WS 2020/21
Inhaltsverzeichnis
- 08.12.2020: "Corona-Warn-Apps: Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie?"
- 14.01.2021: "60 Minuten: Corona-Schulden: Eine Gefahr für Firmen und Staat?"
- 21.01.2021: "60 Minuten: Wie Corona Wirtschaft und Unternehmen verändert"
- 28.01.2021: „Corona und die Auswirkungen auf den stationären und ambulanten Bereich und die Produktion von Gesundheitsleistungen“
- 18.03.2021: "Corona und das "V" an den Finanzmärkten"
08.12.2020: "Corona-Warn-Apps: Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie?"
Die vierteilige Online-Diskussionsreihe „Corona, Wirtschaft und Finanzen“ im WS 2020/21 startete am 08.12.2020 mit einem Panel zu Corona Warn-Apps. Als die deutsche Warn-App im Juni 2020 an den Start ging, hatten bereits mehr als 20 Staaten weltweit Warn-Apps im Einsatz. Die hohen Erwartungen an die App konnten bislang in Deutschland nur teilweise erfüllt werden. Warum das so ist und welche Unterstützung Corona-Warn-Apps im Kampf gegen die Pandemie leisten können, beleuchteten Prof. Dr. Alfred Benedikt Brendel (Professur für Intelligente Systeme und Dienste), Prof. Dr. Martin Wiener (Professur für Business Engineering) und Prof. Dr. Susanne Strahringer (Professur für Informationssysteme in Industrie und Handel) aus Sicht der Wirtschaftsinformatik.
Kurze Impulsvorträge gaben zunächst Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte. Die länderübergreifende Analyse von Prof. Brendel und Kollegen der Universität Göttingen identifiziert vier Archetypen von Tracing-Apps, die sich u.a. in Herkunft (staatlich vs. privat), Lizenz (Open Source vs. Proprietär) und Nutzung (freiwillig vs. verpflichtend) unterscheiden. „Im Kern stehen sich zwei Konzepte gegenüber: die App ist nur für die Nachverfolgung von Infektionsketten gedacht oder die Daten und Funktionen werden auch anderweitig genutzt, z.B. für einen Symptomecheck.“, hebt Prof. Brendel hervor. Prof. Wiener und sein Team erforschen zusammen mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes, welchen Einfluss die algorithmische Transparenz auf die Akzeptanz und Nutzung der Corona-Warn-App hat. „Wir untersuchen auf der Basis von großangelegten Online-Experimenten, wie sich unterschiedliche Transparenz-Levels auf die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern auswirken, die App herunterzuladen und zu nutzen.“, führt Prof. Wiener aus.Die Impulsvorträge boten reichlich Ansatzpunkte für die anschließende von Frau Prof. Strahringer moderierte Diskussionsrunde, bei der u.a. angesprochen wurde, inwieweit eine angepasste Kommunikationsstrategie, funktionale oder datenschutzrechtliche Anpassungen zu einer stärkeren Akzeptanz und Nutzung der deutschen Corona-App beitragen könnten. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung ergab ein ad-hoc-Umfrage, dass 75% sie bereits nutzten: eine beeindruckende Adoptionsrate!
14.01.2021: "60 Minuten: Corona-Schulden: Eine Gefahr für Firmen und Staat?"
Die Veranstaltung am 14.01.2021 stand unter dem Titel "Corona-Schulden: Eine Gefahr für Firmen und Staat?". Etwas mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten eine spannende Online-Diskussion mit ausgewiesenen Wirtschaftsexperten: Andreas Aumüller von der Creditreform Dresden, Prof. Dr. Thomas Günther, Inhaber der Professur für Betriebliches Rechnungswesen und Controlling und Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom Dresdner ifo Institut. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Dr. Christian Leßmann, Inhaber der Professur für VWL, insb. Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der TU Dresden.
Auf Andreas Aumüller von der Unternehmensauskunft Creditreform wirkt Corona wie ein Katalysator. Der Strukturwandel von Branchen wie dem Einzelhandel von stationären Geschäften hin zum Online-Handel vollziehe sich schneller als erwartet. Vor allem seien die Effekte aber auch innerhalb der Branchen sehr heterogen. Im Einzelhandel gäbe es teils deutliche Umsatzzuwächse wie etwa beim Handel mit Fahrräder, während andere Bereiche infolge der Krise deutlich schrumpfen. Bei all diesen Anpassungsprozessen käme es nun vor allem auf die Persönlichkeit und Qualifikation der einzelnen Unternehmer an. Diejenigen, die kreative Lösungen fänden, stünden nach der Krise gut dar.
Prof. Thomas Günther hat den Zusammenhang zwischen nachhaltiger Unternehmensfinanzierung und dem Unternehmenserfolg untersucht. Demnach zerreiße Corona einen Schleier, der über der finanziellen Situation vieler Unternehmen auch schon vor der Krise lag. Nachhaltig finanzierte Unternehmen seien daher deutlich besser durch die Krise gekommen, als vergleichbare Unternehmen mit anderer Finanzierungsstruktur.
Die volkswirtschaftliche Perspektive brachte Prof. Joachim Ragnitz ein. Trotz der in absoluten Zahlen großen Schulden, die Bund, Länder und Gemeinden zur Begegnung der Krise aufgenommen haben, sei dies keine Gefährdung der Tragfähigkeit öffentlicher Haushalte. Schließlich seien die Zinsen extrem niedrig und die Tilgungsfristen z.T. sehr lang. Ausgenommen davon sei unter anderem Sachsen, da hier qua Landesverfassung eine kurze Tilgungsfrist gefordert würde, welche das Risiko bringt, dass die fristgerechte Tilgung nur dann möglich sei, wenn Investitionen runtergefahren würden. Dies wiederum gefährde die längerfristige Wirtschaftsentwicklung.
21.01.2021: "60 Minuten: Wie Corona Wirtschaft und Unternehmen verändert"
In der 60 Minuten-Diskussion am 21.01.2021 standen die Folgen der Pandemie für Unternehmen und Wirtschaft im Vordergrund. Aus der Perspektive dreier Fachgebiete – Controlling, Energiewirtschaft und Marketing – wurde aufgezeigt, wie Corona die Wirtschaft verändert bzw. was Corona für das Management von Unternehmen bedeuten kann. Es referierten Prof. Dr. Thomas Günther und Dr. Michael Graßmann (Professur für Betriebliches Rechnungswesen und Controlling), Prof. Dr. Dominik Möst (Professur für Energiewirtschaft) und Prof. Dr. Florian Siems (Professur für Marketing). Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Prof. Dr. Silke Geithner (EHS Dresden).
Prof. Dr. Günther und Dr. Graßmann sprachen über die Veränderung des Kostenmanagements bei europäischen und amerikanischen Airlines in Zeiten der Corona-Krise. Hierfür untersuchten Sie das betriebswirtschaftliche Phänomen der Kostenremanenz. Das bedeutet, dass Kosten nicht in gleichem Maße wieder abgebaut werden können, beispielsweise in Krisenzeiten, wie sie vormals aufgebaut wurden. Die Ergebnisse Ihrer Studie zeigen, dass beispielsweise die Lufthansa und Air-France/KLM in der Lage waren, ihre Kosten im Zuge des signifikanten Beschäftigungsrückgangs überproportional abzubauen. Eine Fähigkeit, die Ryanair bereits seit vielen Jahren aufweist und auch in der Corona-Krise wieder bewiesen hat. Die untersuchten amerikanischen Airlines hingegen, weisen in fast allen untersuchten Kostenpositionen eine Kostenremanenz auf, die maßgeblich auf staatliche Subventionen zurückzuführen sein könnte. Die Subventionen sind in den USA an die Bedingung geknüpft, weder Mitarbeiter freizusetzen, noch Strecken einzustellen.Prof. Dr. Möst betrachtete die Konsequenzen von Corona aus energiewirtschaftlicher Sicht. Corona habe im Jahr 2020 zu einem Systemschock geführt. So sind die CO2-Emissionen so stark zurückgegangen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Gesunken sind zudem die Energieinvestitionen und die Stromnachfrage. Prof. Dr. Möst befürchtet dennoch ein „Zurückspringen“ der Treibhausgasemissionen. Um Emissionen auch weiterhin zu mindern sei eine Anreizung von „grünen“ Investitionen ebenso notwendig wie eine steigende CO2-Bepreisung (u.a. in Deutschland mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz). Der strukturelle Rückgang des globalen Kohleverbrauchs werde durch Corona vermutlich beschleunigt. Ein Rückgang des Energieträgers Erdöl seit ohne weitere politische Maßnahmen hingegen nicht in Sicht. Die weitere Entwicklung des Erdgasverbrauchs ist schließlich mit Unsicherheiten verbunden. In vielen Regionen könne aber ein hohes Wachstum für wahrscheinlich gehalten werden.
Prof. Dr. Florian Siems leitete aus bestehenden Ansätzen zur „Theorie des Erregungstransfers“ eine These für Beziehungsmarketing in Corona-Zeiten ab: Ersten Experimenten für zwischenmenschliche Beziehungen folgend, kann ein erster Stimulus die Wirkung eines zweiten verstärken, ohne dass dies der betreffenden Person bewusst ist. Dieser Effekt konnte auch im Marketing bereits empirische bestätigt werden: Personen, die Stress ausgesetzt sind, beurteilen z.B. Servicemitarbeitende, mit denen sie zufriedenen sind, positiver, als wenn sie keinem Stress ausgesetzt wären – vorausgesetzt, die Ursache des Stresses liegt nicht beim Unternehmen selbst. Für die Corona-Situation, die für viele Menschen mit Belastungen und Stress verbunden ist, lässt sich daraus als These ableiten: Die aktuelle Situation ist eine große Chance für Unternehmen, bei positivem Verhalten gegenüber Kunden besonders positiv wahrgenommen zu werden. Und ein großes Risiko, wenn der Kunde mit etwas nicht zufrieden ist, denn auch dieser Effekt wird voraussichtlich durch die Krise verstärkt.
28.01.2021: „Corona und die Auswirkungen auf den stationären und ambulanten Bereich und die Produktion von Gesundheitsleistungen“
Die deutsche Gesundheitswirtschaft erwies sich in Krisen stets als gesamtwirtschaftlicher Stabilisator. In der Diskussionsrunde am 28.01.2021 wurde der Frage nachgegangen, ob dies auch in der Coronakrise zutrifft, die einerseits wesentliche Leistungszentren beeinträchtigt, andererseits auch neue Impulse in der Gesundheitsproduktion setzen kann. Prof. Dr. Alexander Karmann (TU Dresden) moderierte eine spannende Expertenrunde, die Einblicke in den ambulanten Bereich, den Krankenhaussektor und den Gesundheitssektor insgesamt gab. Es referierten Dr. Adam Pilny, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Principal Investigator Klinikinvestitionen beim RWI Essen, Dr. Gunnar Dittrich, Hauptabteilungsleiter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, und Frau Dr. Sandra Hofmann, Forschungsleiterin Internationale Sozialpolitik bei WifOR Darmstadt.
Im Fokus des Impulsvortrags von Dr. Pilny stand die Analyse von Freihaltepauschalen, die zunächst einheitlich, später differenziert nach Krankenhaustypen, zur Bettenvorhaltung für Corona-Patienten seitens des Bundesgesundheitsministeriums gezahlt wurden. Da sich die einheitliche Zuweisungspraxis als tendenziell problematisch erwies – Erlössteigerungen bei kleineren Häusern, Erlöseinbußen bei Maximalversorgern -, löste das Ministerium die Praxis einheitlicher Pauschalierung durch Zahlung differenzierter Pauschalen ab.
Dr. Dittrich ging auf Strukturanpassungen ambulanter Versorgung ein (Test-Praxen; krankenhausersetzende Maßnahmen in Pflegeheimen; Testzentren). Inwieweit Corona die Digitalisierung von Praxen vorantreibt, wurde am Beispiel der Videosprechstunde verdeutlicht, die primär bei psychischen Erkrankungen beansprucht wird. Die hohen Akzeptanzwerte aus der Onlineumfrage unter den Panelteilnehmern scheinen für die hausärztliche Behandlung in Sachsen noch in weiterer Entfernung.
Frau Dr. Hofmann nahm abschließend eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung vor mit der Frage, ob die bisherige Rolle der Gesundheitswirtschaft weiterhin gilt: einerseits Wachstumsmotor (industrielle Produktion), andererseits Stabilisator in Krisenzeiten (Versorgung). Offenbar hatte die erste Corona-Welle Produktion und Export stark getroffen. Aber auch das Wachstum medizinischer Versorgung war diesmal rückläufig, nachfolgend sogar negativ, was mit überraschend hohen Kurzarbeitszahlen im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen korreliert. Als Ausblick, und ermutigend, deutet sich eine Rückkehr auf den alten Wachstumspfad ab – gleichwohl, eine Renaissance der Kostendiskussion im Gesundheitswesen und der Sicht von Gesundheit als Kostenfaktor könnte wiederaufleben.
18.03.2021: "Corona und das "V" an den Finanzmärkten"
Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat zu drastischen Kursverlusten an den Finanzmärkten geführt. DAX30 oder Dow Jones Industrial Average verloren von Ende Februar bis Ende März 2020 40% an Wert. Gefolgt wurde der Crash von einer V-förmigen Erholung bis Anfang 2021 und Kursrekorden an vielen Märkten.
Kritikern gilt diese extreme Volatilität als Indiz für die Irrationalität der Finanzmärkte. In der Diskussion am 18.03.2021 konzentrieren sich die Panelisten auf die Rolle von Informationen und Erwartungen. So wurde u.a. das Erwartungsmanagement rund um die Publikation der Arbeitsmarktzahlen in den USA analysiert und die Eingriffe der EZB zur Stützung der Märkte aus praktischer Sicht diskutiert.
Es diskutierten Jürgen Klaus (Team Lead, Funding and Investor Relations, Derivatives and Market Intelligence, European Stability Mechanism), Dr. Tony Klein (Assistant Professor in Finance, Queen’s Management School, Belfast) und Prof. Dr. Ostap Okhrin (TU Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften, Professur für Ökonometrie und Statistik, insb. im Verkehrswesen). Moderiert wurde das Panel von Prof. Dr. Stefan Eichler.