Baukonstruktion
Inhaltsverzeichnis
(Text von David Sandmann und Silke Scheerer)
Der CUBE
Der Forschungsbau mit einer Grundfläche von 24,1 m × 7,8 m besteht aus drei wesentlichen Teilen: der BOX, den zwei TWIST-Elementen samt auskragender Flügel und einer Stahl-Glas-Fassade.
Gestaltgebend sind die in Ortbetonbauweise gefertigten, bis zu 6,8 m hohen und 32,0 m langen TWIST-Schalen aus nahezu weißem Carbonbeton. Diese sind geometrisch identisch und verdreht zueinander angeordnet. Gemeinsam mit dem Lichtband bilden sie die Dachfläche und sind durch ihre Verwindung von der Horizontalen in die Vertikale gleichzeitig auch ein Teil der Außenhülle. Die Flügel ragen ca. 8,0 m über die Grundfläche des Gebäudes hinaus und sind an ihren äußeren Enden lediglich 6,0 cm dick.
Die TWIST-Schalen umgeben den quaderförmigen, zweigeschossigen (Halb-)Fertigteilkomplex BOX aus dunkel gefärbtem Carbonbeton. Die BOX ist etwa 10,7 m lang, 4,9 m breit und 6,8 m hoch. Sie besteht aus 25 Halbfertigteilwänden, zehn Attikaelementen, neun Hohlkörperfertigteildecken und zwei Treppenläufen. Die Bauteile wurden vor Ort mit Ortbeton zu einer Tragstruktur zusammengefügt.
Eine besondere Herausforderung war das Vorlegen einer genehmigungsfähigen Planung, da bei nahezu allen Bauteilen und bei vielen Werkstoffen keine gültigen Normen oder Zulassungen vorlagen oder maßgebliche Abweichungen zu bereits zugelassenen Produkten oder Bauarten bestanden. Für diese Bauprodukte und -technologien mussten Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) und vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen (vBG) gemäß Sächsischer Bauordnung bei der Landesstelle für Bautechnik (Leipzig) erwirkt werden.
Gebäudeteil BOX
Die BOX demonstriert die generelle Eignung von Carbonbeton für den Fertigteilbau. Mit einem traditionellen Gebäudekonzept aus ebenen Tragelementen wurde eine klassische Montagebauweise mit Vorfertigungs-, Transport- und Baustellenabläufen realisiert. Es sollte ressourceneffizient, wirtschaftlich, einfach und effizient gebaut werden können.
Das Gebäude ist auf wärmegedämmten Streifenfundamenten und Bodenplatten gegründet. Für die BOX-Wände wurden Halbfertigteile als Doppelwandelemente mit innenliegender Wärmedämmung hergestellt. Die 4 cm dicken, carbonbewehrten Außen- und Innenschalen sind mit GFK-Ankern verbunden. Der Wandkern besteht aus einer 7,0 cm dicken Aerogel-Hochleistungsdämmschicht an der Außenschale und einer 12 cm dicken Füllbetonschicht aus Normalbeton C35/45.
Die 4,5 m langen und bis zu 2,6 m breiten Deckenplatten sind einachsig gespannte, einfeldrige Vollfertigteile. Zur Material- und Gewichtseinsparung entschied sich das Planungsteam für einen Hohlquerschnitt. Die Hohlräume wurden mit OSB-Platten realisiert. Daraus ergeben sich statisch gesehen mehrfach nebeneinander angeordnete Doppel-T-Querschnitte mit 25,0 cm Konstruktionshöhe, zusammengesetzt aus schlanken, carbonfaserbewehrten, horizontalen Gurten von lediglich 3,0 cm Dicke und unbewehrten, 6,0 cm dünnen Stegen. Im Vergleich zu einer massiven Stahlbetonvollplatte konnten mehr als 50 % Beton eingespart werden.
Als einlagige Hauptflächenbewehrung der BOX-Decken wurde analog zu den Wänden ein quadratisches Carbonfasergitter mit einer Bewehrungsquerschnittsfläche von 95 mm²/m und einer Bemessungszugfestigkeit von 1600 N/mm² in der Hauptbeanspruchungsrichtung gewählt. Für den Bauteilbeton wurde die Druckfestigkeitsklasse C50/60 gewählt.
Die Verbindung der Deckenplatten untereinander erfolgte durch Fugenschlösser. Die Deckenfugen wurden nach der Montage baustellenseitig ausbetoniert.
TWIST-Schalen
Ziel des Konzeptdesigns des Architekten Prof. Gunther Henn war, zu zeigen, dass mit Carbonbeton statisch effizient und gleichzeitig ästhetisch anspruchsvoll und geometrisch vielfältig gebaut werden kann. Die elegant schwingenden, sich spielerisch verwindenden TWIST-Schalen mit Regelflächengeometrie lagern auf einer Stützen-Riegel-Konstruktion aus Stahl bzw. direkt auf Fundamenten auf. Sie bilden zugleich den horizontalen und den vertikalen Raumabschluss des Gebäudes und umgeben die BOX.
Der mehrschichtige Querschnitt der TWIST-Elemente ähnelt dem der Deckenplatten der BOX. Es gibt allerdings keine tatsächlichen Hohlräume. Vielmehr wurden EPS-Dämmblöcke integriert, um mit möglichst geringem Betoneinsatz eine tragfähige und gleichzeitig wärmedämmende Dach-Wand-Konstruktion zu erreichen, die dauerhaft wasserdicht sowie witterungsbeständig ist. Der Gesamtaufbau ist 44,0 cm hoch und besitzt drei wesentliche Bestandteile: eine 25,0 cm dicke Tragschale, eine 15,0 cm dicke Dicht- und Dämmschicht und eine 4,0 cm starke Wetterschale als Dachhaut und Witterungsschutz.
Ober- und Untergurt der Tragschale sind jeweils 3,0 cm dick und einlagig mit einem quadratischen Carbonfasergitter mit 85 mm²/m Querschnittsfläche bewehrt. In Bereichen höherer Biegebeanspruchung wurden zwei Lagen Carbongitter verbaut und die Gurtdicke auf 4,0 cm erhöht. Die Gurte sind über 19 cm hohe unbewehrte Betonstege verbunden. Dazwischen sind EPS-Dämmblöcke angeordnet. Diese wurden gemäß der Planung 3D-gefräst. Zur Minimierung lokaler Spannungsspitzen in den Anschlussbereichen der Stege zu den Gurten wurden die Kanten der Blöcke abgewinkelt. Die Ränder der Tragschale werden durch aussteifende Randbalken gebildet, die mit nichtmetallischen Längsstäben und Bügeln bewehrt sind.
Auf die Tragschale wurden eine bituminöse Abdichtung und eine Lage XPS-Dämmung aufgebracht. Die abschließende, 4,0 cm dicke, zweilagig bewehrte Carbonbeton-Wetterschale ist mit GFK-Pins mit der Tragschale verbunden. Um den Verbund zwischen textiler Faserbewehrung und Beton zu verbessern und gleichzeitig die zu erwartenden Rissweiten und -abstände zu minimieren, wurde die Carbonbewehrung zusätzlich besandet. Weiterhin wurde eine konstruktive Schutzbewehrung aus einem Glasgitterarmierungsgewebe 5 mm unter der Oberfläche der Wetterschale eingebaut.
Die TWIST-Schalen enden mit 8 m langen, über das Gebäude hinausragenden Flügelwänden. Sie sind ähnlich wie die zweischaligen Tragschalen ausgebildet. Ihre Dicke verringert sich von 44,0 cm am TWIST-Anschluss auf 6,0 cm an der Spitze.
Die Herstellung der beiden TWIST-Elemente erfolgte im Nassspritzverfahren gegen eine einseitige Holzschalung aus segmentierten und aneinander gereihten Mehrschichttafeln entsprechend der mathematischen Geradenschar, die die Krümmung und Gestalt der Regelfläche definierten. Der Spritzbeton C50/60 mit 2 mm Größtkorn musste höchste Sichtbetonqualität erfüllen, bspw. im Hinblick auf Versätze an Arbeitsfugen, Porigkeit und Gleichmäßigkeit des Farbtons. Die Außenhaut der nicht geschalten Seite wurde händisch geglättet. Abschließend erhielt die Oberfläche einen Graffitischutz als Imprägnierung.
Weiterführende Informationen
BUST-Sonderheft zum CUBE, initiiert von Manfred Curbach und Michael Frenzel, redaktionell betreut von Michael Frenzel und Silke Scheerer; erschienen in: Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023) S2 CUBE Das Carbonbetongebäude (Auswahl):
- Kupke, M.: CUBE Projektvorstellung. 13–21 – https://doi.org/10.1002/best.202200125
- Frenzel, M.; Scheerer, S.; Schmidt, A.: Übersicht über die im CUBE verwendeten Materialien. 25–36 – https://doi.org/10.1002/best.202200125
- Ritter, H.; Frenzel, M.; Scheerer, S.: Statisch-konstruktive Durchbildung des Gebäudeteils BOX – Herausforderung aus planerischer Sicht. 42–48 – https://doi.org/10.1002/best.202200126
- Frenzel, M.; Schmidt, A.; Scheerer, S.: ZiE für Carbonbetonbauteile in Halbfertigteil- und Fertigteilbauweise im Gebäudeteil BOX des CUBE. 49–56 – https://doi.org/10.1002/best.202200105
- Vakaliuk, I.: Modellierung der TWIST-Schale des CUBE. 66–70 – https://doi.org/10.1002/best.202200104
- Zavadski, V.; Frenzel, M.: Aufbau, Bemessung und Planung der TWIST-Carbonbetonschalen. 71–81 – https://doi.org/10.1002/best.202300009
- Schmidt, A.; Frenzel, M.; Scheerer, S.: Schwinduntersuchungen zu einer fugenlosen 24,4 m langen Carbonbetonschale – ZiE TWIST. 82–91 – https://doi.org/10.1002/best.202200124
- Jesse, F.: Herstellung und Errichtung – TWIST. 109–119 – https://doi.org/10.1002/best.202200096