Unterschiedliche Perspektiven sind das Erfolgsgeheimnis
Dagmar Möbius
Im Mittelpunkt eines klassischen Alumini-Porträts möchte Mandy Schipke nicht stehen. Über Transfer-Aspekte hat die Geschäftsführerin der mehrfach preisgekrönten Dresdner NOVUM engineering GmbH und Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Energy Saxony dafür einiges zu sagen.
Wie und warum Menschen handeln, hat Mandy Schipke immer interessiert. „Es hat alles mit Kommunikation zu tun“, sagt sie. Von 2005 bis 2012 hat sie an der TU Dresden Soziologie studiert. Aber das Unternehmerische reizte sie schon früh. Während des Studiums nahm sie an einem 5-Euro-Business-Wettbewerb teil und lernte dort das spätere Gründerteam kennen. „Das Team, in dem ich war, hat gewonnen. Das Team eines unserer Mitgründer kam auf den zweiten Platz“, erinnert sie sich. Doch nach dem Diplom trennten sich die Wege der Beteiligten aus beruflichen Gründen. Als sie sich wiedertrafen, war die Freude groß, aus ehemaligen Konkurrenten wurden Kollegen, und frühere Unternehmensideen wurden hervorgekramt. Eine davon beschäftigte sich damit, wie sich Batterien nachhaltiger, ökologischer bauen und nutzen lassen. „Damals hat das keiner verstanden“, sagt die Diplom-Soziologin.
Diagnostik für Batterien
Aber der innovative Gedanke ließ sie und ihr Team nicht los. Um sich 100 Prozent darum kümmern zu können, brach sie ihre Promotion ab und wurde hauptberufliche Geschäftsführerin der 2014 gegründeten Novum engineering GmbH. „Ich bin glücklich damit.“ Das wird deutlich, wenn sie laienverständlich erklärt, womit sich das Dresdner Unternehmen beschäftigt. „In Batterietechnik befinden sich giftige Chemikalien. Viele Batterien werden weggeworfen, obwohl sie noch zehn Jahre laufen würden. Wir stellen mit Künstlicher Intelligenz den Gesundheitszustand von Batterien fest – von klein bis groß.“ So kann gesagt werden, ob Gabelstapler-Batterien oder Kraftwerks- und Solarspeicher weiter genutzt werden können. Einige Batterien schicken ihre Daten auf einen Server und die KI rechnet aus. Sind keine Daten verfügbar, werden beispielsweise Autobatterien an ein Recyclingcenter geschickt und dort getestet. Das dauerte früher bis zu zehn Stunden, heute 90 Sekunden. Aufgebaut wurde das System gemeinsam mit der JT Energy Systems, einem Joint Venture aus der Triathlon Group und Jungheinrich AG. „Wir stellen die Diagnose und sagen: gut – mittel – schlecht. Über die Weiterverwendung entscheiden die Eigentümer. Aber über 80 Prozent der getesteten Batterien können in der Regel weitergenutzt werden. Die wären sonst alle im Müll gelandet.“
„Gute Teams zusammenzustellen, ist auch Transfer“
Die klimafreundliche Technologie ist nicht an der TU Dresden entstanden. Doch das Gründerteam hat hier studiert und sich gefunden. „Gute Teams zusammenzubringen, ist auch Transfer“, ist Mandy Schipke überzeugt. Sie sieht ihre Universität als Begegnungsraum, der den Grundstein der Karriere gelegt hat. Allerdings wirklich nur den Grundstein. Denn das Meiste, was nach einer Gründung passiert, ist harte Arbeit. „Ich wünsche mir ein etwas anderes Bild über Transfer“, sagt die Unternehmerin. „Das Erfolgsgeheimnis sind unterschiedliche Perspektiven. Mit einer Idee allein kommt man heute nicht zum Ziel. Man muss interdisziplinär denken. Darauf sollte es einen Förderbonus geben.“
Zwei Vollzeitjobs, einer im Ehrenamt
Im Dezember 2016 wurde Mandy Schipke als Vorstandsvorsitzende von Energy Saxony gewählt. Dem größten Energienetzwerk Sachsens gehören aktuell 93 Mitgliederunternehmen an. Die Aufgabe ist ein Ehrenamt. Zu 100 Prozent. „Neben viel politischer Lobbyarbeit kommt es vor allem darauf an, Innovatoren mit den richtigen Unternehmen zu vernetzen“, erklärt sie. Gründende sind enthusiastisch, aber wissen oft nicht, ob und wie sich ihre Ideen vermarkten lassen. Viele Innovationen gehen über Mandy Schipkes Schreibtisch. Das begeistert sie. Auch, dass man ihr als junger Frau die Verantwortung für die sächsische Energiebranche übertragen hat. Für sie ein Zeichen fortschrittlichen Denkens. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich zwei Vollzeitjobs habe. Zum Glück wird wenigstens einer davon bezahlt“, lacht sie. Auf gelegentliche Fragen, wie sie als Frau in diese Position gekommen ist, antwortet sie nicht mehr. „Ich bin da, weil ich denken kann“, sagt sie und wünscht sich, „dass irgendwann egal ist, ob man eine Frau ist.“
Was zum Gründungsmarathon gehört
„Gründen ist ein Marathon“, veranschaulicht Mandy Schipke den Weg zum erfolgreichen Unternehmertum. „Wir brauchen nicht mehr, sondern gute Unternehmen. Dafür müssen wir sie gut machen und dabei spielen menschliche Faktoren eine entscheidende Rolle.“ Gründungswillige sollten auf die nicht so präsenten Sachen schauen, die nach einer Firmengründung kommen. Damit meint sie Bodenständigkeit, Dankbarkeit und Bescheidenheit. Auch Demut vor der Aufgabe. „Man muss lange laufen und alles ständig hinterfragen. Es ist gut, wenn man die Illusionsblase verlässt.“
Mandy Schipke ist die Einzige aus ihrem Studienjahrgang, die gegründet hat. „Man gewöhnt sich daran, der Exot zu sein“, sagt sie schmunzelnd. Als Geschäftsführerin eines Technologieunternehmens wird die Geisteswissenschaftlerin anerkannt. Die NOVUM engineering GmbH ist mehrfach ausgezeichnet,: als best high-tech-Start-up Europe im Jahr 2017, mit dem Digital Energy Award 2018 und aktuell als Gewinner des Sächsischen Innovationspreises 2023.
„Physik – also genau das, was ich heute am meisten brauche – war übrigens mein schlechtestes Schulfach“, gibt sie zu. Um gleich darauf festzustellen: „Inzwischen bin ich recht zufrieden mit meinem physikalischen Grundwissen, lerne aber auch abseits davon immer noch jeden Tag Neues und gehe über neue Grenzen. Diese Chance hätte ich nicht, wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte. Ich bin sehr dankbar dafür.“
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CEO NOVUM engineering GmbH
Mandy Schipke