Mission: globale Sicherheit
(interviewt im Jahr 2024)
Dagmar Möbius
Janina Dill ging nach ihrem Bachelor-Abschluss „Internationale Beziehungen“ ins Ausland. Sie studierte weiter, promovierte und ist heute Professorin für globale Sicherheit in Oxford. Als Expertin in einer Männerdomäne ist sie weltweit gefragt.
Burgen und Schlösser waren für Janina Dill als Kind das Spannendste. „Ich habe mich schon früh für Geschichte interessiert“, sagt die in Hannover Aufgewachsene und lacht: „Dann habe ich mich chronologisch vorgearbeitet. Von der Steinzeit über die Deutsche Revolution kam ich irgendwann in der Gegenwart an.“ So wuchs ihr Interesse für Politik. Vor allem fragte sie sich, wie Kriege als Teil der Menschheitsgeschichte entstehen und was versucht wurde, sie zu verhindern.
Berufsziel Diplomatin
So entstand ihr Wunsch, Diplomatin zu werden. Auf der Suche nach einem Studienplatz, der Politik, Geschichte, Fremdsprachen und Recht vereint, kam sie im Jahr 2002 19-jährig nach Dresden. „Die Kombination sagte mir zu und es gab diesen interdisziplinären, damals sehr innovativen Studiengang nur an der TUD“, blickt die 41-Jährige zurück. „Der Studienanfang war zauberhaft“, schwärmt sie noch heute. „Ich wollte immer an der Uni sein. Vor allem die Bibliothek war faszinierend.“ Die Stadt fand sie „unglaublich schön und weder zu groß noch zu klein“. Und dass ihr Zimmer nur 180 Euro im Monat kostete, erlaubte ihr finanziellen Spielraum.
Behaupten in einer Männerdomäne
Vor allem das Recht und insbesondere das Völkerrecht begeisterten Janina Dill. In Professorin Sabine von Schorlemer fand sie fachlich und menschlich ein Vorbild. „Ich musste auch lernen, mit schwierigen Personen umzugehen“, sagt sie zu manch früher Lektion in einer Männerdomäne. Lieber erinnert sie sich an die Interdisziplinarität des Studiums: „Nach wie vor lassen mich alle Fächer nicht los und ich arbeite immer noch fachübergreifend. Das ist aus akademischer Sicht nicht unbedingt einfach und als Karriereweg nicht uneingeschränkt zu empfehlen, aber es kam mir auch immer alternativlos vor.“
Umorientierung von Diplomatie zur Wissenschaft
Während des Bachelor-Studiums absolvierte Janina Dill Praktika u.a. bei der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. Interessant, aber danach kam sie zu einer unerwarteten Erkenntnis: „Ich habe trotz des spannenden Umfelds in New York gemerkt, dass mir Grundlagenarbeit fehlen würde und mich daher für die Wissenschaft entschieden.“ Nach dem Bachelor-Abschluss 2005 ging sie mit einem Fulbright-Stipendium in die USA. In einem Jahr, von 2006 bis 2007 absolvierte sie in Cambridge ihren Master. Direkt im Anschluss begann sie in Oxford zu promovieren. Ihre Doktorarbeit befasste sich mit Recht im bewaffneten Konflikt. „Es ging um Rechtsauslegung, um politikwissenschaftliche, philosophische und rechtliche Fragen“, fasst sie zusammen.“
Heimat in Oxford gefunden
Seit knapp 20 Jahren lebt und arbeitet Janina Dill im Ausland. Sie verbrachte auch Zeit in Princeton und arbeitete zwei Jahre in London. In Oxford wurde Janina Dill heimisch. Hier ist sie die erste Professorin für globale Sicherheit an der Blavatnik School of Government. Studierende aus 120 Ländern, die in die Politik oder in öffentliche Ämter gehen möchten, lernen dort. „Ich unterrichte unglaublich gerne“, sagt die Hochschullehrerin. „Die interdisziplinäre Betrachtung der Sicherheitspolitik ist wie für mich gemacht, aber ein männerdominiertes Feld.“ Zudem ist sie Fellow am Trinity College Oxford und fungiert als Co-Direktorin des Oxford Institute for Ethics, Law, and Armed Conflict (ELAC).
Forschungsfeld Krieg und Konflikte
Janina Dill beschäftigt sich täglich mit Krieg und bewaffneten Konflikten. Gaza, Israel, Ukraine, Südsudsan, Myanmar. „Es nimmt mich schon mit, vor allem, wenn jüngere Menschen betroffen sind“, gibt sie zu. Sie hat selbst ein kleines Kind und hadert damit, dass Recht und Politik Kinder im Krieg unzureichend schützen. „Wir sind nicht dafür ausgebildet, Distanz zu wahren, wenn die Welt in Flammen steht“, sagt sie. Doch was sie antreibt, ist die Frage, was man selbst gegen Krieg tun kann. Nicht unwesentlich: „Als Wählerin einer Demokratie kann man sich positionieren.“
Gefragte Expertise
Noch bis August 2024 forscht Janina Dill in Berlin als Gastwissenschaftlerin an drei interdisziplinären Projekten. Dabei geht es darum, wie der Krieg in Gaza völkerrechtlich zu bewerten ist und wie die ukrainische Bevölkerung im Krieg mit Russland Widerstand und Kollaboration perzipiert. Der dritte Themenkomplex beschäftigt sich mit nuklearer Abschreckung. „Noch vor fünf Jahren war das kein sehr bedeutendes Forschungsthema für die Sicherheitspolitik. Jetzt ist es ein TOP-Thema“, sagt sie und erklärt: „Es ist schwer zu beforschen, weil Länder ihre Pläne für Nuklearwaffen geheim halten.“ Als Expertin für Sicherheitspolitik wird Professorin Janina Dill auch regelmäßig von Medien angefragt. Sie nimmt dann Stellung zu Fragen wie: Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin vom Strafgerichtshof verurteilt wird? Oder: Wie sind bestimmte Angriffe von Israel auf Gaza zu bewerten?
Deutsche Küche und Radwege
In Berlin fallen Janina Dill einige positive Dinge in Deutschland auf: „Der ÖPNV ist toll, die Radwege werde ich vermissen“, sagt sie. Auch die deutsche Küche genießt sie. An der Universität hat sie bemerkt, dass das Klima informeller geworden ist. „Zum Teil herrscht eine Duz-Kultur. Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben“, lacht sie. „Aber ich finde das gut.“ Mit dem Zentrum für Internationale Studien fühlt sich die Professorin immer noch sehr verbunden, „weil es viele hervorragende Studierende hervorbringt“. Einige Dresdner Alumni hat sie in Oxford schon unterrichtet.
Kontakt:
Janina Dill
University of Oxford
Dame Louise Richardson Chair in Global Security, Blavatnik School of Government
Co-Director, Oxford Institute for Ethics, Law & Armed Conflict
Fellow, Trinity College Oxford