Digitalaffine Managerin des Jahres
Dagmar Möbius
Als Schülerin nahm Dr. Susanne Ozegowski an fiktiven UN-Konferenzen teil. Sie studierte Internationale Beziehungen an der TU Dresden, entschied sich dann aber für eine Laufbahn zugunsten der Gesundheitsversorgung. Die kürzlich als Managerin des Jahres ausgezeichnete Berlinerin leitet seit 2022 die Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit und hat noch viel vor.

Bei der Health 2022
„Das Baby schläft noch nicht“, entschuldigt sich Dr. Susanne Ozegowski. Kein Problem. Unser Gespräch findet kurzentschlossen während eines Spazierganges mit dem Kinderwagen statt. Die promovierte Gesundheitswissenschaftlerin ist aktuell in Elternzeit mit ihrem zweiten Kind. Doch die aktuellen Entwicklungen in ihrem Berufsfeld verfolgt die 41-Jährige aufmerksam „von der Seitenlinie“. Flexibilität und Methodenvielfalt sind nur zwei Aspekte, die als Benefits aus ihrem Bachelor-Studium Internationale Beziehungen (IB) mit Schwerpunkt Wirtschaft an der TU Dresden von 2003 bis 2006 mitgenommen hat.
Von der Modell-UN-Konferenz zum einzigartigen Studiengang
Die Initialzündung zu ihrer Studienrichtung hatte Susanne Ozegowski in einer schulischen Arbeitsgemeinschaft: „Jede Woche wurden dort UN-Konferenzen simuliert. Alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler bekamen ein Land zugelost. Ich hatte Afghanistan. Bei der Auseinandersetzung mit der Eskalation im Land merkte ich, man muss sich aktiv damit auseinandersetzen.“ Die Flüchtlingsfragen Anfang der 2000-er faszinierten sie und die „Politik auf ganz großer Ebene“. Wie man das Leben von Menschen lenken kann. Sie sagt: „Auf systemischer Ebene kann man die Weichen stellen, aber am Ende geht es um den Einzelnen.“ Die Erkenntnis, internationale Politik extrem spannend zu finden und „später die Welt bei den Vereinten Nationen oder einer internationalen Organisation ein kleines bisschen besser zu machen“, führte die Berlinerin zum 2003 deutschlandweit einzigartigen Studiengang Internationale Beziehungen an die TUD. „Ein tolles Curriculum, eine kleine ausgewählte Gruppe an Studenten – und das alles in einer schönen Stadt an einer renommierten Uni“, waren weitere Argumente.
Etwas bewegen in Dresden – Lugano – Hamburg – Berlin
Direkt nach dem Bachelor-Studium ging Susanne Ozegowski für ein Masterstudium „Kommunikation und Wirtschaft“ an die Universität Lugano in der Schweiz. Das schloss sie 2008 mit Summa cum laude ab. In Gesprächen hatte sie herausgefunden, dass eine Karriere im Diplomatischen Dienst für sie, die etwas bewegen möchte, nichts wäre. Ihren ersten Job trat sie direkt im Anschluss bei der Boston Consulting Group an. Hier betreute sie Reorganisierungsprojekte für Finanzdienstleister und Krankenkassen. Zudem entwickelte sie den BCG-Ansatz zu einem wertebasierten Gesundheitswesen weiter.
Zwischen 2010 und 2013 absolvierte sie zusätzlich einen Master of Public Health an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und promovierte an der TU Berlin. Ihr Thema: „Regionale Unterschiede in der ambulanten Versorgung: Ausmaß, Ursachen und Reformbedarf einer fehlenden Bedarfsgerechtigkeit der Ärzteverteilung“. Ihre Abschlussnote: Summa cum laude.
Zwischen 2014 und 2017 war Dr. Susanne Ozegowski Geschäftsführerin des Bundesverband Managed Care e.V. in Berlin. Der Verband versteht sich als Innovationsforum an der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Gesundheitswirtschaft. Er engagiert sich dafür, das Gesundheitssystem zukunftsfähig, qualitätsgesichert und patientenorientiert zu gestalten.

Presseseminar 2024 zur ePA
Anschließend war sie zunächst als Beauftragte bzw. Projektleiterin für die Elektronische Patientenakte und als Teamleitung Einzelverträge im Fachbereich Versorgungsmanagement der Techniker Krankenkasse tätig. Ab 2019 leitete sie den Geschäftsbereich Unternehmensentwicklung in der Unternehmenszentrale der TK in Hamburg. In dieser Position verantwortete und koordinierte sie unter anderem die Digitalstrategie der Krankenkasse und führte das Analytik- und Data Science-Team. Seit April 2022 leitet sie die Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Angetreten für eine bessere Gesundheitsversorgung
In der Hauptstadt verantwortet Dr. Susanne Ozegowski die Umsetzung der politischen Agenda des BMG im Bereich Digitalisierung. Dies so erfolgreich, dass sie mit dem Thieme Management Award 2024 als Managerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Nominiert wurde sie wie 19 weitere Personen von Leser:innen der Zeitschrift Klinik Management aktuell (kma). Die Jury bewertete nachhaltiges und innovatives Handeln, insbesondere die Umsetzung wegweisender Projekte im Gesundheitswesen. Konkret hat sie die Einführung des elektronischen Rezeptes (eRezept) sowie die der elektronischen Patientenakte (ePA) maßgeblich vorangetrieben.
„Dabei geht es immer um die Abwägung zwischen Sicherheit und Nutzbarkeit“, erklärt die Digitalisierungsenthusiastin. Wohl wissend, welche Schwierigkeiten noch bestehen. „Deutschland hat andere Anforderungen als andere Länder“, ist nur eine. „Es fehlt die digitale Identität.“ Diese würde ermöglichen, sich für verschiedenste Anwendungen im Netz mit einem Login sicher und nutzerfreundlich anmelden zu können. Bisher benötigt man für jede Anwendung eine eigene Registrierung und am Ende muss man Formulare und Anträge dann doch häufig ausdrucken und per Post einsenden. „Zudem ist es mühsam, sich bei über 150 verschiedenen IT-Systemen im Gesundheitswesen auf einheitliche Standards zu einigen“, nennt Dr. Susanne Ozegowski ein weiteres Beispiel. An Menschen, die nicht digitalaffin sind, muss ebenso gedacht werden. Auch bei der ePA gibt es noch viel zu tun: „Es ist ein wichtiger Meilenstein, dass sie seit diesem Jahr bundesweit ausgerollt ist. Im nächsten Schritt gilt es, Gesundheitsdaten aus PDFs auslesbar zu machen und in eine strukturierte Form umzuwandeln.

Reise 2024 einer BMG-Gruppe zum französischen Gesundheitsministerium
Beobachtung von der Seite und nächste Pläne
Während ihrer Elternzeit verfolgt Dr. Susanne Ozegowski die anstehenden Themen in einer passiven Rolle, nimmt aber an wichtigen Veranstaltungen teil. Nach ihrer Rückkehr will sie mit ihrem 70-köpfigen Team die ePA weiterentwickeln und beschleunigen. Auch mit den ca. 400 Mitarbeitenden der Nationalen Agentur für Digitale Medizin (gematik) arbeitet sie praktisch und operativ sehr eng zusammen. Weitere anstehende Herausforderungen sind beispielsweise die Umsetzung des Primärarztsystems, die Stabilisierung von Beitragssätzen und die Nutzung Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel zur Auswertung von Gesundheitsdaten. Wer amtierende/r Gesundheitsminister/in ist, beeinflusse die Arbeit natürlich. Aber: „Der Grundkonsens zwischen allen Parteien, dass mehr Digitalisierung nötig ist, hilft sehr.“
Biss und Durchhaltevermögen
Mit dem Thema ihres Bachelor-Studiums Internationale Beziehungen an der TUD hat Dr. Susanne Ozegowskis heutiges Berufsleben kaum etwas zu tun. „Trotzdem habe ich sehr davon profitiert. Ich habe zum Beispiel gelernt, mich und meine Zeit angesichts eines sehr vollen Curriculums gut zu strukturieren und sehr systematisch vorzugehen. Auch fand ich die interdisziplinäre Herangehensweise mit dem Methodenkasten der Volkswirtschaftslehre, Jura sowie Geschichte und Politikwissenschaften sehr bereichernd.“ An die Vorlesungen von Professorin Sabine Freifrau von Schorlemer denkt sie gern zurück: „Eine sehr beeindruckende Person. Faszinierend, wie sie selbst in die Politik gegangen ist.“
Alumni von heute gibt Dr. Susanne Ozegowski Folgendes auf den Weg: „Nicht jedes Fach oder jede Aufgabe an der Uni ist immer spannend. Hier ist es wichtig, sich durchzubeißen. Dieses Durchhaltevermögen braucht man später auch im Berufsleben – ebenso wie die Fähigkeit, sich selbst gut zu strukturieren und in Teams gut zusammenzuarbeiten.“
Kontakt:
Dr. Susanne Ozegowski