21.10.2019
TU-Ausgründung erfindet Software zur Medikamentenforschung
Jährlich wenden deutsche Unternehmen 6,2 Milliarden Euro für Medikamentenforschung und klinische Studien mit Probanden auf. Um neue Arzneimittel entwickeln zu können, muss zunächst ein neuer Wirkstoff gefunden werden, der an körpereigenen Zielmolekülen ansetzen kann. Das Dresdner Unternehmen PharmAI wurde im Juni 2019 aus dem BMWi geförderten Forschungsprojekt „Redivia“ gegründet und hat es sich zum Ziel gesetzt, die immer schneller wachsenden Datenbestände an 3D Proteinstrukturdaten systematisch am Computer zu analysieren. Der Firmengründer und Geschäftsführer Dr. Joachim Haupt entstammt der Bioinformatik Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Schroeder an der Technischen Universität Dresden. Die Technik der Software DiscoveryEngine beruht auf der Analyse von Proteinstrukturdaten. Dabei werden digitale Fingerabdrücke aus der Geometrie und den physikochemischen Eigenschaften der Wirkstoffbindetaschen bzw. aus den nicht-kovalenten Wechselwirkungen zwischen Wirkstoff und Wirkstoffziel errechnet. Mithilfe dieser Fingerabdrücke ist es möglich, in kürzester Zeit sehr große Datenbestände zu analysieren und so neue Wirkstoffkandidaten oder auch neue Wirkstoffziele für bekannte Wirkstoffe zu identifizieren.
Die Software DiscoveryEngine von PharmAI analysiert eine Datenbank von mehr als 125.000 Proteinstrukturen mit dem Ziel, neue Anwendungen für vorhandene Wirkstoffe zu identifizieren, für Nebenwirkungen verantwortliche Proteine (sogenannte Off-Targets) aufzudecken sowie bislang unbekannte Substanzklassen zur Modulation von Wirkstoffzielen zu finden. „Die Technologie erlaubt es, Vorhersagen zu treffen, wo existierende Medikamente in anderen Bereichen ebenfalls eingesetzt werden können. So ist es denkbar, ein Malaria-Medikament zu finden, das eventuell auch in der Krebsforschung wirksam eingesetzt werden kann. Mit unserem Algorithmus können wir die Wirkstoffe ganz systematisch auswerten. Dies geht deutlich schneller als mit Laborexperimenten und reduziert zudem die Kosten“, erläutert Professor Schroeder. Dieses sogenannte „Drug Repositionen“ konnte das PharmAI-Team bereits auf die Chagas-Krankheit und Parkinson anwenden, sodass mit bereits bekannte Wirkstoffen neue Anwendungsfelder erschlossen werden können. Das klassische „High-Throughput-Screening“, bei dem nach neuen Wirkstoffen gesucht wird, aus denen später neue Arzneimittel entwickelt werden, erzielt bei bisherigen Verfahren eine Trefferquote von 0,02 %. Das von PharmAI entwickelte „Focused Library Screening“ erlaubt es Pharma-Unternehmen, die Trefferquote auf 10% zu erhöhen. Damit können Entwicklungskosten erheblich gesenkt und die für weitere Entwicklungsschritte essentielle chemische Diversität der Wirkstoffe entscheidend vergrößert werden.
„Es ist unmöglich alle 20.000-30.000 Proteine des menschlichen Körpers mit den bisher üblichen Verfahren im Labor zu testen, mit unserer Technologie ist dies jedoch umsetzbar. Wir können fast alle der relevanten menschlichen Proteine in unseren Daten abdecken und diese gegen unsere Algorithmen laufen lassen und so Studien durchführen. Es erhöht die Erfolgschance, da mehr Proteine für die Medikamentenforschung getestet werden können“, beschreibt Dr. Joachim Haupt die neue Technologie. Auch nach Ablauf der Forschungsförderung möchten die jungen Unternehmer weiterhin eng mit der TU Dresden und der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Schroeder zusammenarbeiten. Innerhalb der kommenden zwei Jahre möchte das Unternehmen auf 10 bis 20 Mitarbeiter/innen anwachsen und vor allem verstärkt das Thema künstliche Intelligenz einbeziehen, um die Algorithmen voranzutreiben. „Die Prognosen stehen günstig, da der KI-Bereich in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielen konnte und der Trend auch weiterhin in Richtung KI geht. Wir haben bereits einen Spezialisten in unserem Team und möchten unsere Software weiter ausbauen“, so Mitgründer Dr. Florian Kaiser. Im November wird PharmAI auf der BIO-Europe in Hamburg zu finden sein, der größten Partnering-Konferenz Europas im Bereich der Biotech-Industrie, um ihr Produkt neuen Partnern und Kunden aus der Pharmaindustrie zu präsentieren.
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PharmAI GmbH Dr. Joachim Haupt www.pharm.ai