Zehn Merkmale wirksamer Lehrkräftefortbildungen
In einem Leitfaden für die Gestaltung von Lehrkräftefortbildungen benennen Frank Lipowsky und Daniela Rzejak zehn Merkmale, die wirksame und erfolgreiche Fortbildungen auszeichnen.
Die Notwendigkeit zur Entwicklung eines Leitfadens für „gezielte und systematisch angelegte“ Lehrkräftebildung ergab sich für Lipowsky und Rzejak aus den Forschungsergebnissen der letzten Jahre: Zunehmende Berufserfahrung von Lehrkräften führt nicht zwingend zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenzen und damit auch nicht unbedingt zur positiven Weiterentwicklung des Schulunterrichts. Vor diesem Hintergrund erweisen sich Fortbildungen für Lehrkräfte als bedeutsame Werkzeuge, die Lehrkräfte zur Weiterentwicklung ihrer beruflichen Handlungskompetenzen verhelfen. Doch nicht nur die persönliche Entwicklung von Lehrkräften ist das Ziel von Lehrkräftebildung. Auch die methodische Bildung zum Umgang mit Digitalität im schulischen Setting ist für Lipowsky und Rzejak im Rahmen der Planung des Leitfadens in Zeiten der Corona-Pandemie bedeutungsvoll geworden, da auch diesbezüglich die Forschungsergebnisse deutliche Defizite zu Lasten der Lehr- und Lernprozesse hervorbrachten. Die Gestaltung wirksamer Fortbildungen zur Weiterentwicklung beruflicher Kompetenzen ist im Hinblick auf die vielseitigen Herausforderungen von Lehrkräften komplex, da diese nach „Merkmale[n] lernwirksamen und motivationsfördernden Unterrichts, wie z.B. die kognitive Aktivierung und metakognitive Förderung der Lernenden , die inhaltliche Klarheit des Unterrichts, weiterführendes Feedback, die konstruktive Lernunterstützung der Lernenden und die Qualität kooperativen Lernens“ fragen (ebd., S.22). Die Transferleistung von Wissen in die Unterrichtspraxis ist im Rahmen einer Fortbildung von entscheidender Bedeutung für das Maß der Wirksamkeit und damit für den Erfolg einer Fortbildung.
„Wirksamkeit bedeutet, dass die Fortbildungen wissenschaftlich belegt zur Weiterentwicklung wichtiger Kompetenzen von Lehrpersonen beitragen und/oder sich positiv auf die Weiterentwicklung des Unterrichts und auf das Lernen von Schülerinnen und Schülern auswirken“ (ebd., S.12).
Lipowsky und Rzejak benennen insgesamt 10 Merkmale, die sich als erfolgsversprechende Faktoren in der Fortbildungsgestaltung erwiesen haben. Dabei fokussieren sich fünf auf die inhaltliche Ausrichtung und fünf auf die methodisch-didaktische Gestaltung:
Inhaltliche Ausrichtung von Fortbildungen
1. Orientierung am Stand der Unterrichtsforschung
An Merkmalen der Tiefenstruktur von Unterricht ansetzen
2. Selbstgesteuertes Lernen von Schülerinnen und Schülern
Wissen über die Bedeutung von Lernstrategien aufbauen und Lernende in ihrer Selbstständigkeit unterstützen
3. Fokussierung auf zentrale unterrichtliche Anforderungen
Relevante Kernpraktiken von Lehrpersonen aufgreifen
4. Inhaltliche Fokussierung
In die Tiefe gehen und hierbei das Wissen über das Lernen von Schülerinnen und Schülern weiterentwickeln
5. Förderung des Wirksamkeitserlebens
Den Zusammenhang zwischen Lehrerhandeln und Schülerlernen analysieren
Methodisch-didaktische Gestaltung von Fortbildungen
6. Stärkung der kollegialen Kooperation
Unterrichtsbezogene Zusammenarbeit anregen und etablieren
7. Verknüpfung von Input-, Erprobungs- und Reflexionsphasen
Wissen erwerben, Handeln erproben und Erfahrungen reflektieren
8. Feedback und Coaching
Lernprozesse und Erfahrungen von Lehrpersonen durch Rückmeldungen, Beispiele und Anregungen unterstützen
9. Angemessene Fortbildungsdauer
So lange wie nötig, so kurz wie möglich
10. Bedeutsame Inhalte und Aktivitäten
Durch Praxisbezug den Nutzen und die Relevanz der Fortbildungsinhalte verdeutlichen
Der Leitfaden dient der Professionalisierung von Lehrpersonen und stellt eine Grundlage für ein gemeinsames Qualitätsverständnis von Lehrkräftefortbildungen unter Fortbildner:innen dar. Dennoch eröffnen Lipowsky und Rzejak am Ende ihrer Ausführungen ein Feld von Forschungslücken bspw. hinsichtlich der Wirkung von „Merkmale[n] der Prozess- und Interaktionsqualität“ (ebd., S.69). Dem vielseitigen Fortbildungsangebot und der mit der Digitalisierung einhergehenden Formatvielfalt wohnt ein großes Potential inne: „Lehrpersonen haben deutlich erweiterte Möglichkeiten, sich untereinander zu vernetzen und Informationen auszutauschen, Materialien und Erfahrungen zu teilen, Gleichgesinnte für pädagogische Reformvorhaben – auch jenseits der eigenen Schule – zu suchen und zu finden sowie Unterstützung und Beratung für ihre spezifischen Bedürfnisse zu erhalten“ (ebd., S.70). Auch für die Bildungspolitik sehen die Autoren bspw. auf struktureller Ebene in der Etablierung eines „systematischen Monitoring[s] im Bereich Fortbildung“ Entwicklungspotential (ebd., S.71), das der Qualität von Lehrkräftebildung dienen würde.