Warum sollten Prüfungsanforderungen für alle Studierenden transparent sein?
Unwissenheit kann zu Unsicherheit führen und Unsicherheit führt zu Stress. Eine Stressreaktion kann als körperlicher Anpassungsprozess und als psychischer Zustand verstanden werden. Jantzen (1987) dekliniert ihn als "die Gesamtheit der Anpassungsreaktionen des Organismus an extreme Belastungsbedingungen, die psychologisch durch einen Gradientenabfall der emotionalen Bewertung in Richtung auf einen Affektzustand eingeleitet werden (Jantzen 1987: 286)." Je nachdem wie die Stessreaktion ausfällt, kann sich das auf den Lernprozess auswirken. In dem Beispiel hat die Auswirkung negative Folgen. Wahrscheinlich wird sie sich Marie aufgrund der wahrgenommenen (Mehr-)Belastung nicht gut konzentrieren können. Für sie ist vermutlich eine mit Angst behaftete Situation entstanden.
Warum ist die Aussage, es komme alles dran, problematisch?
Für Studierende ist das Themenfeld, in das sie sich mit dem Besuch einer Lehrveranstaltung begeben, inhaltlich nur schwer zu überblicken. Was wird diskutiert? Welche Erkenntnisse gelten als gesichert? Was sind Forschungsdesiderata? Auch wenn es Schwerpunkte in der Lehrveranstaltung gibt, kann es für Studierende eine nicht zu bewältigende Aufgabe darstellen, Grenzen abzustecken und in der Literatur den roten Faden zu finden. Umso wichtiger ist es, dass ihnen das, was für die Prüfungsleistung zentral ist, transparent gemacht wird. Doch welche Kompetenz(en), unabhängig vom Inhalt, wird (werden) verlangt? Sollen die Studierenden Inhalte beschreiben, anwenden oder reflektieren?
Hat der Dozent sich während des Semesters dafür interessiert, welche Studierenden (nicht) da waren und warum sie nicht da waren? Ist das überhaupt eine Frage, mit der sich Dozierende beschäftigen sollten?
Dass Studierende ab und an von Lehrveranstaltungen fern bleiben, ist keine Seltenheit und kein einzelphänomengängige Praxis im Studium. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: die Universität, die Professionalisierung oder das Privatleben betreffend. So z.B. wie die im Fall angesprochene Fürsorgearbeit. Darüber hinaus ist ein Nebenjob oder fehlende Sinnhaftigkeit der Lehrveranstaltung denkbar. Bei letzterem konnten sich die Studierenden Fragen wie Weshalb nehme ich an der Veranstaltung teil? oder Was bringt mir die Lehrveranstaltung in meiner Professionalisierung? (noch) nicht beantworten.
Wieso wiederholt die Studentin nicht das Seminar, wenn sie so selten da war?
Die Frage kann nur die Studentin beantworten. Marie könnte beispielsweise aus folgenden Beweggründen das Seminar nicht wiederholen wollen bzw. können:
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Es wurden bereits andere Lehrveranstaltungen in spätere Semester verschoben. Dieses Seminar ist eines der wenigen, das die Studentin absolvieren möchte.
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Es ist nicht abzusehen, dass sich Maries Aufwand der Fürsorgearbeit in nächster Zeit ändert. Auch in den nächsten Semestern wird sie vermutlich in einigen Veranstaltungen fehlen.
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Sie hat Zeitdruck, das Studium zu beenden, da sie auf eine Studienfinanzierung (BAföG) angewiesen ist.
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Es besteht keine Präsenzpflicht. Marie darf also eine Prüfungsleistung erbringen, obwohl sie nicht (immer) in den einzelnen Sitzungen anwesend war.