„Was Ordentliches“ mit Spaßschleife
(porträtiert im Jahr 2022)
Dagmar Möbius
Andreas Wilde ist Diplom-Architekt. Das Studium an der TUD legte die Grundlagen für sein Unternehmen für innovative Brettspiele mit Apps. Das hat auf den ersten Blick nicht viel mit Architektur zu tun, auf den zweiten aber schon. Als Kreativem ist ihm wichtig, dass die Spiele einen tieferen Sinn haben und dabei Spaß machen.
„Was Kreatives, möglichst weit weg von zu Hause“, schwebte dem Freiburger vor, als er sich für ein Studium entscheiden sollte. Ein Kunststudium in London oder ein Bauingenieur-Studium waren in der engeren Wahl. Der Architektur-Studiengang in Dresden wurde es. „Es ist der kreativste Beruf, der als ‚was Ordentliches‘ galt“, schmunzelt der heute 31-Jährige. „Erfolgsträchtig und eine schöne Stadt“, fasst er seine Studienortwahl rückblickend zusammen. Außerdem: „Billige Mieten klangen reizvoll.“
Ausprobieren und Scheitern war erlaubt
Sein Studium von 2011 bis 2018 liegt noch nicht so lange zurück. Sehr gut fand Andreas Wilde, dass es sehr projektorientiert angelegt war und er vieles lernen konnte. „Ausprobieren und Scheitern war erlaubt.“ Schon im Hauptstudium durfte er an Projekten mitarbeiten und hat beste Erinnerungen daran. „Meine Gedanken sind relevant“, war ein Aha-Effekt, den er sich für alle akademischen Ausbildungen wünscht. Das Studium generale, also das Hineinschnuppern in andere Studiengänge, nutzte er gern. „Vorlesungen über Rembrandt oder in Politikwissenschaften prägten mich genauso wie die Architekturfächer“, sagt er.
Interessanter Generalstudiengang
Professor Daniel Lordick, der Mathematik für Architekten lehrte, brachte ihm beispielsweise räumliches Zeichnen bei. Wie Andreas Wilde Geometrie anhand von gelaserten und mit Faden gewickelten Modellen lernte, würde ihm später nützlich sein. Parametrisches Design und viele andere Fähigkeiten auch. Seine Diplomarbeit schrieb er im Rahmen des großen EU-Horizon-Projektes U_CODE - Urban Collective Design Environment. Sein Thema: Playground. Dabei ging es um Stadtentwicklung und Partizipation im Städtebau. Betreut haben ihn Dr.-Ing. Jörg Rainer Noennig und Dipl.-Ing. Anja Jannack vom Bereich Wissensarchitektur – Laboratory of Knowledge Architecture.
Innerhalb der Diplomarbeit baute Andreas Wilde ein Spiel für Architekten. „Das war sehr cool, ich habe es gefühlt allein gemacht“, freut er sich noch heute. „Im Rückblick hat alles gepasst. Architektur ist immer noch ein interessanter Generalstudiengang. Das stellte sich als großes Glück heraus.“ Schon während des Studiums gründete Andreas Wilde mehrere kleine Firmen. In deren Mittelpunkt: Spiele. Warum? „Ich bin gern schöpferisch tätig. In der Spielewelt ist die Arbeit zu 50, 60 Prozent kreativ. In der Architektur ist das deutlich weniger. Dort kommt zur Entwurfsarbeit noch Prüfen, Finanzieren und vieles mehr“, erklärt er. Schon 2018 verkaufte er erfolgreich Spiele.
Initiator sieht sich als Teil des Teams
Ein Jahr später gründete er das Indie-Spielestudio HYBR Games. Das Unternehmen entwickelt innovative Brettspiele. Deren Besonderheit: „Durch eine geschickte App-Integration bringen wir Vorteile aus Videospielen an den Spieltisch“, erklärt Andreas Wilde. Er ist stolz auf „unsere ernsthaften hybriden Spiele, ohne Alibi-Apps.“ Er war der Initiator, aber er sieht sich als Teil des Teams. Seinem Mitgründer Bartłomiej Zalewski, einem Elektrotechnik-Alumni, begegnete er allerdings nicht an der TU Dresden, sondern in der Dresdner Start-up-Szene. Ursprünglich wollte der Software-Spezialist nur den Namen eines Spiels haben. Als beide merkten, dass sie das Gleiche wollen, gründeten sie gemeinsam. Inzwischen ist das Team zu viert, wobei nicht alle Vollzeit arbeiten.
Das Video zeigt die Farben-Misch-Mechanik: Zwei Spielende versuchen, Grün zu mischen.
Die Spiele, das Risiko und die Finanzen für Atlantis
Apropos Finanzen. Die sind in der kreativen Szene schwer zu prognostizieren. „Kommt ein Titel nicht gut an, ist das schlecht. Hätten wir zwei Flops hintereinander, wären wir raus“, sagt Andreas Wilde. Trotzdem brauchte das Start-up bisher keine Investoren. Neben Fördergeldern und mehreren Gründungsstipendien sind die Spiele-Entwickler mit ihren Fans im engen Kontakt, binden sie beispielsweise in Beta-Tests ein. Bisher finanzierten die Kunden in zwei Crowdfunding-Kampagnen die Produkte vor. „Das machen wir wieder“, steht fest. Das neueste Spiel „Finding Atlantis“ soll im Oktober 2022 veröffentlicht werden. Wie der Name schon sagt, geht es darum, Atlantis zu finden. Dabei weiß die App, wo Atlantis liegt, die Spielenden aber nicht. „Das Deduktionsspiel ist ein bisschen wie Schiffe versenken“, kündigt Andreas Wilde an.
Jede Woche eine Spaßschleife entwerfen
Für Investments ist HYBR Games inzwischen offen. Der Grund ist simpel: „Wenn wir mehr Spiele entwickeln, gleicht sich das Risiko aus.“ Etwa die Hälfte einer typischen Arbeitswoche ist Andreas Wilde mit administrativen Aufgaben beschäftigt: Management, Strategie, Absprachen mit den Programmierern, Kommunikation. Aber in der zweiten Hälfte vertieft er sich tief in seine Spiele: malt Bilder, fotografiert, sucht Farben aus – und spielt. Einen Tag pro Woche trifft sich das Team zum gemeinsamen Spielen. „Playtesting“ heißt das und hat einen ernsthaften Hintergrund. Bevor ein Spiel verkauft werden kann, muss es 100 bis 1000 Mal gespielt worden sein. „Die Spaßschleife entwerfen“, nennt Andreas Wilde diese Phase. „Es darf im fertigen Spiel keine Unklarheiten geben.“
Start-up-Heimat ohne Kräftemessen
Er ist dankbar, dass ihn sein Studium zu dem befähigte, was er heute kann: „Etwa die Hälfte der Fächer haben mich zum Game Designer ausgebildet.“ Mit dem „Laboratory of Knowledge Architecture“ der TUD steht Andreas Wilde nach wie vor in Kontakt und kann sich gut vorstellen, für Augmented reality (AR), Gamification und/oder Bilderkennung wieder zusammen zu arbeiten. Sein Team ist auch offen für Forschungsprojekte. „Schon jetzt nutzen wir Bilderkennung, das machen nicht viele.“ Derzeit arbeitet eine Praktikantin der TUD mit im Team.
Der Exil-Freiburger hat seine neue Heimat gefunden, auch für sein Multimedia-Start-up. „In Dresden gibt es nicht so ein großes Kräftemessen wie zum Beispiel in Berlin. Hier wird weniger reingequatscht und man fällt mehr auf“, lacht er.
Kontakt:
Diplom-Architekt Andreas Wilde
Game Designer, Creative Manager
HYBR Games GmbH
Jordanstr. 2
01099 Dresden
Tel.: +49 176 47762052
E-Mail
Web