16.09.2024
Digitale Innovation in der sächsischen Lehrer:innenbildung: Fünf Jahre Lehre mit dem Chatbot
Bereits seit fünf Jahren – und damit weit vor dem Hype um ChatGPT & Co. – setzen Hochschulen in Sachsen erfolgreich auf innovative digitale Lösungen in der Hochschullehre unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Erstmals führte das Verbundvorhaben tech4comp und später tech4compKI im Wintersemester 2019/2020 Chatbots als virtuelle Mentoren zur Lernunterstützung ein.
Wissenschaftler:innen der TU Dresden, der HTWK Leipzig und der TU Chemnitz entwickeln die Tools – koordiniert von der Kolleg:innen der Universität Leipzig – gemeinsam mit Partnern vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), der FU Berlin, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der RWTH Aachen seitdem stetig weiter. Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens ist es, skalierbare und effiziente digital gestützte Mentoringtechnologien zu entwickeln, die Studierende in den Bildungswissenschaften, Lehramt, Mathematik und Informatik, insbesondere auch in der Selbststudienphase unterstützen.
Bei der Einführung vor fünf Jahren war die Nutzung von KI-Technologien in der Hochschullehre allgemein sowie in einer pädagogischen Disziplin im Besonderen bundesweit einmalig. Mittlerweile haben mehr als 7.500 zukünftige Lehrerinnen und Lehrer eine Einführung in das Lernen mit KI-Mentoren erhalten und die TU Dresden hat dies auf Grundlage der neuen Landeslehrerprüfungsordnung seit dem Studienjahr 2023/2024 zum verpflichtenden Bestandteil für alle Lehramtsstudierenden gemacht.
In den Kursen von Prof. Thomas Köhler an der Professur für Bildungstechnologie der TU Dresden hat sich diese Technologie bewährt: „Der Chatbot fungiert als virtueller Mentor, mit dem die Studierenden jederzeit interagieren können. Studierende haben die Möglichkeit, diesen rund um die Uhr zu fragen oder ihm selbst verfasste Texte zu schicken, zu denen sie im Anschluss automatisiertes Feedback erhalten. Es hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit dem Chatbot zu einer Individualisierung und damit Verbesserung von Lernprozessen beiträgt“, betont Thomas Köhler.
Verbundkoordinator und Projektleiter Prof. Heinz-Werner Wollersheim, Universität Leipzig, hebt die gewaltige Innovationshöhe hervor – gerade für Studierende im Lehramt, wo medientechnologische Innovation nicht selten skeptisch betrachtet wird: „Spätestens seit ChatGPT sollten sich Lehrende mit Potenzialen aber auch Herausforderungen generativer KI auseinandersetzen. Bei uns können Studierende erste Erfahrungen sammeln, u. a. mit einem Chatbot, der das Potenzial von großen Sprachmodellen [engl. Large Language Models, LLM, Anm. d. Redaktion] nutzt, aber anders als ChatGPT speziell auf die Inhalte in unserem Modul angepasst ist. Das ist wichtig, weil die Studierenden berechtigterweise einen hohen Anspruch an die Qualität von KI-Diensten haben.“
Die Mentoring Workbench, eine Weboberfläche und zentrale Komponente des Projekts, integriert den Chatbot mit anderen Tools wie einer Suchmaschine und einem Zeitplaner und ist nahtlos in OPAL, das gemeinsame Learning-Management-System (LMS) der sächsischen Hochschulen und auch in das LMS Moodle eingebettet. Dies ermöglicht den Studierenden eine einfache Nutzung innerhalb ihrer gewohnten Lernumgebung. Dass OPAL aktuell durch mehr als 80 Prozent aller Studierenden des Freistaates genutzt wird, unterstreicht das bemerkenswerte Potenzial der neuen Lerntechnologie.
Ziel der Projektverantwortlichen ist es, die Chatbots auch in Zukunft weiterzuentwickeln. Dafür streben sie an, die Technologie an allen sächsischen Hochschulen zu etablieren, um grundlegend und nachhaltig die digitalen Bildungsangebote zu verbessern. Parallel entstehen neue Projekte, die die Entwicklung und Optimierung von KI-Technologien in der Hochschullehre vorantreiben.
So widmet sich seit 2024 die Junior Research Group „Situating AI-based Mentoring“ unter Leitung von Dr. Sandra Hummel an der TU Dresden der Frage, wie KI-gestütztes Mentoring präziser und damit wirksamer an die individuellen Lernprozesse der Studierenden angepasst werden kann. Die interdisziplinäre Gruppe legt großen Wert darauf, Erkenntnisse aus der Lernforschung direkt in die KI-Entwicklung zu übertragen. Ziel ist, personalisierte Lernunterstützung zu schaffen, die sich dynamisch an den Fortschritt und die Bedürfnisse der Lernenden anpasst.
In Zeiten von Lehrkräftemangel und Unterrichtsausfällen sieht Thomas Köhler in einer technikgestützten Lernprozessbegleitung großes Potenzial. „Mit unseren Partnern werden wir auch künftig organisatorische und technologische Voraussetzungen untersuchen und die Einsatzmöglichkeiten unserer Lerntechnologien verbessern. Auf dieser Grundlage können wir die Mentoringwerkzeuge auch außerhalb der Universität, in der Schule oder beim selbstgesteuerten Lernen, gewinnbringend und vor allem kurzfristig implementieren.“
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: https://tu-dresden.de/codip/projekte/projektoverview/tech4comp
Zum CODIP TU Dresden:
Das Center for Open Digital Innovation and Participation (CODIP) erforscht, wie digitale Medien und Werkzeuge zum Lehren, Lernen und Forschen eingesetzt werden können, und wie ihr Einsatz die Arbeitswelt und den Alltag verändert. Mit über 70 Mitarbeitenden arbeitet es interdisziplinär zu digitalen Medien und Werkzeugen und entwickelt passende Konzepte, Bildungsangebote und digitale Anwendungen. Es verfolgt Forschungs- und Entwicklungsthemen sowohl in Eigenregie als auch in Verbünden mit Partnern aus der TU Dresden, dem gesamten Bundesgebiet und 15 Ländern weltweit.
Zur Nachwuchsforschungsgruppe Situiertes Mentoring:
Als Bestandteil des ScaDS.AI (Zentrum für Data Science, Künstliche Intelligenz und Big Data mit Standorten in Dresden und Leipzig) kombiniert die Junior Research Group bildungswissenschaftliche Forschung mit KI-Entwicklung, um Systeme zu schaffen, die nicht nur technisch leistungsfähig, sondern auch pädagogisch sinnvoll und wirksam in der Hochschullehre eingesetzt werden können. Dies markiert einen neuen Ansatz in der KI-Entwicklung, bei dem der Lernprozess im Mittelpunkt steht und die Technologie darauf ausgerichtet wird, den Studierenden nachhaltig und individuell zu unterstützen.
Kontakt:
Prof. Dr. Werner Wollersheim
Verbundkoordinator und Projektleiter Universität Leipzig
Tel.: 0341 97-31411
E-Mail:
Prof. Dr. Thomas Köhler
Projektleiter TU Dresden
Tel.: 0351 463-32772
E-Mail:
Dr. Sandra Hummel
Leiterin Nachwuchsforschungsgruppe Situiertes Mentoring
ScaDS.AI Dresden/Leipzig
Tel.: 0351 463-39913
E-Mail: