Insektenliebe auf höchstem Niveau
(porträtiert im Jahr 2009)
Dagmar Möbius
Der Biologe Professor Bert Kohlmann lehrt seit 18 Jahren an der EARTH Universität in Costa Rica. Weltweit gilt er als gefragter Experte. Nicht nur für Käfer. Aber die liebt er am meisten.
Er ist Deutscher, wurde 1957 in Kolumbien geboren und wuchs in Mexiko auf. 24-jährig kam er zum ersten Mal in die Heimat seines Großvaters, um nach absolviertem Biologiestudium sein Diplom an der TU Dresden abzulegen. „Als ich damals aus dem Flugzeug stieg, hatte ich das Gefühl, nach Hause zu kehren.“ Er wundert sich, dass alles genauso war, wie es seine Großeltern beschrieben hatten. Die waren 1924 nach Mexiko ausgewandert, 1938 nach Deutschland zurückgekehrt, um festzustellen, dass ihnen die politischen Verhältnisse keine Heimat boten. „Sie flüchteten wieder nach Mexiko und mussten zum zweiten Mal von vorn anfangen“, erzählt Bert Kohlmann, der seinen Großvater nur vom Hörensagen kennt.
Der heute 51-Jährige studierte Biologie – wie sein Großvater mütterlicherseits. Einen anderen Berufswunsch habe es für ihn nie gegeben. „Meine Mutter erzählte, dass ich schon als Baby stundenlang im Garten die Ameisen beobachtet habe“, erinnert er sich schmunzelnd. Seine besondere Vorliebe für Insekten zieht sich durch eine beeindruckende mehrseitige Vita. Seinem Diplom an der TU Dresden über ein von der UNESCO gefördertes Thema zum ökologischen Management folgten zahlreiche Forschungsaufenthalte an renommierten Institutionen der Welt. Im Jahr 1990 promovierte er in Australien zum Doktor der Philosophie und arbeitet seit 18 Jahren an der EARTH University in San José in Costa Rica als Forschungsdirektor und Professor. Dorthin lockte ihn einst sein bester Freund: „Als er mir erzählte, dass eine internationale Uni aufgebaut wird, überlegte ich angesichts der schlechten ökonomischen Lage in Mexiko nicht lange.“
Seit Mitte der 1990er-Jahre ist der fließend Spanisch, Englisch, Deutsch und Französisch sprechende Wissenschaftler maßgeblich an Forschungsprojekten beteiligt, die mit der NASA durchgeführt werden. Eins davon widmet sich speziellen Aspekten der Chagas-Krankheit, die vorwiegend in Lateinamerika und im Süden der USA vorkommt. „Diese Krankheit ist gefährlich, weil von bestimmten Parasiten befallene Wanzen den Menschen infizieren und zum Beispiel den Herzmuskel anfressen können“, erklärt er. Die auch als „Amerikanische Trypanosomiasis“ bezeichnete Erkrankung fordert in Lateinamerika jährlich mehr als 20 000 Tote – mehr als an AIDS sterben. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt 24 000 neu Infizierte pro Jahr. Bisher gibt es kein Medikament zur Heilung. „Dennoch hat die Pharmaindustrie kein Interesse an entsprechender Forschung", konstatiert Kohlmann. Auf Anregung des costa-ricanischen Astronauten, Dr. Franklin Chang Diaz, versucht Kohlmann, bestimmte Enzyme des Parasiten zu blockieren. „Wenn wir eine Möglichkeit der Blockierung finden wollen, müssen wir die Strukturen dreidimensional sehen", erklärt er, „Dazu müssen sie kristallisiert werden, was nur im Weltall möglich ist.“ Außerdem wird Kohlmann regelmäßig herangezogen, um Weltallfotos zu interpretieren: zum Beispiel dazu, ob sich ökologische Verhältnisse verschieben oder wie Städte wachsen. Zu der in Lateinamerika bedeutenden Methode der Wasser-Bio-Indikatoren sprach er im Frühjahr auch vor Teilnehmern des CIPSEM, des „Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management“ an der TU Dresden.
„Das Prinzip ist einfach: Anhand von gesammelten kleinen Insekten kann man abhängig vom Wassertyp auf einer Skala ablesen, wie rein oder wie verschmutzt das Wasser ist“, fasst er zusammen.
Nach Dresden wird er seit mehreren Jahren immer wieder eingeladen. Dass die Frauenkirche wieder erstanden ist, freut ihn besonders: „Ich bin Lutheraner und gehe hier immer zur 6-Uhr-Predigt. Wenn der Kreuzchor singt, ist es, als wenn die Engel singen", schwärmt der Biologe, der „die interessanten Predigten der sehr gebildeten Pfarrer“ schätzt.
Kontakt hat er seit seiner Zeit in Sachsen noch zu einigen deutschen Kommilitonen und Professoren. Zudem betreute er schon eine Dresdner Diplomandin in San José, bevor er im Frühjahr 2009 Regionalbotschafter der TU Dresden wurde. Diese Möglichkeit hält er für sehr reizvoll: „Costa Rica ist ein Land mit viel deutscher Kultur, das auch für deutsche Studenten oder Promovenden sehr interessant sein kann.“
Für seine tägliche Arbeit wünscht er sich, mehr Zeit für seine Forschungen zu haben. Damit dürfte er auf einer Wellenlänge mit vielen einheimischen Professoren liegen. Er träumt davon, die Mistkäfer in Costa Rica zu studieren und in einer Monografie zusammenzufassen. Jetzt sind 190 Arten bekannt. „Ja, ich sehe einem Käfer sofort an, ob er neu ist oder nicht“, lacht der Käfer-Spezialist, „Ich mache das jetzt seit 20 Jahren.“ Langweilig sind ihm Käfer noch nie geworden. Im Gegenteil.
Kontaktdaten:
Bert Kohlmann, Ph.D.
Research Director
EARTH University San José
P.O. Box 4442-1000
San José, Costa Rica
E-Mail: Bert Kohlmann
Web: Earth University