13.01.2023
Nukleare Sicherheitsforschung: 1,3 Millionen Euro für Nachwuchsforschungsgruppe von TU Dresden und Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Durch den Ausstieg Deutschlands aus der Stromerzeugung mit Kernenergie verliert das Fachgebiet der nuklearen Sicherheitsforschung bei jungen Menschen zunehmend an Attraktivität. Die Absolventenzahlen sind rückläufig und die Anzahl deutscher Nuklearexpert:innen sinkt. Deutschland braucht aber nach wie vor diese Fachkräfte, schon allein, weil in unseren Nachbarländern Kernkraftwerke betrieben und neue Anlagen gebaut werden. Zudem stehen neue Reaktortypen, wie etwa kleine modulare oder flüssigmetall-gekühlte Reaktoren, am Start. Dafür bedarf es eigener Sicherheitsforschung und Expertenwissens. Eine weitere technologische und infrastrukturelle Herausforderung ist die Entsorgung des hochradioaktiven Abfalls. Eine Problematik, die Deutschland voraussichtlich über die nächsten Jahrzehnte beschäftigt. Die Nachwuchsgruppe RIMANUS der TU Dresden möchte dem drohenden Kompetenzverlust entgegenwirken und durch attraktive Forschungsangebote junge Nachwuchswissenschaftler:innen für die nukleare Sicherheitsforschung gewinnen und ausbilden.
Im Rahmen der Initiative zur „Förderung von Nachwuchsgruppen in der nuklearen Sicherheitsforschung an deutschen Hochschulen“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz konnte sich das Projekt RIMANUS durchsetzen. Für die nächsten drei Jahre erhält die Nachwuchsgruppe eine Förderung in Höhe von 1,28 Mio Euro. Im Mittelpunkt ihrer Forschungsaktivitäten steht die Weiterentwicklung und Nutzung innovativer Bildgebungsverfahren für aktuelle Fragestellungen aus der Reaktorsicherheitsforschung sowie der Überwachung von Kernbrennstoffen.
Heutige Kernreaktoren sind überwiegend sogenannte Leichtwasserreaktoren. Die Kühlung des Reaktorkerns bei Störfällen ist für ihren sicheren Betrieb unabdingbar. Bei einem Störfall, etwa einer Leckage im druckführenden System, verdampft Wasser und die Kernkühlung wird beeinträchtigt. Ein bekanntes Beispiel ist der Reaktorunfall in Fukushima, wo es infolge eines Ausfalls der Stromversorgung zu einem Ausfall der Kühlung und damit zu Kernschmelzen kam.
„Gegenstand der aktuellen Forschung ist es, vorherzusagen, wann bei einem Reaktorstörfall die Kühlung nicht länger ausreicht. Dafür arbeiten wir – wie Forschungsgruppen weltweit – einerseits an Computersimulationen und führen andererseits Experimente durch. Solche Experimente brauchen geeignete Messtechnik, um das Strömungsverhalten zu analysieren. Bildgebende Messverfahren, wie sie am HZDR entwickelt wurden, können hier einen wichtigen Beitrag liefern“, erläutert Dr. Michael Wagner, Projektleiter von RIMANUS.
Mittels der ultraschnellen Röntgentomographie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ist es möglich, Dampf-Wasser-Strömungen in Rohrleitungen mit bis zu 5.000 Bildern pro Sekunde dem menschlichen Auge sichtbar zu machen. Diese einzigartige Bildgebungstechnik wurde maßgeblich am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf entwickelt und wird innerhalb der gemeinsamen Professur für Bildgebende Messverfahren für die Energie- und Verfahrenstechnik an der TU Dresden genutzt – und dabei auch für verschiedene Anwendungen angepasst. „Unser Ziel im RIMANUS-Projekt ist es nun, diese Röntgenbildgebungsverfahren in Richtung 3D-Bildgebung und höhere Strahlungsenergien für die nukleare Sicherheitsforschung weiterzuentwickeln“, sagt Wagner.
Ein weiterer Fokus der Nachwuchsgruppe liegt auf dem Bereich der Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente. Da aktuell noch kein Endlager in Deutschland existiert, müssen radioaktive Abfälle in Transport- und Lagerbehältern (vor allem des Typs CASTOR) für deutlich mehr als 50 Jahre zwischengelagert werden. Für diese langen Lagerungszeiträume gibt es derzeit keine gesicherte Kenntnis, dass die Brennelemente unversehrt bleiben und sich im Laufe der Zeit nicht verändern. Für ein späteres Umladen in Endlagerbehälter sind diese Informationen allerdings essenziell. Um vor der Öffnung der Transportbehälter Informationen über den Zustand der Brennelemente zu bekommen, wäre ein nicht-invasives Messverfahren wünschenswert, welches es erlaubt, Informationen über den Zustand der Brennelemente hinter der 50 cm dicken Stahlwand des Lagerbehälters zu erhalten. Eine Möglichkeit bieten kosmische Myonen. Das sind einfach geladene Teilchen, die in der oberen Erdatmosphäre entstehen und auch sehr große und dichte Objekte durchdringen können. RIMANUS-Wissenschaftler:innen wollen die Myonen-Bildgebung für die Inspektion der Behälter qualifizieren.
Die Forschungsgruppe RIMANUS („Innovative Radiation-based Imaging Techniques for Nuclear Safety Research“) ist an der Professur für Bildgebende Messverfahren für die Energie- und Verfahrenstechnik der TU Dresden angesiedelt. Die praktischen Forschungsarbeiten werden am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf durchgeführt.
Kontakt für Journalisten:
Dr. Michael Wagner
TU Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Professur für Bildgebende Messverfahren für die Energie- und Verfahrenstechnik
Tel.: +49 351 260-2334