24.09.2024
TUD-Student Justin Bürger erhält young talent award
Die German Datacenter Association (GDA) nimmt die Zukunft der Branche in den Fokus und ehrt Nachwuchstalente. Als Abschluss der diesjährigen German Datacenter Conference wurden am 3. September 2024 wieder herausragende wissenschaftliche Arbeiten aus dem IT- und Datacenter-Bereich ausgezeichnet. So auch die des TUD-Studenten Justin Bürger, der am ZIH der TU Dresden seine Forschungsarbeit zur Reproduzierbarkeit von Forschungsdaten mithilfe eines Modellrepositoriums verfasst hat.
Justin Bürger absolviert den englischsprachigen Master-Studiengang Computational Modeling and Simulation an der TU Dresden, in dem er auch ein Austauschsemester an der CentraleSupeléc in Paris-Saclay belegte. Der Anruf der GDA-Jury erreichte ihn nun in Taiwan, wo er mit der ersten Studierendengruppe der TUD am Semiconductor Talent Incubation Program teilnahm.
Reproduzierbarkeit von Forschungsdaten: Modernisierungsbedarf für ältere Daten
In vielen Forschungsbereichen insbesondere der Lebenswissenschaften erweisen sich publizierte Ergebnisse als schwer durch andere Labore reproduzierbar. Dieses Dilemma kann heute durch die Entwicklung von Standard Operating Procedures (SOP), deren digitale Protokollierung sowie das Management digitalisierter Forschungsdaten nach den FAIR-Prinzipien zunehmend eingedämmt werden.
Für seine Forschungsarbeit widmete sich Justin Bürger einer vielbeachteten zurückliegenden Studie, die bereits 2011 im Fachjournal PLoS Computational Biology veröffentlicht wurde. Analysiert wurde ein zentraler Prozess der Embryonalentwicklung bei Wirbeltieren, bezeichnet als Somitogenese, der die Segmentierung der Körperlängsachse u.a. für den Aufbau der Wirbelsäule aus einzelnen Wirbeln erreicht. Die Originalpublikation präsentierte die Entwicklung und die Ergebnisse des bis heute umfangreichsten Computermodells der Somitogenese. Zwar war der zugrunde liegende Quellcode mit veröffentlicht worden, er ist aber wegen Abhängigkeiten zu damaligen Softwarebibliotheken heute nicht mehr lauffähig und konnte auf Nachfrage auch von den Autoren nicht mehr rekonstruiert werden.
Modellrepositorium Morpheus als Garant für nachhaltige Forschungsdaten
Justin Bürger ist es jedoch gelungen, den biologischen Informationsgehalt und die Parametrisierung aus dem publizierten Computermodell zu isolieren. Um die Daten – nunmehr frei von Abhängigkeiten und spezifischem Simulationscode – nachhaltig und maschinenlesbar abzulegen, nutze er die in der Abteilung Innovative Methoden des Computing (IMC) am Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) der TUD entwickelte Modellbeschreibungssprache MorpheusML. Damit können nun verschiedene Simulationsprogramme wie z.B. "Morpheus" oder "Artistoo" das in die standardisierte MorpheusML-Sprache übertragene Modell weiter bearbeiten, simulieren und analysieren.
Justin Bürger hat also mit seiner Arbeit gezeigt, wie Forschungsdaten auf dem Gebiet Computational Biology mittels einer standardisierten Modellbeschreibungssprache vom Quellcode einer spezifischen Simulationssoftware separiert und über Datenzentren mit Modellrepositorien auch anderen Simulatoren persistent zugänglich gemacht werden können.
Mit Morpheus hat Justin Bürger die ursprünglich publizierten Ergebnisse (der damals verwendete Simulator war "CompuCell3D") zudem qualitativ und quantitativ reproduziert und bestätigt (vgl. https://identifiers.org/morpheus/M6696). Das Modellrepositorium, das er dafür verwendete, wird von der ZIH-Abteilung IMC betrieben und von Forschenden weltweit genutzt. Der Modellstandard MorpheusML für Forschungsdaten auf dem Gebiet Computational Biology wurde jüngst auch von der Roadmap "Virtual Human Twin" auf EU-Ebene aufgegriffen und wird nun von einer weltweiten Community gepflegt (COmputational Modeling in BIology NEtwork).
Prof. J. A. Glazier, Direktor des Biocomplexity Instituts der Indiana Universität (USA) und Hauptautor der ursprünglichen Modellpublikation betont: "Diese multiskaligen agenten-basierten Computermodelle mit komplexen Wechselwirkungen biologischer Zelldynamiken, Mechanik, Interaktion, Genregulation etc. auch nach mehr als einem Jahrzehnt noch am Laufen zu halten, ist ein wirklich hartes Problem. Der ursprüngliche Simulationscode, der auf unseren modernen Rechnern nicht mehr läuft, enthielt etliche spezielle Details. Deshalb bin ich sehr froh, dass es Justin Bürger gelungen ist, dieses sehr einflussreiche Modell wieder zum Leben zu erwecken und die exakten Gleichungen und technischen Details in einem standardisierten Format zu definieren. Darüber hinaus motiviert die gelungene Validierung unserer ursprünglichen Ergebnisse in einem unabhängigen Software-Framework – jetzt in Morpheus, ursprünglich in CompuCell3D – unsere Forschungsgemeinschaft, weitere grundlegende Computermodelle zwischen verschiedenen Simulatoren auszutauschen. Dieser Austausch und die gegenseitige Validierung sind essenziell für die kollaborative Entwicklung noch genauerer Modelle mit Blick auf Medical Digital Twins. Ich freue mich auf die intensive Zusammenarbeit mit dem Morpheus-Team des ZIH als Partner in unserer weltweiten Open Virtual Tissues Initiative."
Anwendung des Modells auf offene biologische Fragen
Zurück in Dresden plant Justin Bürger als Nächstes seine Masterarbeit in Computational Modeling and Simulation in der ZIH-Abteilung IMC. Hierfür hat er sich die Anwendung seines prämierten Computermodells auf neue experimentelle Daten in einer Kooperation mit dem Exzellenzcluster "Physik des Lebens" (Physics of Life – PoL) vorgenommen.
Weitere Informationen
Kontakt: Dr. Lutz Brusch
Pressemeldung der GDA: https://www.germandatacenters.com/news/detail/zukunft-der-branche-im-fokus/