„Nur wenn man politische Prozesse versteht, kann man gesellschaftliche Veränderungen bewirken.“
(befragt im Jahr 2024)
Thomas Scheufler
Sabrina Repp war die Erste in ihrer Familie, die ein Studium absolvieren konnte. Geprägt durch Erfahrungen ihrer Familie in der Wendezeit engagierte sie sich früh in der Politik und entschied sich Politikwissenschaft auf Bachelor an der TU Dresden und auf Master an der Uni Rostock zu studieren. Heute ist Sabrina Repp die jüngste deutsche Abgeordnete im EU-Parlament und setzt sich dort u.a. für regionale Entwicklung und die Förderung junger Menschen in Bildung und Kultur ein.
Profil von | Sabrina Repp |
Studiengang | Politikwissenschaft |
Fakultät | Philosophische Fakultät |
Studienzeit | 2017 bis 2021 |
Aktuelle Tätigkeit | Abgeordnete des Europäischen Parlaments |
Warum haben Sie sich für ein Studium an der TU Dresden entschieden?
Ich habe mich für ein Studium an der TU Dresden entschieden, weil ich die Möglichkeit nutzen wollte, eine neue Stadt und Region kennenzulernen und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige politikwissenschaftliche Ausbildung zu erhalten. Der Umzug in ein anderes Bundesland bot mir die Chance, eigenständig zu werden, mich neu zu organisieren, einen Job zu finden und neue Freunde kennenzulernen. Es war ein Schritt in einen neuen Lebensabschnitt, der mir half, persönlich zu wachsen. Rückblickend war diese Entscheidung absolut richtig für mich.
Wieso haben Sie gerade diese Studienrichtung gewählt?
Ich bin im Landkreis Rostock als Tochter eines Malers und einer Reinigungskraft aufgewachsen und habe schon früh erlebt, was es bedeutet, mit wenig Geld auszukommen. Diese Ungleichheit und die Erfahrungen meiner Eltern nach der Wende haben mich früh politisiert, sodass ich bereits mit 14 Jahren den Jusos beigetreten bin. Politikwissenschaft habe ich gewählt, weil ich die Mechanismen hinter gesellschaftlichen und politischen Prozessen verstehen wollte. Nur wenn man diese Zusammenhänge versteht, kann man Veränderungen bewirken. Mein ehrenamtliches Engagement und mein politikwissenschaftliches Studium haben sich daher perfekt ergänzt.
Wer aus Forschung und Lehre hat Sie in Ihrer Studienzeit am meisten geprägt?
Während meines Studiums habe ich am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte als studentische Hilfskraft gearbeitet. Besonders prägend waren dabei Dr. Steven Schäller und Prof. Dr. Mark Arenhövel, die mir die Bedeutung verschiedener Meinungen und Perspektiven auf denselben Gegenstand nahegebracht haben.
Parallel dazu habe ich im politischen Bildungsprojekt „Ich bin wählerisch!“ bei der Aktion Zivilcourage e.V. gearbeitet und meine Bachelorarbeit bei Prof. Dr. Anja Besand am Lehrstuhl für Didaktik der politischen Bildung geschrieben. Ihre Sichtweise, politische Bildung nicht nur als Faktenvermittlung, sondern als Kompetenzförderung in einer demokratischen Gesellschaft zu verstehen, hat mich nachhaltig beeinflusst. Das prägt auch meine heutige Arbeit, wo mir der Dialog mit Menschen auf Augenhöhe besonders wichtig ist. Ich sehe es als Verantwortung von Politiker:innen, politische Prozesse verständlich zu erklären und den Menschen näherzubringen.
Wo sind Sie heute beschäftigt, und in welcher Verantwortung?
Im Juni dieses Jahres wurde ich für die SPD in das Europäische Parlament gewählt. Dort vertrete ich als jüngste deutsche Abgeordnete meinen Wahlkreis Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Im Parlament bin ich Mitglied der Ausschüsse für regionale Entwicklung, für Kultur und Bildung sowie für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frau. Ich freue mich sehr, in diesen Ausschüssen Themen zu bearbeiten, die mir am Herzen liegen: gleichwertige Lebensverhältnisse in der europäischen Union, gemeinsame Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft, Zusammenarbeit in Grenzregionen, Förderung junger Menschen in Bildung und Kultur, Jugendaustausche und natürlich Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen.
Was würden Sie den heutigen Studienanfängerinnen und -anfängern mit auf den Weg geben?
Ich würde Studienanfängerinnen und -anfängern raten, offen für neue Perspektiven zu sein und sich aktiv mit unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen. Das Studium ist die Zeit, in der man nicht nur Wissen anhäuft, sondern auch lernt, kritisch zu denken und eigene Überzeugungen zu hinterfragen. Nutzt die Gelegenheit, euch zu vernetzen und über den Tellerrand hinauszuschauen. Seid euch bewusst, dass Engagement außerhalb der Hörsäle – sei es politisch, sozial oder in Projekten – mindestens genauso wertvoll sein kann wie der akademische Erfolg. Das Wichtigste ist, dass ihr euer Studium als Chance seht, sowohl persönlich als auch fachlich zu wachsen.
Woran erinnern Sie sich besonders gern in Ihrer Studienzeit?
Als erste in meiner Familie, die ein Studium absolvieren konnte, traf ich immer wieder auf Hürden, die bewältigt werden mussten: Wie stelle ich einen Antrag beim BaföG-Amt? Wie finanziere ich mein Studium, wenn ich die Anforderungen, um BaföG zu erhalten nicht mehr erfülle? Finde ich nach dem Studium einen guten Job?
Ein besonderer Moment ergab sich dann für mich, als ich angefragt wurde als Tutorin am Lehrstuhl für politische Theorie und Ideengeschichte zu arbeiten. Ich begriff es als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für mein Engagement im Seminar aber auch als Zeichen, dass es richtig war ein Studium der Politikwissenschaft aufzunehmen. Fortan konnte ich andere Studierende dabei unterstützen Theorien von Aristoteles über Chantel Mouffee hinzu Jacques Ranciere besser nachzuvollziehen.
Wo war Ihr Lieblingsort an der Uni?
Mein Lieblingsort an der Uni war die U-Boot-Mensa. Dort war es meistens ruhiger als in anderen Mensen, und das Essen war fast immer super. Es war der perfekte Ort, um in entspannter Atmosphäre eine Pause vom Studium einzulegen und sich mit Kommiliton*innen auszutauschen.
Wovon profitieren Sie noch heute/ hätten Sie sich mehr gewünscht?
Der analytische Blick der Politikwissenschaft prägt mich bis heute. Auch und gerade als Politikerin profitiere ich davon, dass ich dazu befähigt wurde Konflikte, Interessen und Prozesse der Willensbildung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Politikwissenschaft und Politik nicht immer dasselbe sind. Zwar hilft mir das politikwissenschaftliche Handwerkszeug, die Abläufe besser zu verstehen, doch verlangt die Politik oft einfache Kommunikation, schnelle Lösungen und manchmal auch eine emotionale Zuspitzung der Debatte. Diese Differenz führt gelegentlich zu einem inneren Konflikt zwischen meiner Rolle als Politikwissenschaftlerin und meiner Tätigkeit als Politikerin. Ich hätte mir gewünscht, noch mehr darüber zu lernen, wie man diese beiden Perspektiven besser miteinander vereinbaren kann, um in meiner politischen Arbeit noch effektiver zu sein.
Wie gelingt ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche?
Ein guter Berufseinstieg in meiner Branche gelingt vor allem durch ein starkes Netzwerk. Es ist entscheidend, bereits im Studium darüber nachzudenken, wo die eigenen Interessen liegen und wie man seine Energie sowie Kompetenzen sinnvoll einsetzen möchte. Engagiert euch schon während des Studiums, denn das muss nicht zwangsläufig in einer Partei oder einem Verein geschehen. Praktika und Nebenjobs können ebenfalls entscheidende Türen öffnen. In meinem Fall war es mein Engagement in der politischen Bildung, in der Partei und am Institut für Politikwissenschaft, das mir wertvolle Erfahrungen verschafft haben
Was verbindet Sie heute mit der TU Dresden?
Die TU Dresden hat mir die Werkzeuge an die Hand gegeben, mit denen ich heute täglich meine Arbeit bestmöglich auszufüllen versuche. Darüber hinaus pflege ich weiterhin eine enge Verbindungen zu den Menschen in Sachsen, insbesondere aus der SPD, meinen ehemaligen Kommiliton:innen aber auch zu Akteur:innen der politischen Bildung. Für Erfahrungen, die ich dort machen durfte, bin ich sehr dankbar. Mit meinem Kollegen Matthias Ecke aus Sachsen arbeite ich direkt im Ausschuss für regionale Entwicklung zusammen, was mir ermöglicht, die regionale Perspektive in unsere Arbeit einzubringen. Auf einer ganz persönlichen Ebene habe ich an der TU Dresden auch meinen Partner kennengelernt. Seine Familie lebt ebenfalls in Dresden, weshalb ich nicht selten zurück in die Stadt komme, um Zeit mit ihnen zu verbringen. Diese Verbindungen machen die TU Dresden auch weiterhin für mich zu einem wichtigen Teil meines Lebens.