11.04.2023
Ausgezeichnet: Mit Plastikflocken zu zukunftsfähigen Straßen
Dagmar Möbius
Maximilian Redwitz und Emil Weber haben an der TUD Psychologie studiert. Heute arbeiten sie in einem Startup, das 2022 mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet wurde. Für das Konzept eines nachhaltigen Asphalts.
„Diese Geschichte fängt nicht an der TU Dresden an“, schränkt Maximilian Redwitz schmunzelnd ein. Hier erwarben er und sein Kommilitone Emil Weber den Bachelor in Psychologie. Danach zog es sie an die Zeppelin Universität in Friedrichshafen, wo sie die Studiengänge MBA Wirtschaft bzw. Kommunikations- und Kulturmanagement absolvierten.
Vom Ehrenamt zum leistungsstarken Asphaltadditiv
In Süddeutschland engagierten sich beide ehrenamtlich für eine in Nepal tätige gemeinnützige Organisation. Als 2015 eines der größten Erdbeben das asiatische Land verwüstete, starteten sie mit weiteren Studierenden eine Spendenaktion. Dank der überwältigenden Resonanz konnten Schulen unterstützt und Wasserzentren aufgebaut werden. Doch die Plastikverschmutzung in Nepal trieb sie um. „Dagegen wollten wir etwas tun und Plastik so weiterverwenden, dass ein Wert entsteht“, erzählt Maximilian Redwitz. Das Problem: Plastiksorten und Verpackungen lassen sich schwer trennen und werden deshalb oft verbrannt. Im Jahr 2019 als Projekt innerhalb der NGO NIDISI gestartet, entwickelten sie in einer Forschungskooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) und der Universität Kassel EcoFlakes. Die CO2-reduzierenden Flocken aus anderweitig nicht recycelbarem Plastik werden dem Straßenasphalt beigemischt. „Dieser lebt länger und spart auch dadurch Kosten“, erklärt Emil Weber.
Selbsterfahrung und psychische Gesundheit als Werte
In Europa werden jährlich 300 Millionen Tonnen Asphalt verbaut. Die ersten zehn Tonnen ihres zukunftsträchtigen Baustoffes produzierten die Männer selbst – in einer Garage in Berlin-Zehlendorf. Das Material für die erste Pilotstrecke in Potsdam lieferten sie mit einem gemieteten Lastwagen selbst aus. „Wir hatten noch nicht mal die Firma gegründet, aber wir wollten von A bis Z alles selbst machen“, sagt ecopals-Mitgründer und Geschäftsführer Maximilian Redwitz. Gemeinsam mit dem zweiten Mitgründer Jonas Varga leitet er das 2021 offiziell gegründete Unternehmen. Emil Weber ist für Kommunikation verantwortlich. Heute hat das in Berlin-Mitte ansässige Startup zwölf Mitarbeitende. „Wir sind ein internationales und sehr diverses Team, ohne Quote. Es ergab sich so, alle brachten Kompetenzen mit, die wir brauchten“, erklärt Maximilian Redwitz. Psychische Gesundheit in der Gesellschaft ist ihm auch als Unternehmer ein Herzensthema.
Ohne Lampenfieber zur Preisverleihung
„Wir haben uns nicht um alle möglichen Auszeichnungen beworben“, sagt Kommunikationsprofi Emil Weber. „Preise zum Hinkleben wollen wir nicht.“ Am Tag der Verleihung des Innovationspreises Berlin-Brandenburg 2022 waren Jonas Varga und Maximilian Redwitz zu einem Kundentermin in Thüringen. Die Bahn hatte Verspätung. „Es wird knapp“, dachten beide. Und hatten keine Erwartungen. Als sie eine dreiviertel Stunde nach Veranstaltungsbeginn eintrafen, lief auf der Leinwand gerade das Video über ihr Startup. „Es waren viel renommiertere Leute da als wir“, wundert sich Maximilian Redwitz noch heute. „Plötzlich wurden wir aufgerufen. Das war eine schöne Überraschung, wir hatten gar kein Lampenfieber.“ Gerechnet hatten sie nicht damit, dass die ecopals GmbH zu den aus 155 Einreichungen ausgewählten Ausgezeichneten gehören. Die Jury begründete ihre Wahl so: „Das Unternehmen hat eine Technologie entwickelt, um nicht-recycelbares Altplastik in ein qualitativ-homogenes, leistungssteigerndes Bitumensubstitut umzuwandeln. EcoFlakes verringern die CO2-Emissionen im Straßenbau um 30 Prozent, verlängern die Lebensdauer des Asphalts, ersetzen Teile des Bitumens und reduzieren die Materialkosten um 20 Prozent.“
„Medikament bekämpft Symptome, aber löst nicht das Problem“
„Das Zusammenstellen der Komponenten ist das neue am Markt, nicht zwingend die Technologie“, stellt Maximilian Redwitz klar. Es gab Vorwürfe, die jungen Leute würden „Müll in die Straße kippen“. Richtig ist: Die innovativen Asphaltmischungen enthalten nur 0,5 Prozent recycelte Plastikflocken, erreichen aber die doppelte Lebenszeit. „Die Straßenbaubranche ist überschaubar und konservativ“, sagt Emil Weber. Bei allem Neuen müssten die Leute mitgenommen werden: sozial, wirtschaftlich und ökologisch. Allen im Unternehmen ist bewusst, dass ihre EcoFlakes „ein Medikament zur Symptombekämpfung, nicht zur Lösung des Plastikproblems“ sind. Deshalb forscht das Startup an weiteren nachhaltigen Produkten. Die Herstellung übernehmen Industriepartner.
Die Fakultät Bauingenieurwesen der TU Dresden hat Proben des innovativen Asphalts in eine Studie aufgenommen, in der Langzeiteffekte verschiedener Recyclingprodukte verglichen werden. Bis finale Ergebnisse vorliegen, werden mindestens zwölf Jahre vergehen – so lange läuft die Untersuchung. „Für mein unternehmerisches Herz ist das eine sehr lange Zeit“, lacht Maximilian Redwitz.
Kontakt:
ecopals GmbH