Charlotte Bühler
Charlotte Bühler wurde am 20. Dezember 1893 in Berlin-Charlottenburg geboren und war die Tochter des Architekten Hermann Malachowski und der Paläontologin/Archäologin Rose Ma-lachowski, geb. Kristeller.
Mit 16 Jahren beschäftigte sie sich bereits mit den Fragen von Denkprozessen und wie diese ablaufen. Für den theoretischen Zugang besorgte sie sich in der Volksbibliothek thematische passende Abhandlungen. Aufgrund mangelnder Fachliteratur in den ihr zugänglichen Bibliothek, entwickelte sie eine eigene Methode auf der Basis eines selbsterdachten Experimentes, dass sie mit Familienangehörigen und Freundinnen durchführte. Diese Methode entwickelte sie in späteren Jahren weiter und verwandte sie als Grundlage ihrer Dissertation.
Ihr Interesse mündete 1913 im Studium der Philosophie mit Schwerpunktsetzung auf Psychologie und Pädagogik an den Hochschulen Freiburg im Breisgau und Berlin. Neben den Studienfächern besuchte sie in ihrer Freizeit Lehrveranstaltungen in Medizin, Theologie, Geschichte und Philologie. 1914 wechselte sie nach Kiel an ein Lehrerinnenseminar und lernte dort ihren ersten Verlobten kennen. Dieser löste die Verbindung jedoch zeitnah. Nach diesen Entwicklungen beendete sie ihr Studium mit dem Lehrerinnenexamen in Kiel und nahm ihr Psychologiestudium in Berlin an der Humboldt-Universität unter Dr. Carl Stumpf wieder auf. Ihr Ziel war es fortan, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Da ihre Ansichten zum Forschungsfeld der Theorie des Denkens andere waren als Stumpf und sie sich eigenständiges Arbeiten zu ihren Thesen wünschte, empfahl ihr Stumpf, nach München zu Oswald Külpe zu gehen.
Im Herbst 1915 begann ihre Arbeit am Psychologischen Institut der Universität München. Sie konnte jedoch nicht lange vom Einfluss und dem Austausch mit Külpe profitieren, da dieser im gleichen Jahr verstarb. Zunächst interimsmäßig übernahm der außerordentliche Professor Karl Bühler. Er zeigte ebenfalls reges Interesse an Charlotte Bühlers Arbeit. Das Karl Bühlers Interesse nicht ausschließlich beruflicher Natur war, wurde deutlich als er ihr zeitnah einen Heiratsantrag machte. Das berufliche Verhältnis und der Altersunterschied ließen sie zunächst zögern. Am Ende bejahte sie aber seine Frage. Die Heirat fand im April 1916 statt. Im Jahr 1917 wurde die Tochter Ingeborg und 1919 der Sohn Rolf geboren.
Charlotte Bühler beendete 1918 ihre Dissertation erfolgreich an der Universität unter Erich Becker mit „summa cum laude“. Im selben Jahr erhielt Karl Bühler den Ruf nach Dresden. Charlotte Bühler folgte ihm und habilitierte 1920 unter dem Literaturforscher Oskar Walzel zum Thema „Entdeckungen und Erfindungen in Literatur und Kunst“. Sie war damit die erste Habiliantin an der Technischen Hochschule Dresden. Ferner wurde sie zur ersten Privatdozentin in Sachsen ernannt und erwarb sich dort das Recht an wissenschaftlichen Hochschulen zu lehren.
Karl Bühler wurde 1922 auf die Professur für Philosophie an der Universität Wien berufen und Charlotte Bühler folgte 1923 nach. Hier arbeiteten sie von 1929 bis 1938 gemeinsam am Psychologischen-Institut der Universität Wien. Charlotte Bühler wirkte in dieser Zeit als außerordentlichen Professorin. In diese Zeit fallen zudem Forschungsaufenthalte in den USA 1924/25 1935. 1935 wurde sie Direktorin des neugegründete Parents Institute in London, nach dessen Vorbild auch in Wien 1936 eines initiiert wurde.
Mit der Angliederung Österreichs 1938 an das Deutsche Reich fand das produktive und gesellschaftlich eingebundene Arbeitsleben der Bühlers aufgrund Charlotte Bühlers jüdischer Wurzeln ein Ende. Während Charlotte Bühler auf einer Vortragsreise war, wurde ihr Mann in Wien verhaftet. Es gelang ihr erst ein halbes Jahr später von Norwegen aus, ihre Kinder und ihren Mann zu sich zu holen.
Charlotte Bühler lehrte ab 1938 an der Lehrerakademie Trondheim sowie der Universität von Oslo. Im März 1940 folgte sie ihrem, bereits in die USA emigrierten, Mann. Hier forschten und lehrten beide als Professoren am St. Catherine College von St. Paul in Minnesota. 1942 übernahm Charlotte Bühler die Leitung der psychologischen Abteilung des Zentralkrankenhauses von Minneapolis in Minnesota. 1945 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft und arbeitete bis 1953 als Chefpsychologin am County General Hospitals in Los Angeles.
Bereits 1950 begann sie als Professorin für Psychiatrie an der Universität von Südkalifornien in Los Angeles zu lehren. Gleichzeitig betrieb sie von 1950 bis 1971 eine Privatpraxis als Psychologin in Beverly Hills.
1971 kehrte Charlotte Bühler nach Deutschland zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1974 eine Privatpraxis als Psychologin in Stuttgart betrieb.