28.03.2024
Von Japan lernen: Studie zu Langzeitpflegessystemen erscheint im Review of Economics
Von Japan kann Deutschland lernen. Eine Segmentierung des Pflegeheimmarktes nach unterschiedlichen Komfortniveaus reduziert die Nachfrage nach stationären Pflegeheimplätzen und verbessert die Versorgungseffizienz der Anbieter. So das Ergebnis der Studie von Danny Wende, Alexander Karmann und Shinya Sugawara verfassten Studie "Does the Design of Welfare Programs Stipulate Nursing Home Utilization? A Comparative Analysis of Long-Term Care Systems in Japan and Germany", welche in einer der nächsten Ausgaben der Review of Economics erscheint.
Ein umfassender Vergleich der Langzeitpflegesystemen in Deutschland und Japan zeigt, dass beide Länder mit sehr ähnlichen Rahmenbedingungen aus alternder Bevölkerung und sozialversicherungsbasierten Langzeitpflegesystemen konfrontiert sind. Dennoch sind die Inanspruchnahme und die Kosten der stationären Pflege in Deutschland deutlich höher. Der Artikel beschreibt die Gründe hierfür mittels eines ökonomischen Entscheidungsmodells und liefert Evidenz durch Regressionsanalyse, Blinder-Oaxaca-Dekomposition und Data-Envelopment-Analyse.
Demnach führt das umfangreiche deutsche Wohlfahrtssystem bei Haushalten mit Pflegebedürftigen zu umso stärkeren Anreizen für stationäre Pflege, je niedriger die Einkommenssituation und je höher die staatliche Kostenübernahme (‚Hilfe zur Pflege‘) ist. Stationäre Pflege ist damit vergleichbar mit einem inferioren Gut bei unvollständiger Kosteninternalisierung. Mehr noch, die daraus resultierende unelastische Nachfrage führt zu geringerem Wettbewerbsdruck und geringerer Effizienz auf Seiten der deutschen Anbieter. In Japan wird diese Situation durch eine Komfortsegmentierung des Pflegemarktes vermieden. Die Kosten für ältere Einrichtungen mit überwiegend Mehrbettzimmern (juurai-gata) werden für Bedürftige fast vollständig vom japanischen Staat übernommen, die Hotelkosten für moderne Einrichtungen (unit-gata) hingegen nicht.
Eine Abmilderung dieser Anreizsituation – damit auch der Folgen des demografischen Wandels in Deutschland - könnte durch eine Neuregelung des Zugangs zu so genannten Hoteldienstleistungen in Pflegeheimen nach japanischem Vorbild erreicht werden, nämlich durch Erhebung von Zusatzgebühren für höheren Komfort. Auch das von der Politik forcierte Konzept des Pflegeunterstützungsgeldes als Lohnersatzleistung für informelle Pflege scheint geeignet, den inferioren Charakter der Nachfrage nach formeller Pflege abzuschwächen und damit das deutsche Anreizproblem zu reduzieren.