Vom Architektenreißbrett in die Künstlerwerkstatt
(porträtiert im Jahr 2009)
Dagmar Möbius
In der Werkstatt von Janet Schlüßler baumelt eine Narzisse an der Kleiderstange. Aus Stoff. In Grün und Gelb mit aufwändigen Verzierungen. Ein passendes Hütchen komplettiert das Kostüm. Das blumige Gewand ist die vermeintlich einzige Verbindung zu ihrem einstigen Studienfach. Die diplomierte Landschaftsarchitektin hat ihr künstlerisches und handwerkliches Talent genutzt und sich selbstständig gemacht. Heute führt sie ihre eigene Firma für Dekoration, Kostüm und Grafik.
Aufgewachsen in einem Dorf bei Freiberg wusste die heute 34-Jährige bis zum Abitur nicht, was sie studieren wollte. Sie konnte gut zeichnen, hatte sich das Nähen beigebracht und machte viel Handarbeiten. „Medizin und Jura kamen für mich nicht in Frage“, sagt sie, „ich bin kein Typ, der wochenlang büffelt.“
Etwas Kreatives und Praktisches sollte es sein. Und der Studienort möglichst nahe ihrer Heimat. Ein Tag der offenen Tür an der TU Dresden brachte Janet Schlüßler die Entscheidung. Architektur oder Landschaftsarchitektur. „Für Architektur kam ich über die Zentrale Vergabestelle auf die Warteliste, aber den Test für Landschaftsarchitektur bestand ich sofort“, erinnert sie sich. Gemeinsam mit 45 Kommilitonen studierte sie ab 1993 in Dresden. Rückblickend schwärmt sie: „Ein schönes Studium!“ und denkt dabei besonders an die Grundlagen der (Schrift-)Gestaltung, Farben- und Formlehre bei Ekkehard Bendin, an das Freihandzeichnen bei Professor Georgi. „Den Blick für gestalterische Dinge habe ich mitgenommen, aber auch die planerische Komponente, das heißt, Dinge gezielt zu strukturieren und zum Ende zu bringen.“
Dennoch kämpfte sie im sechsten Semester mit einer „kleinen Motivationsschwäche“. Die Praxis kam ihr zu kurz. Manches schien ihr „abgekoppelt von der Realität“. Sie entschloss sich, das Studium ein Jahr auszusetzen und arbeitete in zwei Büros für Landschaftsarchitektur. Diese Zeit habe ihr viele wertvolle Erfahrungen gebracht. „Ich war in zahlreiche Projekte als zweiter Mitarbeiter integriert, lernte viel am Computer, mit dem ich bis dahin nicht viel am Hut hatte, und beschäftigte mich mit Umwelt- und Dorfentwicklungsplanung.“ Ein damals entworfener Plan für Bärwalde in der Lausitz wurde übrigens erst 2008/2009 umgesetzt. Auch am Skatingpark Dresden-Gorbitz oder am Wanderweg Bienertmühle war Janet Schlüßler beteiligt. Ihre größte Aufgabe als angehende Landschaftsarchitektin war die Außengestaltung des Betriebshofes der DVB in Dresden-Gorbitz.
Nach Ende des Studiums 2000 arbeitete sie im Dresdner Büro für Landschaftsarchitektur Kühfuß. Als die Branche zwei Jahre später kriselte, mussten Mitarbeiter entlassen werden. Auch Janet Schlüßler. Mit ihrem ehemaligen Chef ist sie dennoch weiterhin verbunden: „Wir sind verheiratet“, schmunzelt sie. Ein Jahr Babypause nutzte die kreative junge Frau zur Fortbildung, lernte Webdesign, Layout und 3D. Mit einem Kleinkind wieder als Landschaftsarchitektin arbeiten? „In Architekturbüros wird Tag und Nacht gearbeitet, das ist mit Kind schwierig.“ Janet Schlüßler entschied sich für einen anderen Weg. Im Dezember 2004 machte sie sich selbständig. In ihrem Ein-Frau-Unternehmen bietet sie Dekoration für Veranstaltungen oder Familienfeiern, Kostüme für Bälle, Theater oder Fasching sowie Grafikleistungen für Geschäftsleute oder Privatpersonen an. Auch als Ankleiderin für „Stars in concert“ wurde sie schon engagiert. Mittlerweile kommen Aufträge aus dem ganzen Bundesgebiet zu der ideenreichen Dresdnerin.
Kinderbuchillustrationen, Hochzeitskleider, Webseiten – „manchmal könnten die Tage doppelt so lang sein“, wünscht sich die Allrounderin. Nicht nur vor dem legendären Dresdner Hutball jährlich im März, für den Janet Schlüßler nicht nur ausgefallene Auftragshüte kreiert, sondern auf dem ihre Entwürfe bereits mehrfach prämiert wurden. Tagsüber werkelt sie meist in ihrer Werkstatt am Rande der Dresdner Neustadt, abends arbeitet sie am Computer.
Jeden Mittwoch ist sie auf dem TU-Campus. Zur Probe des Universitätschores, dem sie seit 15 Jahren angehört und in dem sie im Vorstand wirkt. Als Sopranistin ist sie demnächst wieder bei den Weihnachtskonzerten zu erleben, zum Beispiel am 17. Dezember im Beyer-Bau. Bis dahin hat Janet Schlüßler jedoch noch viel zu tun. Ein Riesen-Papagei-Kostüm für einen Veranstalter muss fertig gestellt werden und eine Rockerbraut wartet auf ihr exklusives, einzigartiges Hochzeitskleid.
Irgendwann eine eigene Kollektion zu entwerfen, wünscht sich Janet Schlüßler. Ideen hat sie unendlich viele. Narzissen verarbeitet die Landschaftsarchitektin immer noch. Nur heute ganz anders als früher.