei Projekten von „Ingenieure ohne Grenzen“ ausgesetzt sind, ist die Kommunikation mit unseren internationalen Partnerorganisationen. Interkulturelle Differenzen erschweren dabei teils die Zusammenarbeit. Gleichzeit können wir dabei viel über uns, andere Kulturen und globale Zusammenhänge lernen. „Ingenieure ohne Grenzen“ bietet unter anderem in diesem Bereich Workshops an, die dabei helfen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass wir als Team auf unserer letzten Reise nach Kenia, trotz interkultureller Differenzen zur Partnerorganisation, eine gute Basis für eine zukünftige Zusammenarbeit legen konnten.
Was erhoffst du dir mit eurem Einsatz zu erreichen?
Ich hoffe, dass wir mit unseren Projekten tatsächlich die Lebensbedingungen benachteiligter Menschen nachhaltig verbessern können. Dabei lässt sich dies nicht nur an einem Ausbau der Infrastruktur messen. Die Lebensbedingungen umfassen auch soziale und wirtschaftliche Faktoren. Ich bin aber davon überzeugt, dass ingenieurstechnische Leistungen, zum Beispiel eine nachhaltige Versorgung mit sauberem Wasser oder eine hohe Verfügbarkeit erneuerbarer Energie, dazu beitragen kann, eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen. Ein Beispiel: Eine stabilisierte Stromversorgung kann Lernenden der Mbuyuni Sunrise Academy eine bessere Ausbildung im digitalen Bereich ermöglichen. Das kann ihnen im späteren Berufsleben bessere Aussichten auf langfristige Beschäftigung und damit mehr Sicherheit im Leben geben.
Wenn du jetzt noch einmal vor der Entscheidung stehen würdest, ein Ehrenamt zu übernehmen: Würdest du es wieder tun?
Unbedingt. Es ist eine super Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand zu schauen, sich zu vernetzen und Kompetenzen im fachlichen wie außerfachlichen Bereich aufzubauen. Ich habe das Glück, bei „Ingenieure ohne Grenzen“ auch viele Freunde gefunden zu haben und wichtige Kontakte knüpfen zu können.
Welchen Rat würdest du aus deinen Erfahrungen mit dem Engagement, Ehrenamts-Interessierten mitgeben?
Probiert es einfach mal aus! Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten des Ehrenamts in Dresden. Organisationen und Hochschulgruppen mit unterschiedlichstem Fokus bieten diverse Angebote, die euer Leben nur bereichern können. Während der eigene Horizont erweitert wird, werden auch Wissen und Kompetenzen geschult und verbessert. So könnt ihr Erfahrungen sammeln, die ihr im Vorlesungssaal nicht machen werdet. „Ingenieure ohne Grenzen“ bietet dazu vielseitige Möglichkeiten, also schaut gerne mal vorbei!
Das Interview führte Lu Ann Bahmann, studentische Mitarbeiterin in der Pressestelle.