31.01.2025
Den Druck entlasten: Tight Junctions reduzieren Zellspannung für effektiven Wassereinstrom während der Organentwicklung
![Eine wissenschaftliche Visualisierung mit einer Reihe kreisförmiger, mikroskopischer Strukturen, die in einer spiralförmigen Anordnung auf einem schwarzen Hintergrund dargestellt sind. Die Strukturen zeigen unterschiedliche Farben von tiefem Violett bis zu leuchtendem Orange mit komplexen inneren Mustern. In der oberen linken Ecke befindet sich eine grüne polygonale Form mit dem Wort „News“.](https://tu-dresden.de/cmcb/biotec/ressourcen/bilder/news-events/250131_Honigmann-DevCell_Website_Copyright-Markus-Mukenhirn.png/@@images/9f0c5a2f-315e-412e-b8f6-38b112c4cfde.png)
Montage eines MDCK-Zystenmodells, welches in dieser Studie von der Honigmann-Gruppe verwendet wurde.
Viele Organe, wie beispielsweise die Nieren und der Darm, bestehen aus flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen, die für ihre Funktion entscheidend sind. Der Körper bildet solche Organe durch ein koordiniertes Zusammenspiel vieler Zellen, die Wasser transportieren, um einen flüssigkeitsgefüllten Raum innerhalb des Gewebes zu schaffen. Eine aktuelle Studie der Honigmann-Gruppe am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der TU Dresden zeigt, wie Zellen diesen Prozess regulieren. Das Team entdeckte, dass Tight Junctions – proteinbasierte Zellverbindungen – eine unerwartete Rolle bei der Kontrolle des Wasserflusses während der Organbildung spielen. Ihre Ergebnisse, die in Developmental Cell veröffentlicht wurden, bieten neue Einblicke in die Mechanismen der Organentwicklung.
Tight Junctions sind proteinbasierte Zellverbindungen, die Lücken zwischen benachbarten Zellen verschließen. Bisher glaubten Forschende, dass Tight Junctions hauptsächlich den Durchfluss kleiner Moleküle durch die Organbegrenzungen kontrollieren. Ein Team um Prof. Alf Honigmann zeigte jedoch, dass Tight Junctions den Eintritt von Wasser in sich entwickelnde Organe aktiv erleichtern, indem sie die mechanische Spannung zwischen den Zellen reduzieren.
„Die Bildung flüssigkeitsgefüllter Hohlräume ist ein wesentlicher Schritt in der Organentwicklung“, sagt Prof. Alf Honigmann, Forschungsgruppenleiter am BIOTEC und Projektleiter. „Epithelzellen, die die Organe auskleiden, verlassen sich auf passive Osmose, um Wasser in das Organ zu transportieren. Wie die Zellen die physikalischen Kräfte kontrollieren können, die die Richtung des Wasserflusses während der Osmose bestimmen, war unklar.“
Fest oder entspannt
Der Schlüssel liegt darin, wie Tight Junctions das Zytoskelett innerhalb der Zellen regulieren. Wenn Wasser in den Gewebehohlraum eintritt, pumpt es das Gewebe effektiv auf, ähnlich wie ein Luftballon aufgepumpt wird. Wie viel Kraft zum Aufpumpen des Gewebes erforderlich ist, hängt davon ab, wie stark das Zytoskelett diesem Aufpumpen widersteht. Wenn die Gegenkraft des Zytoskelett zu groß ist, kann Wasser nicht eintreten oder wird sogar herausgedrückt. Das Honigmann-Team fand heraus, dass Tight Junctions während der Organentwicklung das Zytoskelett entspannen, was die Spannung zwischen den Zellen reduziert und den Wassereintritt in das Gewebe erleichtert.
„Unsere Forschung zeigt, dass Tight Junctions nicht nur eine Gewebebarriere bilden, sondern auch das mechanische Kräftegleichgewicht kontrollieren und so den Wassereinstrom erleichtern“, sagt Prof. Honigmann. „Indem sie die Spannung zwischen benachbarten Zellen reduzieren, machen sie die Organränder biegsam und ermöglichen es dem Wasser, den Gewebehohlraum effizienter aufpumpen.“
Blick in die Zukunft
Diese Entdeckung erweitert unser Verständnis der Organentwicklung und eröffnet neue Wege zur Untersuchung von Krankheiten, bei denen der Wasserfluss gestört ist, wie beispielsweise Mukoviszidose.
„Mit dieser Erkenntnis eröffnen wir eine Reihe neuer Fragen zur Rolle von Tight Junctions in der Entwicklungsbiologie. Das Verständnis der Rolle von Tight Junctions im Wassermanagement könnte neue Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen verschiedener Krankheiten liefern, die durch eine fehlerhafte Organentwicklung verursacht werden“, schließt Prof. Honigmann.
Originale Veröffentlichung:
Markus Mukenhirn, Chen-Ho Wang, Tristan Guyomar, Matthew J. Bovyn, Michael F. Staddon, Rozemarijn E. van der Veen, Riccardo Maraspini, Linjie Lu, Cecilie Martin-Lemaitre, Masaki Sano, Martin Lehmann, Tetsuya Hiraiwa, Daniel Riveline, Alf Honigmann: Tight junctions control lumen morphology via hydrostatic pressure and junctional tension. Developmental Cell (November 2024)
Link: https://doi.org/10.1016/j.devcel.2024.07.016