Atmosphärenbeobachtungen mit Hilfe von GNSS-Signalen
Die Laufzeitverzögerungen, die die GNSS-Satellitensignale auf ihrem Weg durch die Erdatmosphäre (im Wesentlichen durch Ionosphäre und Troposphäre) erfahren, beeinflussen die geodätische Nutzung dieser Systeme. Zwar können die größten Anteile dieser Verzögerungen durch Mehrfrequenz-Messungen oder einfache Korrekturmodelle beseitigt werden, trotzdem verbleiben immer Restabweichungen, die die geodätischen Resultate beeinflussen. Ziel ist es, diese Resteinflüsse durch verbesserte Algorithmen und Modellierungen zu erfassen und damit ihre Wirkung immer weiter zu verringern. Die Modellierungsergebnisse sind gleichzeitig ein unerschöpfliches Reservoir für die Atmosphärenbeobachtung und -forschung.
I95-Index
Als ein Nebenprodukt verbesserter Ionosphärenmodellierung wurde am Geodätischen Institut Ende der 1990 Jahre der so genannte I95-Index zur Quantifizierung ionosphärischer Einflüsse für Anwendungen mit Genauigkeitsansprüchen auf cm-Niveau entwickelt, der inzwischen weite Verbreitung gefunden hat.
Bei der GNSS-gestützten Positionsbestimmung in Netzen von regionalen Referenzstationen wird vielfach mit virtuellen Referenzstationen (VRS) gearbeitet. Als Zwischenprodukt bei der Berechnung von VRS-Beobachtungen werden Korrekturmodelle der entfernungsabhängig wirkenden Fehlereinflüsse in Form von Flächenkorrekturparametern (FKP) erzeugt. Ionosphärische FKP ergeben ein detailliertes Bild des Einflusses der ionosphärischen Laufzeitfehler auf cm-genaue relative Positionierung. Für einen schnellen Überblick über die ionosphärischen Verhältnisse ist es sinnvoll, die ionosphärischen FKP-Werte zu stundenweisen Index-Werten zusammenzufassen.
Große I95-Indexwerte zeigen an, dass mit vermehrten Problemen bei der klassischen Basislinienlösung (verzögerte Mehrdeutigkeitslösung, geringere Koordinatengenauigkeit) zu rechnen ist. Teilweise kann dies mit verlängerter Messdauer ausgeglichen werden. Erfahrungen zeigen, dass es bei großen I95-Indexwerten auch Probleme bei der Positionsbestimmung innerhalb von Referenzstationsnetzen geben kann. FKP-Werte und VRS-Beobachtungen können nicht mehr vollständig erzeugt werden und die Qualität der ionosphärischen Modellierung verringert sich.

I95-Indexwerte 1997-2025
Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt in Magdeburg und das Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN), Hannover berechnen seit vielen Jahren den I95-Index in der Form stündlicher Werte aus den Beobachtungen von Subnetzen der SAPOS-Referenzstationen. Für nebenstehende Abbildung wurden Wochenmittel der I95-Werte gebildet und in einem Koordinatensystem von Datum und Tageszeit dargestellt. Zusätzlich ist die Stärke der Sonnenaktivität anhand der Sonnenfleckenzahl (SSN, Quelle: SIDC) abgebildet. Deutlich ist die Abhängigkeit der ionosphärisch bedingten Probleme vom etwa elfjährigen Sonnenaktivitätszyklus zu erkennen. In Mitteleuropa treten dabei große I95-Werte fast ausschließlich in den Tagesstunden der Winterhalbjahres auf.
Aktuelle I95-Indexwerte sind von der "Ionosphären Index"-Seite des LGLN abrufbar.
Literatur
Wanninger, L. (2023): Die befleckte Sonne - GNSS-Vermessung unter erschwerten Bedingungen. FORUM (BDVI), Heft 2/2023, S. 40-42
Wanninger, L. (2004): Ionospheric Disturbance Indices for RTK and Network RTK Positioning. Proceedings of ION GNSS 2004, Long Beach, CA, S. 2849-2854.